Dr. Peter Fischer.  Foto: Sassen
Dr. Peter Fischer.  Foto: Sassen
Nachruf

Dr. Peter Fischer ist tot: Ein Mann der leisen Töne

05.02.2019

CUXHAVEN. Am Freitag ist Dr. Peter Fischer in Cuxhaven im Alter von 77 Jahren nach schwerer Krankheit gestorben. 

Bis zum Schluss verfolgte Fischer - Politiker, Wirtschaftswissenschaftler und leidenschaftlicher Wahl-Cuxhavener - das Geschehen auf der großen Welt und im kleinen Cuxhaven. Das Mitgefühl gilt im besonderen seiner Frau Erika Fischer, die er 1998 im Schloss Ritzebüttel geheiratet hatte.

Zehn Jahre lang, von 1990 bis ins Jahr 2000, war Dr. Peter Fischer niedersächsischer Minister für Wirtschaft, Technologie und Verkehr - länger als bisher alle anderen in diesem Amt. Dabei erlebte er drei Ministerpräsidenten: Gerhard Schröder, Gerhard Glogowski und Sigmar Gabriel.

Für Bundestags-Vizepräsident Thomas Oppermann war Peter Fischer "der wichtigste Wirtschaftsminister in der Geschichte des Landes Niedersachsen". Er habe mit keinem anderen Kabinettskollegen so eng zusammengearbeitet, sagt der damalige Wissenschaftsminister, der den Kontakt zu Fischer bis zu dessen Tod gehalten hat. "Aus kollegialer Zusammenarbeit ist - was in der Politik eher selten ist - persönliche Freundschaft geworden", versichert Thomas Oppermann. Fischers Tod empfinde er als großen menschlichen Verlust: "Er war klug, gebildet, großzügig und humorvoll."

Gerhard Schröder, mittlerweile Bundeskanzler a.D., erinnert sich auf Bitten unserer Zeitung: "Ich habe mit Peter Fischer fast zwei Jahrzehnte lang eng zusammengearbeitet. Er bildete in beiden von mir geführten niedersächsischen Kabinetten - sowohl in der rot-grünen Landesregierung 1990 bis 1994 als auch in der Zeit der SPD-Alleinregierung 1994 bis 1998 - eine tragende Säule. Als Minister für Wirtschaft, Technologie und Verkehr hat Peter Fischer die Entwicklung Niedersachsens stark geprägt.

Das Land befand sich in jenen entscheidenden Jahren nach dem Mauerfall und der deutschen Einigung in einem Umbruch. Dies betraf den Strukturwandel in den industriellen Kernbereichen und in unserer mittelständischen Wirtschaft, aber auch die Neuausrichtung der Verkehrsinfrastruktur. Zudem standen wir vor der großen Aufgabe, Wirtschaft und Umwelt miteinander zu versöhnen."

Schröder weiter: "Mit seinem wirtschaftspolitischen Sachverstand, seinem Verhandlungsgeschick und vor allem mit seiner zutiefst sozialdemokratischen Haltung hat Peter Fischer wesentlich dazu beigetragen, diese Herausforderungen zum Wohle des Landes und seiner Menschen zu meistern. Seine menschlich gewinnende und humorvolle Art haben ihm große Wertschätzung im Kreis seiner Kolleginnen und Kollegen und weit darüber hinaus eingebracht. Ganz besonders freut mich, dass er zusammen mit seiner geliebten Frau Erika in Cuxhaven eine neue Heimat gefunden hat und neue Schwerpunkte in seinem Leben entwickeln konnte, die über Politik und Wirtschaft hinauswiesen. Ganz sicher hat er dabei die tröstliche Schönheit von Kunst und Kultur erfahren. Wir werden Peter Fischer ein ehrendes Andenken bewahren."

Als Student in die SPD

Fischer, gebürtiger Berliner, machte mit 20 Jahren in Hannover sein Abitur, um ein Jahr später als Student in die SPD einzutreten. Die Aussicht auf eine sommerliche Teestunde im Innenhof des ältesten Studentenwohnheims in Göttingen konnte den jungen Peter Fischer durchaus vom Lernen abhalten. Ungeachtet solcher Versuchungen schloss der Student der Fächer Volkswirtschaftslehre und Geschichte seine Hochschulausbildung im Jahr 1969 mit einer Promotion ab.

Hinter ihm lagen Studienaufenhalte in London und Buenos Aires (als Stipendiat der Volkswagen-Stiftung) sowie politisch bewegte Jahre: Fischer hatte gegen den Vietnamkrieg demonstriert und an der politischen Studentenzeitschrift "Politikon", die er herausgab, mitgearbeitet. Den Soziologen Helmuth Plessner nannte er in einem Gespräch mit dem Göttinger Tageblatt als wichtigstes Vorbild in seiner Studienzeit.

Als Doktor der Wirtschaftswissenschaft ging er nach einem Jahr bei der Bank für Gemeinwirtschaft in Frankfurt/Main zwischen 1970 und 1980 als Beamter ins niedersächsische Wirtschaftsministerium sowie ins Bonner Bundesbauministerium und war dann für zehn Jahre Wirtschaftsdezernt der Landeshauptstadt Hannover. Diese Zeit brachte ihn mit dem heutigen Ministerpräsidenten Stephan Weil zusammen: "Wir kannten uns etwa 35 Jahre lang", berichtet Weil. "Sein Herz schlug für das Mobilitätsland Niedersachsen."

Gerhard Schröder, seinerzeit gerade zum niedersächsischen Landesvater gewählt, holte den Seiteneinsteiger Fischer im Jahr 1990 in sein Kabinett, nachdem dieser noch schnell die Expo 2000 nach Hannover geholt hatte. Von 1994 bis 2003 war Fischer auch Landtagsabgeordneter mit Direktmandat.

Von seinem Erfahrungsschatz hat nicht zuletzt seine Wahlheimatstadt immer wieder profitiert: Fischer gehörte zu den Fürsprechern Cuxhavens, die der vom Strukturwandel gebeutelten Stadt neue Perspektiven aufzeigten.

Im Jahr 1997 eröffnete er gemeinsam mit Gerhard Schröder und dem damaligen Oberstadtdirektor Dr. Hans-Heinrich Eilers das Cuxport-Terminal - wichtige Keimzelle des sich als ein wirtschaftliches Hauptstandbein herauskristallisierenden Hafenumschlags. Bedeutsam für die Region waren auch die Finanzierung des Wesertunnels und die "Niedersächsische Hafenvertretung", in der er die niedersächsischen Seehäfen samt Industrie- und Handelskammern der Region unter einem Dach zusammenholte. 2003 verlieh ihm Ministerpräsident Christian Wulff das Große Verdienstkreuz des Niedersächsischen Verdienstordens.

Sinn für feinen Humor

Impulse ganz anderer Art setzte Fischer, als er mit seiner Frau Erika im Sommer 2001 die Joachim-Ringelnatz-Stiftung aus der Taufe hob. Die ehrenamtlich geleitete Stiftung betreibt das von Erika Fischer geleitete Ringelnatz-Museum, Dr. Peter Fischer war Schatzmeister. Dem feinen Ringelnatz'schen Humor konnte er wie allem Ästhetischen vieles abgewinnen. Schöne Handschriften, die faszinierend und lebendig gestaltete Vermittlung der lateinischen Sprache in der Schule, davon konnte er schwärmen.

Nicht minder engagiert trat der Sozialdemokrat Peter Fischer wider das Vergessen und für den Kampf gegen das Erstarken neuer rechter Strömungen in Deutschland ein. In einer Gedenkrede für seine Parteigenossen Karl Olfers, Wilhelm Heidsiek und Heinrich Grube warnte er im Frühjahr 2013 davor, den Nationalsozialismus als "einmaliges Unglück" in der deutschen Geschichte abzutun.

Beruflich bekleidete Fischer seinerzeit den Posten des Aufsichtsratsvize bei der Cuxhavener Firma Plambeck Neue Energien (PNE), ein Amt, das er im Amt 2015 niederlegte. Bis 2016 war er der Präsident des 2002 gegründeten Verkehrsinfrastrukturverbandes Pro Mobilität e. V.

In Bewegung zu bleiben, lag Peter Fischer auch privat sehr am Herzen: Neben seinem Motorrad oder dem Rennrad widmete sich der drahtige Willy-Brandt-Medaillen-Träger dem Segeln und Rudern, das er 50 Jahr aktiv und dann noch auf dem Heimtrainer betrieb. Oder er versuchte, den Kopf auf einem seiner täglichen Spaziergänge am Cuxhavener Deich frei zu bekommen.

Dr. Peter Fischer wurde zu einem Cuxhavener mit Leib und Seele, er identifizierte sich mit der lokalen Kultur und Geschichte, er war weltoffen, wertschätzend und interessiert an seinen Mitmenschen, ob auf der großen politischen Bühne oder im Gespräch mit jedermann.

Das nennt auch Uwe Santjer, dem Vorsitzenden der SPD Cuxland, charakterisierend: "Peter Fischer konnte sich in verschiedene Sichtweisen eindenken, er verstand es, verschiedene Rollen einzunehmen, das machte ihn auch zu einem hervorragenden Berater." Als "väterlicher Freund" habe Fischer ihn, Santjer, begleitet. "Und er war jederzeit fair im Umgang mit den politischen Mitbewerbern", hebt Uwe Santjer hervor. Der Tod Fischers sei ein großer Verlust für die Sozialdemokratie.

Disziplin und sein scharfsinniger Geist bewahrten den 77-Jährigen nicht vor schwerer Krankheit. "Hinterm Horizont geht's weiter", sei sein Lebensmotto, hat er einmal in einem Interview verraten. Zu wünschen bleibt, dass sich dieses Credo für ihn erfüllt.

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