Cuxland hilft

Gebürtige Cuxhavenerin hilft nach der Flutkatastrophe: "Jeder kann etwas tun"

von Redaktion | 02.08.2021

KREIS CUXHAVEN. Nicht direkt in dem Landkreis, aber an der Ahr, lebt und arbeitet die gebürtige Cuxhavenerin Lena Lütt. Sie engagiert sich ehrenamtlich für die Menschen, die in Not geraten sind und schildert im nachfolgenden (gekürzten) Beitrag ihre ganz persönlichen Eindrücke von der Flutkatastrophe.

"Ich wohne in Remagen-Kripp und das liegt direkt an der Ahrmündung. Zum Glück ist es bei der Mündung so, dass dies ein Naturschutzgebiet ist und daher in Kripp keine Häuser direkt an der Ahr stehen, so wie es im Ahrtal ist. Ich wohne auch etwas höher gelegen. Somit ist in meinem Wohngebiet die Gefahr für Hochwasser minimal.

Morgens bin ich am Tag der Hochwasserkatastrophe aufgewacht und habe gemerkt, dass mein Handy nicht zu Ende geladen hatte - Stromausfall. Aber alle Sicherungen waren drin. Dann habe ich bemerkt, dass meine Mitbewohnerin, die bei der freiwilligen Feuerwehr engagiert ist, immer noch nicht zu Hause war. 

Kein Durchkommen

Auf der Straße habe ich zum Glück einen Nachbar entdeckt und diesen dann gefragt, ob er auch keinen Strom hätte. Er erzählte mir dann, dass wir "Ahr-Hochwasser" hätten und dass der Katastrophenfall ausgerufen worden sei. Ich war davon wirklich überrascht. Bei uns stand nicht mal Wasser auf den Straßen und es hatte auch nicht mehr geregnet.

Inzwischen hatten sich bei uns auf der Straße einige Nachbarn versammelt und wir haben uns ausgetauscht. Jeder hatte unterschiedliche Informationen, sodass wir uns dann gemeinsam einen groben Überblick über die Sachlage machen konnten. Klar war: Kein Strom, kein Netz; Hochwasser von einem unglaublichen Ausmaß - B 9 Richtung Oberwinter gesperrt, Autobahn gesperrt, B 9 Richtung Sinzig eingebrochen, kein ÖPNV, B 266 an der Ahr unbefahrbar. Also: kein Durchkommen. Keine Möglichkeit, zur Arbeit zu kommen.

Überschwemmung an der Ahr

Anschließend bin ich bei uns im Dorf auf ‘Erkundungstour' gegangen. Ich hatte ja immer noch keine richtigen Infos. Alle Fahrzeuge waren weg und davor standen unglaublich viele Autos der Feuerwehrleute. Also bin ich weiter zur Ahr, habe noch eine Bekannte getroffen, die meinte, dass ich bis zur Ahr gar nicht weit laufen müsse. Und das war auch so: Das gesamte Naturschutzgebiet war überschwemmt und diese Strömung war so wahnsinnig schnell und stark und hat so vieles mitgerissen: Getränkekisten, Wellblechdächer von Hütten, einen Bauwagen - ich musste erst einmal weinen und da habe ich begriffen, dass hier etwas wahnsinnig Schlimmes passiert ist. 

Erschütternde Eindrücke

Ich habe dann versucht, meine Familie in Cuxhaven zu erreichen, um denen das mitzuteilen. Doch die Verbindung ist oft abgebrochen. Irgendwann habe ich dann auch eine Nachricht von meiner Mitbewohnerin um 1 Uhr bekommen. Sie schrieb, dass sie wegen der vielen Feuerwehreinsätze nicht nach Hause käme.

Meine Nachbarn und ich haben uns dann über das Autoradio informiert; da gab es aber wirklich wenige Nachrichten. Gegen 12 kam meine Mitbewohnerin vom Einsatz wieder. Sie hat mir ihre Eindrücke geschildert. Einfach nur erschütternd ...

"Viele Einzelschicksale"

Mein Nachbar hat am Nachmittag dann irgendwie Grillfleisch besorgt und wir konnten auch ohne Strom dann etwas Warmes essen. Abends war dann auch der Strom wieder da und ich konnte mich dann endlich mal wirklich darüber informieren, was passiert war. In den Medien hat man von vier bis fünf Toten gesprochen. Aber ich sagte schon zu meinem Vater, dass ich vermute, dass es bestimmt 100 werden.

Wenn man die Bilder gesehen hat, ist es so erschreckend, dass da, wo man vor wenigen Wochen noch wandern war, nun nichts mehr ist. Man hört von so vielen Bekannten und Freunden und deren Einzelschicksalen - und jedes einzelne ist schrecklich. 

Zufrieden, weil man helfen konnte

Die Menschen aus einer Behindertenunterkunft, in der viele gestorben sind, waren früher oft in dem Café, wo ich gekellnert habe. Es ist einfach unglaublich, wie viele davon betroffen sind und was für ein unglaubliches Glück ich hatte. Dann war ich gemeinsam mit einer Freundin und meinem Vermieter bei einer Verwandten von Nachbarn; eine alleinstehende ältere Dame aus Heimersheim: Keller voll, Erdgeschoss bis Höhe Küchentheke, überall Schlamm, Öl und Benzingeruch. Wir haben gemeinsam das Haus entkernt und den Schlamm rausgeschoben.

Anschließend war ich im Spendenlager in Remagen. Dort habe ich zehn Stunden lang Hygieneartikel sortiert. Einen Tag später ging es um das Sortieren von Kinderschuhen. Die Helfercrew war wirklich nett. Und abends fällt man dann wirklich zufrieden ins Bett, weil man helfen konnte. 

Solidarität ist schön

Zwischenzeitlich als ich zur Arbeit war, hatte ich wirklich ein schlechtes Gefühl, weil einfach dieses Bedürfnis, irgendwie zu helfen, wirklich sehr groß war. Und jeder konnte irgend etwas machen. Mein Vermieter hilft als IT-Experte, WLAN-Anlagen aufzustellen, und wurde dazu von seinem Arbeitgeber freigestellt. Jeder kann irgendwas tun und ich habe auch das Gefühl, dass jeder in der Umgebung etwas tun möchte. Diese Solidarität ist wirklich schön."

Spendenkonto

Spenden für die Aktion "Cuxland hilft" für die Opfer der Flutkatastrophe können auf das Konto der DRK Cuxhaven/Hadeln gGmbH eingezahlt werden:

IBAN: DE08 2925 0000 0193 2531 00, BIC: BRLADE21BRS. Bitte das Stichwort "Cuxland hilft"bei der Überweisung angeben.

Bei Beträgen bis zu 300 Euro reicht der Überweisungsbeleg als Spendenbescheinigung.

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