
Impfpflicht statt Schulschließung? Das sagen Experten
KREIS CUXHAVEN. Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte fordern Impfpflicht für Erwachsene gegen Kindesleid. So beurteilen das Experten aus dem Cuxland.
Angesichts der vierten Coronawelle forderte der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte kürzlich eine Impfpflicht für Erwachsene um Schulschließungen und weiteres Leid der Kinder abzuwenden. Dies sei der einzige Weg um die Pandemie aufzuhalten. So beurteilen Experten aus dem Cuxland das Statement.
Schulschließungen unbedingt vermeiden
"Ich bin wie der Berufsverband der Ansicht, dass wir Schulschließungen unbedingt vermeiden müssen", sagt die Otterndorfer Kinderärztin Verena Steinhorst. In der Vergangenheit habe sich herausgestellt, dass nicht alle Kinder zuhause gute Voraussetzungen zum lernen haben und sich die Schließungen besonders für bildungsferne Familien verheerend waren.
Eltern waren überfordert mit Homeschooling
Steinhorst fährt fort: "Viele Eltern haben berichtet, dass sie völlig überfordert damit waren, mit ihren Kindern den Schulstoff zu erarbeiten." Das sei besonders bei Eltern der Fall gewesen, die parallel im Homeoffice gearbeitet haben. Der Lockdown habe zusätzlich gesundheitliche Schwierigkeiten herbeigeführt.
Gesundheitliche Auswirkungen verheerend
Neben Übergewicht, Zunahme des Medienkonsums und mangelnder sportlicher Betätigung, sei auch auffällig, dass es vermehrt zu Krankheiten bei Kindern komme. "Aktuell sehen wir sehr viele Atemwegsinfekte, die Hand-Fuß-Mund-Krankheit oder Magen-Darm-Grippe", schildert die Kinderärztin.
Hohes Aufkommen an Infektionskrankheiten
In der Heftigkeit habe sie das Aufkommen der Krankheiten im Vergleich zu den Vorjahren nicht erlebt. "Erwachsene sollten sich deshalb dringend impfen lassen", fährt sie fort. Besonders da sie wesentlich häufiger einen schweren Verlauf erleiden und Intensivbetten füllen, die dann nicht mehr für Menschen frei sind, die beispielsweise auf eine Operation warten. Die Impfpflicht sehe sie als letzten Ausweg, reiche der alleinige Appell nicht aus.
"Kosten und Nutzen" müssen abgewogen werden
"Es muss bei so einer Entscheidung immer eine Abwägung zwischen ‘Kosten und Nutzen' stattfinden", betont Frau Dr. Loza, Chefärztin der Helios Kinderklinik Cuxhaven. Es müsse abgewogen werden, welche Folgen Schulschließungen für Kinder und Jugendliche hätten, im Vergleich zu dem Risiko der Covid-19-Infektionen, wenn Schulen geöffnet bleiben.
Bislang zwei Kinder in Cuxhaven stationär wegen Corona aufgenommen
"In der Kinderklinik sind viele ambulante Vorstellungen mit Covid- Erkrankungen zu beobachten", schildert Loza. Bisher seien darunter wenige erkrankte Kinder, die leichte Symptome hatten. Bis dato seien in Cuxhaven zwei Kinder wegen Corona stationär aufgenommen worden. Die psychologischen und körperlichen Auswirkungen hinsichtlich der Schulschließungen seien hingegen enorm.
2G-Regelung und eingeschränkte Gehaltsweiterzahlungen statt Impfpflicht
Loza stellt klar: "Kinder leiden unter einer signifikanten Zunahme häuslicher Gewalt, Lernschwierigkeiten und psychosomatische Erkrankungen." Die Chefärztin ist deshalb der Meinung, dass Schließungen der Schulen dringend vermieden werden müssen. Eine Impfpflicht hingegen sei allerdings nicht zielführend. "Ich halte dagegen 2G-Regelungen und auch eine Diskussion über eingeschränkte Gehaltsweiterzahlungen für willentlich ungeimpfte Covid-Erkrankte im Krankheitsfall, für sehr viel besser", betont die Kinderärztin.
Ansteckungen bei Kindern passieren mittlerweile nicht mehr überwiegend zu Hause
So müsse jeder entscheiden, ob er oder sie die Konsequenzen, die ohne Impfung drohen, tragen möchte. Konsequenzen, das hätten auch geöffnete Schulen, erklärt der Bremer Virologe Andreas Dotzauer. "Wir beobachten sehr hohe Infektionszahlen bei den Kindern", betont er. Das deute darauf hin, dass Ansteckungen überwiegend nicht zu Hause stattfinden, sondern zunehmend außerhalb von privaten Haushalten.
Kinder tragen zu Verbreitung des Virus bei
"Kinder stellen im Infektionsgeschehen eine große Gefahr dar", so Dotzauer. Sie zeigen oft wenig bis gar keine Symtome. Das sei für die Verbreitung des Corona-Virus ideal. "Kinder sind ebenfalls ein Bestandteil der Gesellschaft und tragen entsprechend eine Verantwortung ihr gegenüber", meint der Virologe. Die Impfquote der Kinder und Jugendlichen liege derzeit in vielen Ländern unter 50 Prozent.
Impfpflicht muss auch für Kinder gelten
Da sich derzeit so viele Kinder anstecken, führen diese derzeit zu häufigen Intensivbehandlungen Dotzauer stellt klar: "Jedes 5000 Kind hat einen schweren Verlauf." Dass eine Impfpflicht der einzige Weg aus der Pandemie hinaus sei, halte er für richtig. Allerdings müssen Kinder eingeschlossen werden. In diesem Moment helfen, laut Dotzauer, allerdings nur die bekannten Hygienemaßnahmen, Kontaktreduzierungen und Abstandregelungen. "Um die jetzige Welle abzuwenden, kommt eine Impfpflicht zu spät", sagt der Virologe.