Erna Asch-Rosenthal, Cuxhaven lebenslang verbunden. Foto: privat
Erna Asch-Rosenthal, Cuxhaven lebenslang verbunden. Foto: privat
Holocaust überlebt

"Ernas Welt": Leben von Cuxhavener Jüdin wird nachgezeichnet

von Maren Reese-Winne | 18.09.2021

CUXHAVEN. So ein Schatz, wie er ab nächster Woche im Schloss Ritzebüttel zu sehen sein wird, ist Historikerin Dr. Frauke Dettmer in ihrer Laufbahn noch nicht untergekommen.

"Das ist ein sprechender, toller Nachlass", sagt sie. Die hieraus entstandene Ausstellung strahlt bereits vor ihrer Eröffnung über die Grenzen Cuxhavens heraus. "Ernas Welt" zeichnet detailreich das Leben der Cuxhavener Jüdin Erna Asch-Rosenthal nach, die als einzige ihrer Familie den Holocaust überlebt hat. Ab dem 21. September ist diese Ausstellung im Schloss Ritzebüttel zu sehen.

1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland

Veranstalter dieses Beitrags zum bundesweiten Projekt "1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland" ist die Cuxhavener Regionalgruppe des Vereins "Gegen Vergessen - für Demokratie" in Zusammenarbeit mit der Stadt; Kuratorin ist Dr. Frauke Dettmer, ehemalige Leiterin des jüdischen Museums Rendsburg. Viele Menschen kennen sie als Autorin ihrer beiden Bücher über Juden in Cuxhaven.

Seit Februar gab es für Erika Fischer und Eike Braschwitz von der Regionalgruppe und Frauke Dettmer fast kein anderes Thema mehr, und diese drei wuselten in den vergangenen Tagen auch auf allen Ebenen durchs Schloss, um zusammen mit den Kräften der Cuxhavener Firma "Réclame" die Ausstellung aufzubauen.

Auch eine Premiere

Was die Firma, allen voran deren Grafiker Timo Leitner, in Absprache mit ihnen aus den Materialien gemacht hat, begeistert alle drei schon jetzt. "Das ist auch für uns das erste Mal, dass wir eine historische Ausstellung - ein Thema von solcher Tiefe - begleiten", berichtet Chef Detlef Baack. Die Kunst bestand darin, die Fülle der Quellen und Informationen leserfreundlich aufzubereiten.

Kernbestandteil sind die großen "Messespinnen" (ein System für variable Messestände), die das Unternehmen PNE zur Verfügung gestellt hat. Mit wenigen Griffen verankern Timo Leitner und seine Kollegin die Schrifttafeln darauf. Sofort fallen die Stadt-Silhouetten an der oberen Kante auf, die den Betrachtern deutlich machen, in welchem Teil in Ernas Leben sie sich gerade befinden. Unten hilft ein Zeitstrahl bei der Orientierung.

In eine heile Welt geboren

Erna Asch-Rosenthal wurde als Betty Erna Rosenthal 1903 in Cuxhaven in geborgene Verhältnisse hineingeboren. Ihre Welt umfasste die Familie mit der gut gehenden Schlachterei in der Großen Hardewiek 1, die Schule, ihre Freundinnen und die kleine jüdische Gemeinde. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde diese Welt nach und nach vollständig zerstört. Erna wanderte 1933 in die Niederlande aus, heiratete, wurde später im KZ Westerbork inhaftiert und überlebte mit ihrem Mann Rudolf Asch als einzige ihrer Familie den Holocaust. Sie wurde 100 Jahre alt. Cuxhaven blieb sie zeitlebens verbunden, ganz besonders durch ihre Freundschaft zur hiesigen Familie Pawlowski. Einzigartig sei ihre Bereitschaft gewesen, ihre Geschichte zu erzählen und zu teilen, erklärt Frauke Dettmer: "Das haben nicht alle geschafft. Dazu gehören Kraft und Versöhnungsfähigkeit."

Weit über Familie hinaus

Irgendwie hat es Erna Asch-Rosenthal geschafft, selbst in Emigration und Lagerhaft alle Erinnerungen an ihre Familie aufzubewahren - bewegende Zeugnisse, deren Tragweite weit über den familiären Rahmen hinausreicht. Ein weiteres großes Glück ist, dass ihr Nachlass in großen Teilen im Stadtarchiv Cuxhaven aufbewahrt wird und nun gezeigt werden kann: Familienfotos, Briefe ihrer Familie vor der Deportation, Dokumente und Objekte aus dem KZ. Ergänzt werden diese Exponate durch Fotos und Dokumente aus der niederländischen Gedenkstätte Westerbork, dem Jüdischen Museum Berlin und dem Institut für die Geschichte der deutschen Juden, Hamburg.

Knopp-Film läuft

Die Ausstellung regt dazu an, stehen zu bleiben und loszulesen, zu hören, zu schauen. Alles rund um Ernas Lebensgeschichte ist im 1. Stock (per Fahrstuhl erreichbar) zu sehen. Dort läuft auch der Film von Guido Knopp, in dem er der Geschichte des heute weltbekannten Fotos von 1933 aus Cuxhaven nachgegangen ist: der jüdische Kinobesitzer Oskar Dankner und seine Geliebte Adele Edelmann, entwürdigt und angeprangert mit Schildern um den Hals auf der Straße präsentiert.

Gäste können sich auch in die herzergreifenden Briefe aus Ernas Familie vertiefen, die durchblicken lassen, wie das NS-Regime Juden drangsalierte und ihnen in kürzester Zeit alle Rechte nahm.

Und sie können sich anhören, wie die 90-jährige Erna Asch-Rosenthal in einem Interview der Gedenkstätte Westerbork über Cuxhaven spricht. Den ins Deutsche übersetzten Text sprechen die in Cuxhaven lebende Niederländerin Ans Muijsers und als Interviewer CN/NEZ-Redakteur Jens Potschka. Im obersten Stockwerk besteht die Gelegenheit, zwölf jüdische Familien aus Ernas Umfeld in Cuxhaven näher kennenzulernen.

Immer noch neue Fotos

Viele Fotos werden dabei das erste Mal öffentlich gezeigt. Denn noch immer melden sich Hinterbliebene, zum Teil aus Übersee und mit ganzen Fotoalben: "Das sind die guten Seiten des Internets", so Frauke Dettmer, "da googelt jemand Cuxhaven und stellt fest, dass dort Stolpersteine für seine Eltern liegen." Und durch die bloße Ankündigung von "Ernas Welt" im Netz ist ein neuer Kontakt in die Niederlande entstanden, der zur Folge hat, dass sich nun der Original-Koffer, mit dem Erna in die Niederlande ausgereist ist, auf dem Weg nach Cuxhaven befindet, um hier ebenfalls gezeigt zu werden.

Eine Dokumentation soll noch vor der Eröffnung (wegen Corona nur mit sehr wenigen Gäste möglich und deshalb nicht öffentlich) fertig werden, um diesen Schatz weiter nutzbar zu machen. Die Frauen um Erika Fischer hoffen aber auch, dass diese einzigartige Ausstellung rege besucht wird.

In Kürze

Die Ausstellung "Ernas Welt - Die Cuxhavenerin Erna Asch-Rosenthal und ihre Familie. Integration - Verfolgung - Versöhnung" ist vom 21. September bis zum 15. Oktober im Schloss Ritzebüttel zu sehen.

Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 11 bis 13 und 14 bis 17 Uhr, Mittwoch bis 19 Uhr.

Führungen: 22., 26., 29. September, 3., 6., 10., 13. Oktober, jeweils 15 Uhr. Gesonderte Termine für Schulklassen und Gruppen. Anmeldung jeweils unter Telefon (0 47 21)72 18 12.

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Maren Reese-Winne

Redakteurin
Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

mreese-winne@no-spamcuxonline.de

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