Aufklären über die "Corona-Lügen", das wollen zum Teil auch die Teilnehmer der "Sonntagsspaziergänge" in Cuxhaven. Doch gibt es die "Corona-Lügen"? Ein Faktencheck. Foto: Christoph Schmidt/dpa
Aufklären über die "Corona-Lügen", das wollen zum Teil auch die Teilnehmer der "Sonntagsspaziergänge" in Cuxhaven. Doch gibt es die "Corona-Lügen"? Ein Faktencheck. Foto: Christoph Schmidt/dpa
"Sonntagsspaziergänge"

Faktencheck: Das ist dran an den Theorien der Cuxhavener Corona-Protestler

17.04.2021

CUXHAVEN. Die Teilnehmer der Corona-kritischen Sonntagsspaziergängen in Cuxhaven werfen mit angeblichen Fakten um sich, die keinen Zweifel am "Irrsinn" der Maßnahmen lassen sollen. Der Faktencheck.

Weimarer Gerichtsurteil zur Maskenpflicht:

Anfang April hatte ein Familiengericht in Weimar verfügt, dass die Maskenpflicht an zwei Schulen in Weimar nicht angewandt werden darf. Querdenker feiern das Urteil. Kritiker sagen, der Richter hat sich auf drei Gutachter gestützt, die alle der Querdenker-Szene zuzuordnen sind. Außerdem gibt es erhebliche Zweifel am Verfahren, die Maskenpflicht fällt eigentlich in die Zuständigkeit von Verwaltungsgerichten, das Weimarer Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Gegen den Richter gibt es inzwischen mehrere Anzeigen wegen Rechtsbeugung, die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Verwaltungsgericht Österreich zur Wirkung von PCR-Tests und FFP2-Masken:

Das Wiener Verwaltungsgericht hat am 24.3. ein Urteil gefällt, in dem es die Wirkung von PCR-Tests und FFP2-Masken infrage stellt. Verhandelt wurde, ob die rechtskonservative Partei FPÖ eine Versammlung abhalten darf oder nicht. Das Gericht bezieht sich in seiner Begründung mehrfach auf Papiere der Welt-Gesundheits-Organisation (WHO), allerdings in zweifelhafter Weise. Tatsächlich empfiehlt die WHO das Tragen von FFP2-Masken für medizinisches Personal, zahlreiche Studien belegen die Schutzwirkung auch in der breiten Bevölkerung. Das Gericht zweifelt die Seuchenlage an und bezieht sich auf eine Notiz der WHO, in der aber lediglich darauf hingewiesen wird, dass Nutzer von PCR-Tests beim Interpretieren der Testergebnisse die Gebrauchsanweisungen gründlich lesen sollten und schwach-positive Resultate mit Vorsicht betrachtet werden sollten und bei wenig Symptomen ein neuer Test gemacht werden sollte.

Relativieren der Inzidenz:

Die Inzidenzzahl wird in Prozent umgerechnet, sodass gezeigt werden soll, wie wenig Menschen tatsächlich erkrankt sind. Bei einer Inzidenz von 50 seien es etwa 0,05 Prozent der 100 000 Einwohner, die infiziert seien, bei einer Inzidenz von 100 seien es nur ein Prozent der Bevölkerung. Tatsächlich werden hier Inzidenz und Prävalenz vermischt. Die Inzidenz gibt die Anzahl der Neuerkrankten in einem bestimmten Zeitraum innerhalb einer bestimmten Gruppe an, die Prävalenz den Anteil der Erkrankten.

Masken machen krank:

Wer eine Maske trägt, atmet Kohlendioxid ein, die Maske ist voller Bakterien, hält keine Viren zurück - das sind die gängigen Behauptungen, die alle widerlegt oder relativiert sind. Bakterien können sich in den Masken ansiedeln, wenn man sie nicht wechselt, sobald sie feucht sind. Viren können nur von FFP2-Masken zurückgehalten werden, andere Masken dienen zur Verringerung der Virusausbreitung in der Luft. 

Das waren die gängigsten Argumente, die auch Tomo Andic immer wieder äußert. Doch wer steckt dahinter? 

Ein Überblick über die Szene

Querdenker: Michael Ballweg, Gründer und Geschäftsführer einer Softwarefirma aus Stuttgart, hat im Frühjahr 2020 die Bewegung "Querdenken 711" ins Leben gerufen. Sie bezeichnen sich selbst als "Freiheitsinitiative", manchmal auch als Bewegung, sind aber keine Partei, auch kein Verein. Die 711 steht für die Stuttgarter Vorwahl, deutschlandweit gibt es 68 Ableger. Die Gruppe wird als heterogen bezeichnet. Die Gründer betonen auf ihrer Webseite, sie seien Demokraten und hätten keinen Platz für rechtsextremes, linksextremes, faschistisches oder menschenverachtendes Gedankengut, ebenso wenig Gewalt. Tatsächlich nehmen an den "Querdenken"-Demos trotzdem zahlreiche Menschen teil, die dem rechtsextremen Milieu zuzuordnen sind, ebenso wie Reichsbürger. Der Verfassungsschutz sieht in der Bewegung eine Gefahr, zum Teil wird eine bundesweite Beobachtung gefordert, man habe es hier "mit einer Bestrebung zur Diffamierung und Delegitimierung der freiheitlich demokratischen Grundordnung und der Institutionen dieses Staates zu tun", sagte etwa der Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes Stephan Kramer gegenüber der ARD am Freitag.

Die Basis: Steht für die Basisdemokratische Partei Deutschlands, die im Juli 2020 unter anderem von Querdenker-Anwalt Ralf Ludwig gegründet wurde. Die Partei kritisiert die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie und fordert, das Geschehen aufzuarbeiten. Die Partei trägt unter ihrem Logo die Schlagworte Freiheit, Machtbegrenzung, Achtsamkeit und Schwarmintelligenz, sie sollen die Säulen ihrer Arbeit sein. Die Partei hat laut Beobachtern auch anthroposophische Tendenzen, gilt als staatskritisch, antiautoritär und nach rechts offen.

Alternative Medien: Querdenker und ihre Anhänger berufen sich auf "Alternative Medien". Damit sind alle Medien jenseits der öffentlich-rechtlichen Sender, des Free-TV und der etablierten Verlagshäuser gemeint. Ihnen wird unterstellt, sie würden von der Regierung gelenkt. Im Internet gibt es zahlreiche Blogger und Autoren, die sich oft durch Spenden ihrer Anhänger finanzieren. Die bekanntesten sind Boris Reitschuster, ehemaliger "Focus"-Journalist, der sich inzwischen selbst zur Marke gemacht hat und vor allem Meinung bietet, und Ken Jebsen, ehemaliger Fernseh- und Radiomoderator, der nach seiner Entlassung beim RBB seinen crowdfinanzierten Sender KenFM betreibt. Dort verbreitet er Verschwörungstheorien, Youtube sperrte seinen Kanal im November 2020 dauerhaft, weil er zu oft Fehlinformationen über die Corona-Pandemie verbreitete. 

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