Hier fühlt er sich wohl, hier ist sein Zuhause: Jürgen von Glahn. Die Strandkorbvermietung des 73-Jährigen besteht in diesem Jahr seit 80 Jahren. Seine Großmutter hatte sie 1939 gegründet. Foto: Scheschonka
Hier fühlt er sich wohl, hier ist sein Zuhause: Jürgen von Glahn. Die Strandkorbvermietung des 73-Jährigen besteht in diesem Jahr seit 80 Jahren. Seine Großmutter hatte sie 1939 gegründet. Foto: Scheschonka
Tourismus

Der König der Strandkörbe in Cuxhaven

24.08.2019

CUXHAVEN. Wenn Jürgen von Glahn über den Deich von Cuxhaven-Duhnen geht, wird er alle paar Meter erkannt. Hier ein Hallo, dort ein kurzes Gespräch, immer ein Lächeln im Gesicht.

"Einige sind schon als Kinder hergekommen und machen jetzt hier mit ihren Kindern Urlaub", erzählt von Glahn. Von Ostern bis Oktober verbringt er jeden Tag der Woche in seinem Vermietungspavillon aus Holz auf dem Duhner Deich. An Ruhestand denkt der 73-Jährige noch lange nicht.

Seit 56 Jahren vermietet Jürgen von Glahn Strandkörbe in Cuxhaven-Duhnen. Aus dem Stadtteil und vom Deich ist der 73-Jährige nicht mehr wegzudenken: Er ist ein wahres Duhner Urgestein. "Ich bin hier geboren, 100 Meter vom Strand entfernt. Man könnte fast sagen im Sand", scherzt er.

500 Strandkörbe vermietet Jürgen von Glahn in dieser Saison. Er ist der ungekrönte "Strandkorb- König". Jeder Korb trägt die Initialen JvG auf der Seite. Morgens um 7 Uhr kommt Jürgen von Glahn an den Strand und prüft, ob alle 500 Strandkörbe in Ordnung sind. Um 8 Uhr öffnet er seinen Stand. "Die Zentrale", korrigiert von Glahn, denn so nennt er selbst die sechs Quadratmeter große Holzhütte. Fast zwei Drittel des Jahres verbringt er dort jeden Tag - werktags bis mittags, am Wochenende den ganzen Tag. "Meine Mitarbeiter sollen sich am Wochenende ja auch erholen. Für mich ist das keine Arbeit, das ist eine Freude. Ich freue mich über die Urlauber und bekomme sogar Geld für etwas, das ich gerne mache."

Von Glahns Strandkorbvermietung besteht in diesem Jahr seit 80 Jahren: Seine Großmutter hatte sie am 5. März 1939 gegründet. Den Vertrag hat Jürgen von Glahn noch. Drei Reichsmark kostete es damals, einen Einsitzer für eine Woche zu mieten, vier Reichsmark für einen Zweisitzer. Heute kostet der Korb für einen Tag 12 Euro, die Woche 60 Euro. Ursprünglich wollte Jürgen von Glahn die Strandkorbvermietung seiner Großmutter nicht übernehmen. Nach der Schule machte er eine Ausbildung im Handwerk, schmiedete Pläne. Doch als die Frage seiner Großmutter kam, fing er 1963 in dem Unternehmen an und erbte es 1970. "Es war nicht geplant und hat sich einfach so ergeben", erinnert er sich.

Wenn man den "Strandkorb- König" heute am Duhner Deich sieht, wird schnell deutlich, dass diese ungeplante Entwicklung für ihn genau richtig war. "Das Leben hier ist wunderbar. Der Strand ist mein Leben." Zu vielen Gästen hat von Glahn ein vertrautes Verhältnis. "Die älteren Gäste erzählen mir, dass ihre Enkeltochter Liebeskummer hat oder der Enkelsohn Geld für ein Auto möchte und fragen mich, was ich davon halte", sagt der 73-Jährige.

"Bei meinen treuesten Gästen bin ich sogar zur Beerdigung gegangen." Zwei Freundinnen aus Hamburg seien über Jahrzehnte zum Urlaub nach Duhnen gekommen. Als eine von ihnen ins Altenheim kam, rief er sie regelmäßig an. Als die Frauen mit über 90 und 100 Jahren starben, fuhr er zu ihren Beerdigungen nach Hamburg. "Mit Duhner Sand. Die Tochter der einen Dame war so gerührt, dass der Strandkorbbesitzer gekommen ist", erinnert er sich.

Für Jürgen von Glahn ist der Strand sein Leben. Nur im Winter gönnt er sich mit seiner Frau und seiner Tochter Städtereisen, geht ins Museum und ins Theater. Doch auch im Winter kümmert er sich um seine Körbe: Sie müssen in seinen vier Hallen gut untergebracht und repariert werden. "Die ältesten Körbe sind über 50 Jahre alt. Sie werden immer wieder erneuert und repariert", erzählt er. Die meisten Körbe wurden über die Jahrzehnte in der eigenen Werkstatt gebaut, denn angefangen hat er damals mit 125 Stück. Wenn Jürgen von Glahn sieht, wie sich Duhnen über die Jahre verändert hat, kommt er jedoch ins Grübeln. Er hat noch alte Fotos, eine Luftaufnahme, auf der sein Elternhaus zwischen einigen anderen Häusern und viel Grün zu sehen ist. Heute ist Duhnen dicht bebaut, die Straßen sind im Sommer verstopft. "Ich bin die mahnende Stimme des Tourismus", sagt er. "In dieser Stadt leben wir alle direkt oder indirekt vom Tourismus. Aber ich frage mich manchmal, ob sie überhaupt so viele Touristen vertragen kann." In Cuxhaven engagiert sich von Glahn seit Jahren: für den Deichverband, den Verkehrsverein Duhnen und die Tafel. Zudem ist er hinzugewähltes Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft, Häfen und Tourismus. "In diesen sechs Quadratmetern haben wir schon eine kleine Revolution organisiert", erinnert sich Jürgen von Glahn an die Deicherhöhung in 1990er Jahren. Damals setzte er sich gegen die ersten Pläne ein.

Bei einer Sache versteht der "Strandkorb-König" keinen Spaß. "Wenn die Kinder hier im Bayern- Trikot ankommen, ruf ich ihnen zu, dass sie woanders zum Strand gehen sollen", erzählt von Glahn, der seit 65 Jahren Werder-Fan ist. Nur manchmal hänge er den Gästen zuliebe auch die Flaggen anderer Bundesliga- Clubs auf.

Seine Strandkorbvermietung und den Sommer mit den Gästen einmal aufzugeben und in den Ruhestand zu gehen, kann sich Jürgen von Glahn nicht vorstellen. Wie es mit seinem Unternehmen und seinen fünf Mitarbeitern weitergeht, will der 73-Jährige noch nicht verraten. "Ich mag an Abschied gar nicht denken. Der Verstand sagt irgendwann Adieu, aber mein Herz will bleiben", sagt er. "Wenn ich gehen muss, werde ich mich umdrehen müssen. Damit niemand sieht, dass ich feuchte Augen habe."

Von Stefanie Jürgensen

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