
Erster Bus mit Vertriebenen aus Ukraine angekommen: Kind in Cuxhaven geboren
KREIS CUXHAVEN. Sie sind vor dem Krieg in ihrer Heimat geflohen. Der erste vom Land organisierte Bustransport erreichte den Landkreis Cuxhaven. Wie die Ukrainer empfangen wurden.
Die aus Hannover-Laatzen vom Land zugeteilten Vertriebenen - viele Frauen jeden Alters, einige Kinder, wenige Männer - sind in dicke Winterjacken eingemummelt. Sie wirken ruhig und gefasst, haben nur das Nötigste an Gepäck bei sich wie prall gefüllte Rollkoffer oder stabile Einkaufsmarkt-Tüten. Es wird kaum geredet, und wenn, ist der Ton gedämpft. Viele zücken ihre Handys, machen Bilder, schicken Botschaften oder telefonieren leise. Noch müssen sie etwas in der Kälte warten. Ein Mädchen im Anorak sondert sich von der Gruppe ab und balanciert selbstvergessen auf einem Mauersims vor dem Kreishaus. Dabei schleicht sich für einen Moment ein leichtes Lächeln ein.
Mitarbeitende der Verwaltung sowie Sprachmittler aus dem Caritas-Pool begrüßen die Ukrainer. Erst Donnerstagabend erfuhr die Kreisverwaltung von dem am Freitagmittag eintreffenden Bus. Wer hier ankommt und wie viele, wussten die Bediensteten vorher jedoch nicht.
Wehen setzen ein
Dass Ärztinnen zum flugs eingerichteten Begrüßungskomitee gehören, erweist sich als notwendig. Bei einer Frau setzen bei der Ankunft die Wehen ein. Sie wird sofort mit einem Übersetzer ins Cuxhavener Krankenhaus transportiert. Nur wenige Stunden später erblickt das Baby in einem friedlichen Land fern vom grausamen Krieg das Licht der Welt. Es ist ein Mädchen.
Die Ankommenden werden auf dem Parkplatz in drei Gruppen eingeteilt und nacheinander ins Kreishaus geführt. Auf die Leinwand im großen Sitzungssaal des Kreistages ist per Beamer die ukrainische Flagge riesig auf die Leinwand projiziert. "Herzlich willkommen" lautet die Begrüßung auf ukrainisch und auf deutsch. Im Saal stellen die Vertriebenen ihr Gepäck ab und erfahren vom Dolmetscher das Procedere. Es ist mucksmäuschenstill. Nur einmal sind ihre Stimmen zu hören. "Da", tönt es durch den Raum als Zeichen, dass sie verstanden haben, was sie hier erwartet.
Negative Corona-Tests
Zunächst geht es zum Corona-Test, der bei allen negativ ausfällt. Die Kantine hat unterdes bereits das Mittagessen, eine heiße Suppe, vorbereitet. Nach und nach erfolgt in der Ausländerbehörde die Erfassung der Personalien. Abgefragt wird aber auch der Impfstatus, um später mit den Impfteams den Gesundheitsschutz auf den neuesten Stand zu bringen. Nach Abarbeitung der behördlichen Formalitäten erfolgt die Zuweisung an die Gemeinden, die Wohnraum zur Verfügung stellen und die Leute aus Cuxhaven abholen.
Landrat Kai-Uwe Bielefeld macht sich ein eigenes Bild von der Begrüßung und Behandlung der Geflüchteten. Er betont: "Es ist wichtig, den Menschen ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln, damit sie hier Abstand von den traumatischen Erlebnissen bekommen und erst einmal Luft holen können." Man wisse ja schließlich nicht, was in den nächsten Tagen passiere.
Erinnerungen an 2015
Kreis-Pressesprecherin Kirsten von Lieth und der Landrat fühlen sich erinnert an die Flüchtlingswelle 2015 und die große Unterstützung für die Menschen in Not. Bielefeld lobt auch diesmal: "Die Hilfsbereitschaft bei uns im Hause und in den Hilfsorganisationen in der Region ist deutlich spürbar." Nun gehe es darum, Strukturen bedarfsgerecht aufzubauen, denn die Aufnahme im Kreishaus und anschließende Verteilung könne keine Dauerlösung sein.
Als Glücksfall bezeichnen die Landkreis-Sprecherinnen, dass im Gesundheitsamt eine ukrainische Ärztin beschäftigt sei, die perfekt deutsch und ukrainisch spreche. Sie ist abgeordnet in den Ukraine-Krisenstab. Dieser neue Stab wird geleitet von Friedhelm Ottens, während Dezernentin Babette Bammann nunmehr für den Corona-Stab verantwortlich ist.
Große Bereitschaft im Cuxland
Eine große Solidaritätswelle erlebte der Landkreis bereits nach seinem Aufruf an Familien, unbegleitete Kinder und Jugendliche aus der Ukraine bei sich aufzunehmen. "80 Familien haben sich bereit erklärt, so genannte UMA aufzunehmen", sagt Sprecherin Stephanie Bachmann sehr erfreut über diese "Riesenbereitschaft". Ein erstes Treffen zwischen Interessenten und Behördenvertretern fand am Donnerstagabend statt.
Im ersten offiziellen Bus befinden sich keine unbegleitete Kinder. Kirsten von der Lieth rechnet damit, dass weitere Busse mit Kriegsvertriebenen schon in den nächsten Tagen eintreffen. Über den Ablauf der ersten offiziellen Ankunft trotz der kurzen organisatorischen Vorlaufzeit herrscht bei ihr Begeisterung: "Insgesamt ist alles prima gelaufen."