Nur das Nötigste haben die vom Krieg Vertriebenen bei sich, als sie in Cuxhaven zunächst im Kreishaus ankommen. Foto: Kramp
Nur das Nötigste haben die vom Krieg Vertriebenen bei sich, als sie in Cuxhaven zunächst im Kreishaus ankommen. Foto: Kramp
Ukraine-Krieg

Erster Bus mit Vertriebenen aus Ukraine angekommen: Kind in Cuxhaven geboren

von Wiebke Kramp | 11.03.2022

KREIS CUXHAVEN. Sie sind vor dem Krieg in ihrer Heimat geflohen. Der erste vom Land organisierte Bustransport erreichte den Landkreis Cuxhaven. Wie die Ukrainer empfangen wurden.

Drei Flaggen wehen im eisigen Ostwind auf Halbmast, als mittags der Bus mit 42 aus der Ukraine vertriebenen Menschen vor dem Kreishaus eintrifft. Die Trauerbeflaggung bietet eine passende Symbolik. Es ist der europäische Gedenktag für die Opfer von Terrorismus. "Die ukrainische Flagge konnten wir deshalb hier nicht hissen", erläutert Kreis-Sprecherin Kirsten von der Lieth. Freud und Leid liegen nah beieinander. Bei Ankunft des Busses setzen bei einer Frau die Wehen ein. Wenig später ist sie am Nachmittag Mutter einer Tochter.Dicke Winterjacken

Die aus Hannover-Laatzen vom Land zugeteilten Vertriebenen - viele Frauen jeden Alters, einige Kinder, wenige Männer - sind in dicke Winterjacken eingemummelt. Sie wirken ruhig und gefasst, haben nur das Nötigste an Gepäck bei sich wie prall gefüllte Rollkoffer oder stabile Einkaufsmarkt-Tüten. Es wird kaum geredet, und wenn, ist der Ton gedämpft. Viele zücken ihre Handys, machen Bilder, schicken Botschaften oder telefonieren leise. Noch müssen sie etwas in der Kälte warten. Ein Mädchen im Anorak sondert sich von der Gruppe ab und balanciert selbstvergessen auf einem Mauersims vor dem Kreishaus. Dabei schleicht sich für einen Moment ein leichtes Lächeln ein.

Mitarbeitende der Verwaltung sowie Sprachmittler aus dem Caritas-Pool begrüßen die Ukrainer. Erst Donnerstagabend erfuhr die Kreisverwaltung von dem am Freitagmittag eintreffenden Bus. Wer hier ankommt und wie viele, wussten die Bediensteten vorher jedoch nicht.

Wehen setzen ein

Dass Ärztinnen zum flugs eingerichteten Begrüßungskomitee gehören, erweist sich als notwendig. Bei einer Frau setzen bei der Ankunft die Wehen ein. Sie wird sofort mit einem Übersetzer ins Cuxhavener Krankenhaus transportiert. Nur wenige Stunden später erblickt das Baby in einem friedlichen Land fern vom grausamen Krieg das Licht der Welt. Es ist ein Mädchen.

Die Ankommenden werden auf dem Parkplatz in drei Gruppen eingeteilt und nacheinander ins Kreishaus geführt. Auf die Leinwand im großen Sitzungssaal des Kreistages ist per Beamer die ukrainische Flagge riesig auf die Leinwand projiziert. "Herzlich willkommen" lautet die Begrüßung auf ukrainisch und auf deutsch. Im Saal stellen die Vertriebenen ihr Gepäck ab und erfahren vom Dolmetscher das Procedere. Es ist mucksmäuschenstill. Nur einmal sind ihre Stimmen zu hören. "Da", tönt es durch den Raum als Zeichen, dass sie verstanden haben, was sie hier erwartet.

Negative Corona-Tests

Zunächst geht es zum Corona-Test, der bei allen negativ ausfällt. Die Kantine hat unterdes bereits das Mittagessen, eine heiße Suppe, vorbereitet. Nach und nach erfolgt in der Ausländerbehörde die Erfassung der Personalien. Abgefragt wird aber auch der Impfstatus, um später mit den Impfteams den Gesundheitsschutz auf den neuesten Stand zu bringen. Nach Abarbeitung der behördlichen Formalitäten erfolgt die Zuweisung an die Gemeinden, die Wohnraum zur Verfügung stellen und die Leute aus Cuxhaven abholen.

Landrat Kai-Uwe Bielefeld macht sich ein eigenes Bild von der Begrüßung und Behandlung der Geflüchteten. Er betont: "Es ist wichtig, den Menschen ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln, damit sie hier Abstand von den traumatischen Erlebnissen bekommen und erst einmal Luft holen können." Man wisse ja schließlich nicht, was in den nächsten Tagen passiere.

Erinnerungen an 2015

Kreis-Pressesprecherin Kirsten von Lieth und der Landrat fühlen sich erinnert an die Flüchtlingswelle 2015 und die große Unterstützung für die Menschen in Not. Bielefeld lobt auch diesmal: "Die Hilfsbereitschaft bei uns im Hause und in den Hilfsorganisationen in der Region ist deutlich spürbar." Nun gehe es darum, Strukturen bedarfsgerecht aufzubauen, denn die Aufnahme im Kreishaus und anschließende Verteilung könne keine Dauerlösung sein.

Als Glücksfall bezeichnen die Landkreis-Sprecherinnen, dass im Gesundheitsamt eine ukrainische Ärztin beschäftigt sei, die perfekt deutsch und ukrainisch spreche. Sie ist abgeordnet in den Ukraine-Krisenstab. Dieser neue Stab wird geleitet von Friedhelm Ottens, während Dezernentin Babette Bammann nunmehr für den Corona-Stab verantwortlich ist.

Große Bereitschaft im Cuxland

Eine große Solidaritätswelle erlebte der Landkreis bereits nach seinem Aufruf an Familien, unbegleitete Kinder und Jugendliche aus der Ukraine bei sich aufzunehmen. "80 Familien haben sich bereit erklärt, so genannte UMA aufzunehmen", sagt Sprecherin Stephanie Bachmann sehr erfreut über diese "Riesenbereitschaft". Ein erstes Treffen zwischen Interessenten und Behördenvertretern fand am Donnerstagabend statt.

Im ersten offiziellen Bus befinden sich keine unbegleitete Kinder. Kirsten von der Lieth rechnet damit, dass weitere Busse mit Kriegsvertriebenen schon in den nächsten Tagen eintreffen. Über den Ablauf der ersten offiziellen Ankunft trotz der kurzen organisatorischen Vorlaufzeit herrscht bei ihr Begeisterung: "Insgesamt ist alles prima gelaufen."

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

(1 Stern: Nicht gut | 5 Sterne: Sehr gut)

Feedback senden

CNV-Nachrichten-Newsletter

Hier können Sie sich für unseren CNV-Newsletter mit den aktuellen und wichtigsten Nachrichten aus der Stadt und dem Landkreis Cuxhaven anmelden.

Die wichtigsten Meldungen aktuell


Bild von Wiebke Kramp
Wiebke Kramp

Redakteurin
Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

wkramp@no-spamcuxonline.de

Lesen Sie auch...
Gesundheit

Neue Gruppe in Otterndorf: Selbsthilfe für Krebspatienten im Kreis Cuxhaven

von Wiebke Kramp

KREIS CUXHAVEN. Christiane Steffens (65) aus Otterndorf möchte Krebspatienten Mut machen. Ihnen soll der Rücken gestärkt werden, sich gegenseitig zu stützen und Austausch zu pflegen.

Am 12. November ist es soweit

Musicalsongs im Programm der Cuxhavener Sportgala

von Herwig V. Witthohn

CUXHAVEN. Sport und Kultur vereint - dass dies passt haben die Besucherinnen und Besucher der Cuxhavener Sportgala schön öfter erkennen können. Und auch bei der Gala am 12. November, 19 Uhr wird es wunderbare Songs zu hören geben.

Erstaufnahme-Einrichtungen

Wird die Kaserne in Cuxhaven eine Sammelunterkunft für Geflüchtete?

CUXHAVEN. Angesichts der steigenden Zahl an Schutzsuchenden in Niedersachsen will das Land weitere Sammelunterkünfte schaffen.

Mittelfinger gezeigt?

Nach umstrittener Geste: Verfahren gegen Cuxhavener Politiker Wegener eingestellt

von Kai Koppe

CUXHAVEN. Ein mutmaßlicher "Stinkefinger" gegen einen Querdenker-Aufzug hat für den Cuxhavener SPD-Politiker Gunnar Wegener kein gerichtliches Nachspiel.