Burckhard Heise aus Cuxhaven-Döse hat dieses Foto im Winter 1978/79 im Bereich der Grimmershörnbucht gemacht. Fotos: privat
Burckhard Heise aus Cuxhaven-Döse hat dieses Foto im Winter 1978/79 im Bereich der Grimmershörnbucht gemacht. Fotos: privat
Jahrhundertwinter

"Das weiße Chaos": Mit Skiern zur Segler-Versammlung

von Christian Mangels | 03.01.2019

KREIS CUXHAVEN. Meterhohe Schneeverwehungen, Chaos auf den Straßen und Schneeschaufeln bis zum Umfallen: Viele Cuxland-Bewohner erinnern sich noch eindrücklich an den Jahreswechsel 1978/79.

Nach einem Aufruf haben sie uns mehr als 100 Bilder und ganze Fotoalben aus dem Jahrhundertwinter zur Verfügung gestellt, an die 50 Briefe und E-Mails zugeschickt - mit sehr lebendigen Erinnerungen an die Schneekatastrophe. In unserer Serie "Das weiße Chaos" erzählen wir ihre Geschichten.

"Auf den Skiern zur Hauptversammlung der Segler-Vereinigung Cuxhaven" - so titelten die Cuxhavener Nachrichten im Februar 1979. Gemeint war Wolfgang Mehlhoff aus Gudendorf, der unbedingt an der Sitzung teilnehmen wollte und deshalb seine Skier auspackte. "Für die Hintour zum Seepavillon brauchte ich etwas über zwei Stunden. Außer drei Panzern begegnete mir auf freier Strecke nichts", blickt Mehlhoff zurück. Auf der Rücktour - es war nach 22 Uhr - wurde der Gudendorfer Ski-Fahrer von Feldjägern der Bundeswehr gestoppt und in einen Unimog verfrachtet. Er solle im Dunkeln draußen nicht herumlaufen, sagten die Soldaten, das sei zu gefährlich. "An der Kasernenstraße in Altenwalde ließ man mich dann wieder laufen."

Elke Mosner hat den Schneewinter vor 40 Jahren im Birkenweg in der Gemeinde Wanna erlebt. "Der Verkehr war komplett zusammengebrochen. Ich arbeitete damals in Cuxhaven und musste eine Woche Zwangsurlaub nehmen, bis Bus und Bahn wieder fuhren", berichtet sie. Der Bergepanzer der Bundeswehr kam bis zum Birkenweg nicht durch. "Erst nach einigen Tagen wurde mit Hilfe eines Radladers der damaligen Firma Schalk der Schnee abgefahren. In der Zwischenzeit bauten wir einen Schneetunnel zum Wetternweg." Im Gedächtnis geblieben ist Elke Mosner auch die gegenseitige Hilfsbereitschaft in dieser Zeit: "Unser Nachbar fuhr auf Skiern ins Dorf und versorgte uns mit Lebensmitteln. Rum und Milch waren nach kurzer Zeit ausverkauft."

Unbeschreibliche Hilfsaktion

Von nachbarschaftlicher Hilfsbereitschaft kann auch Uwe Weidhase aus Cuxhaven-Altenwalde berichten: "Einer der Nachbarn, wohnhaft im Kattensteen, benötigte dringend Heizöl. Der Lieferant wollte aber nur kommen, wenn der Altenwalder Heideweg geräumt ist." Daraufhin setzte eine unbeschreibliche Hilfsaktion ein: "Wir haben in Nachbarschaftshilfe angefangen, die Schneemassen mit Muskelkraft zu beseitigen. Es klappte hervorragend." Als die Zufahrt fast freigeschaufelt war, kam der Bergepanzer aus Richtung Holte-Spangen und erledigte den Rest. "Das war für uns alle ein echtes Erlebnis und hat auch der Zusammengehörigkeit in der Nachbarschaft gedient."

Manuela Lindholm war im Winter 1978/79 13 Jahre alt und lebte mit ihrer Familie am Bahnhof in Neuhaus (Oste). "Der Schnee türmte sich durch Verwehungen bis an die Dachkante unseres alten Schuppens. Die Schule fiel aus und die Züge fuhren nicht mehr", erinnert sich Lindholm. "Zum Einkaufen mussten wir mit dem Schlitten zum Tante- Emma-Laden nach Kehdingbruch. Wir Kinder waren den ganzen Tag draußen und hatten einen Heidenspaß, wenn wir in die Gräben sprangen, die man nicht mehr sehen konnte, weil sie voll mit Schnee waren. Auch wir Kinder waren nach dem Sprung komplett weg." Noch heute erzählt sie ihren Kindern von dem Jahrhundertwinter.

Lebhafte Erinnerungen an die Schneekatastrophe hat auch die Familie Mohr aus Neuenkirchen. Ulrich Mohr wollte mit seiner Frau Elisabeth und dem vier Monate alten Sohn Nicolas Ende Dezember 1978 nach Honduras fliegen, um dort eine Tätigkeit bei der Deutschen Gesellschaft für technische Zusammenarbeit im Rahmen der Entwicklungshilfe aufzunehmen. Vom Flughafen Bremen sollte es über Frankfurt nach Zentralamerika gehen. "Doch in den letzten Dezembertagen fiel so viel Schnee, dass wir nach kurzer Zeit im Süderende völlig eingeschneit waren", berichtet Ulrich Mohr. Die Landstraßen im norddeutschen Raum waren zum großen Teil unpassierbar. Was also tun? Und wie überhaupt vom Hof kommen? Der Retter hieß Hermann Vermehren, ein Freund der Familie. "Er hatte einen riesigen Radlader organisiert und kämpfte Meter für Meter unseren Weg bis zur Landesstraße frei."

Ein wagemutiger Taxifahrer brachte die kleine Familie anschließend nach Bremen. Dann die nächste Hürde: Würde das Flugzeug überhaupt starten? "Die Maschine war komplett eingefroren. Sie musste stundenlang enteist werden, bis sie einsatzbereit war." Am späten Nachmittag hob das Flugzeug tatsächlich ab.

Am 31. Dezember ging das Drama in Frankfurt weiter. Auch dort waren Gebäude und Maschinen unter Schnee begraben. Der Flieger hatte drei Stunden Verspätung, aber er flog. "Letztendlich sind wir heil und gesund in Honduras bei 34 Grad plus und 98 Prozent Luftfeuchtigkeit angekommen", so Mohr.

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Christian Mangels

Redakteur
Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

cmangels@no-spamcuxonline.de

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