Beim Inklusionsbeirat des Landkreises Cuxhaven herrscht Frust über einen neuen Gesetzentwurf. Symbolfoto: Daniel Maurer/dpa
Beim Inklusionsbeirat des Landkreises Cuxhaven herrscht Frust über einen neuen Gesetzentwurf. Symbolfoto: Daniel Maurer/dpa
Noch vor der Sommerpause?

Inklusionsbeirat Cuxhaven: "Der Gesetzentwurf ist ein Skandal"

von Wiebke Kramp | 04.07.2020

KREIS CUXHAVEN. Der Inklusionsbeirat des Landkreises Cuxhaven wehrt sich gegen die Änderungen des "Heimzwang-Gesetzes" - und meint: "Der Gesetzentwurf ist ein Skandal."

Der Beirat für Inklusion des Landkreises Cuxhaven ist nicht damit einverstanden, dass zum 2. Juli im Bundestag die zweite und dritte Lesung zum "Heimzwang-Gesetz" geplant ist - und dieses Gesetz noch vor der Sommerpause in Kraft treten soll.

Damit sei es kein Thema mehr für den nächsten Wahlkampf, obwohl die Grund- und Menschenrechte dann per Gesetz für tausende Menschen in Deutschland abgeschafft werden, nur weil sie Intensivpflege benötigen. Das sei nicht hinnehmbar, so Gerd Drewes, Vorsitzender des Inklusionsbeirat des Landkreises Cuxhaven.

Nur Kinder ausgenommen

Mit dem vorgestellten Gesetzesentwurf solle hingegen die stationäre Unterbringung in speziellen Einrichtungen für alle "Versicherte mit einem besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege" zur Regel werden.

Das bedeute, so Drewes: "Viele behinderte Menschen werden gegen ihren Willen in vollstationäre Heime oder spezielle Beatmungs-Einheiten verbracht. Einen Bestandsschutz gibt es nicht. Ausgenommen von dieser Regel sind nur Kinder und Jugendliche, die bei ihren Eltern und ihrem Zuhause bleiben dürfen. Alle anderen können nur dann in der eigenen Wohnung bleiben, wenn eine andere Unterbringung schlicht unmöglich oder für sie unzumutbar ist."

Willkürentscheidungen?

Die vergangenen Gesetze der Bundesregierung hätten ähnliche Regelungen bezüglich der Unterbringung von behinderten Menschen enthalten und führten zu Willkürentscheidungen der Sachbearbeiter, so die Kritik des Kreis-Inklusionsrates. Zudem stehe zu befürchten, dass viele Betroffene künftig so lange wie möglich eine Beatmung hinausschieben aus Angst, ihr ambulantes, selbstständiges Leben aufgeben zu müssen. Für einige Krankheitsbilder könne dies verheerend sein. Drewes: "Der vorliegende Gesetzentwurf ist ein Skandal. Er missachtet die Würde von Menschen, dringt in ihren Alltag ein und diskriminiert sie. Vordergründig möchte das Gesetz die Qualität der Versorgung verbessern." In Wirklichkeit gehe es um Kostensenkungen.

Dies erkenne man daran, dass die beabsichtigte Regelung völlig ungeeignet zur Erreichung des angeblichen Gesetzesziels sei. Gegen Betrug durch Abrechnungen in so genannten Beatmung-WGs gebe es Strafgesetze, die konsequent angewendet werden müssten - oder entsprechende Kontrollmechanismen etabliert werden. Auch das zweite Gesetzesziel erfordere keinen Heimzwang: soweit eine Beatmungsentwöhnung möglich ist, würden Betroffenen glücklich sein, wenn Maßnahmen zur Verbesserung der Rehabilitation ergriffen werden. "Warum Personen mit degenerativen Erkrankungen, die niemals entwöhnt werden können, deshalb ihr Leben in einem Heim verbringen sollen, wird wohl ein Geheimnis bleiben", schreibt Drewes.

Tausende Euro Mehrkosten

Weil im Gesetzestext das Wort "medizinisch" vor dem bisherigen Wort "Behandlungspflege" gesetzt wurde, würden zukünftig tausende Intensivpatienten, die derzeit zu Hause leben, entweder zu Sozialhilfeempfängern oder zu Heimbewohnern. Das dürfe so nicht sein, findet der Inklusionsbeirat: "Allein dieses eine Wort verursacht Mehrkosten von mehreren Tausend Euro im Monat für alle, die weiterhin zu Hause bleiben möchten, während im Heim plötzlich keine Zuzahlungen mehr zu leisten sind." (red/wip)

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Wiebke Kramp

Redakteurin
Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

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