Voß-Preis-Verleihung:

"Es gibt keinen geeigneteren Preisträger"

26.04.2015

OTTERNDORF. Er hat nicht nur Zeitgeschichte geschrieben – er schreibt sie immer noch: Dr. Wolfgang Schäuble war als damaliger Innenminister einer der Architekten der deutschen Einheit vor 25 Jahren und sorgt heute als Finanzminister in finanz- und wirtschaftspolitisch schwerer See dafür, dass Deutschland und Europa nicht vom Kurs abkommen. „Deutsche Einheit und europäische Einheit – das gehörte für Wolfgang Schäuble immer zusammen“, meinte der Journalist Stefan Aust bei der Verleihung des „Johann-Heinrich-Voß-Preises“ an Schäuble.

Aust ist Vorsitzender der Jury, die alle drei Jahre den mit 10 000 Euro dotierten Voß-Preis an „Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die sich um Humanismus, Aufklärung, Menschlichkeit und Freiheit verdient gemacht haben“, vergibt. Zum ersten Mal ging diese Auszeichnung an einen noch amtierenden Politiker, nachdem der ehemalige Bundespräsident Dr. Richard von Weizsäcker (2003) und der langjährige Außenminister Hans-Dietrich Genscher (2009) den Preis bereits in Empfang genommen hatten.

Dass der gemeinsam von der Stadt Otterndorf, der Niederelbe-Zeitung und der Weser-Elbe Sparkasse verliehene Preis in diesem Jahr für Schäuble reserviert war, ergibt sich für Stefan Aust zwangsläufig aus der Vita des Politprofis, der vor mittlerweile 43 Jahren in den Bundestag einzog: „Sie haben den Preis auch zumindest doppelt verdient: in Sachen Politik und auch in Sachen Zeitgeschichte. Denn das muss hier leider gesagt werden: Sie sind ja nicht nur amtierender Bundesminister, sondern auch noch eine Art bundesdeutsches Fossil, ein Beleg für die Lebendigkeit der Zeitgeschichte“, so Aust in seiner Laudatio.

Die 70er-Jahre – das sei die Zeit gewesen, in der deutsch-deutsche Trennung anscheinend zementiert war: „Wer damals auf die Wiedervereinigung setzte, galt als ewig Gestriger, als Fantast oder bestenfalls als kalter Krieger. Als dann im November 1989 die Mauer fiel, standen glücklicherweise Politiker bereit, die erkannten, welche historische Chance sich plötzlich bot. Und vor allem Leute, die eine solche Chance auch in politisches Handeln umsetzen konnten.“ Politiker wie Wolfgang Schäuble...

Der damalige Innenminister habe diese einmalige Chance erkannt, ergriffen und umgesetzt: „Das wird in den Geschichtsbüchern noch in Jahrzehnten, vielleicht Jahrhunderten mit Ihrem Namen verbunden bleiben.“

Auch bei den aktuellen Entwicklungen auf dem deutschen und europäischem Parkett zeige der 72-Jährige klare Kante und agiere in der ihm eigenen Souveränität. Das gelte insbesondere für die Verhandlungen mit Griechenland. Schäuble sei – wie Voß es zu Lebzeiten gewesen war – ein „begnadeter Griechen-Versteher“. Das könne natürlich durchaus gefährlich sein: „Für die Griechen.“

Parallelen zwischen dem Homer-Übersetzer Johann-Heinrich Voß und Schäuble zog Hans-Volker Feldmann (Vorstandsmitglied der Voß-Gesellschaft). Voß habe in einer Zeit „politischer und ideengeschichtlicher Umbrüche“ gelebt. Sein Werk sei nicht nur von einer poetischen, sondern auch politischen Dimension geprägt: „Voß-Schriften sind in vielen Bereichen streitbare Kampfansagen, Aufrufe zur Befreiung und Gerechtigkeit, zu Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit.“ Mit der Verleihung des Voß-Preises an Schäuble werde ein „jahrzehntelanges, konkretes, engagiertes und kluges politisches Handeln und Wirken“ gewürdigt, das sich auch an den „Gedanken und Forderungen“ des Humanisten und Aufklärers Voß orientiere.

Schäuble selbst bezeichnete es als „große Ehre“, als Preisträger mit den Voßschen Idealen von Freiheit, Menschlichkeit und Humanismus in Verbindung gebracht worden zu sein. Das 21. Jahrhundert biete – unter anderem durch schier grenzenlose Kommunikationsformen – „faszinierende Möglichkeiten“. Gleichzeitig dürfe man den Kern des gemeinschaftlichen Zusammenlebens nicht aus dem Auge verlieren: „Es geht auch darum, Verständnis für den anderen aufzubringen.“ Ohne gemeinsame Werte, an denen man sich orientiere, könnten Politik und Gesellschaft nicht funktionieren.

Sein Preisgeld kommt übrigens Menschen zugute, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen: Er stiftet die 10 000 Euro der Welthungerhilfe.

Zur Preisverleihung waren auch etliche Prominente gekommen, die Schäuble aus vielen Gesprächen kennen. So wie Claus Kleber (Moderator des ZDF-„heute-journals“). Seine Meinung: „Es gibt keinen geeigneteren Preisträger als Schäuble.“

Von Egbert Schröder

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

(1 Stern: Nicht gut | 5 Sterne: Sehr gut)

Feedback senden

CNV-Nachrichten-Newsletter

Hier können Sie sich für unseren CNV-Newsletter mit den aktuellen und wichtigsten Nachrichten aus der Stadt und dem Landkreis Cuxhaven anmelden.

Die wichtigsten Meldungen aktuell


Lesen Sie auch...
Blaulicht

+ + Aus dem Polizeibericht + +

Einen berauschten Autofahrer zogen Polizeibeamte am Sonntagnachmittag in der Raiffeisenstraße in Bad Bederkesa aus dem Verkehr.

In Otterndorf

Treffen der Kreisgemeinschaft Labiau/Ostpreußen

OTTERNDORF. Mit einer Gedenkfeier am Labiauer Stein begann der zweite Tag des Treffens der Kreisgemeinschaft Labiau/Ostpreußen am Sonnabend in der Medemstadt. (sm)

Politik

Cuxland-CDU-Abgeordnete Weritz und Fühner im Interview

KREIS CUXHAVEN. Erst seit einem knappen Jahr gehören sie dem niedersächsischen Landtag in Hannover an. Von Egbert Schröder

Jahresversammlung

25 Jahre Voß-Gesellschaft: Treffen in Otterndorf

OTTERNDORF. Vor 25 Jahren wurde die Johann-Heinrich-Voß-Gesellschaft in Eutin gegründet. (red)