Bundeswehr-Panzer kämpften sich durch den Schnee: Dieses Foto stammt von Eugen Klinzmann, der im Jahrhundertwinter 1978/79 beim Marinefliegergeschwader 3 in Nordholz arbeitete.Foto: Klinzmann
Bundeswehr-Panzer kämpften sich durch den Schnee: Dieses Foto stammt von Eugen Klinzmann, der im Jahrhundertwinter 1978/79 beim Marinefliegergeschwader 3 in Nordholz arbeitete.Foto: Klinzmann
Schneechaos

Jahrhundertwinter im Cuxland hautnah miterlebt

von Christian Mangels | 26.01.2019

KREIS CUXHAVEN. Schneekatastrophe - unter dieser Bezeichnung ging der Winter 1978/79 in die Historie Norddeutschlands ein. Auch Cuxhaven und Hadeln versanken im Schnee, als es im Januar und Februar zu einem heftigen Wintereinbruch kam, mit dessen Ausmaßen damals niemand gerechnet hatte. In unserer Serie "Das weiße Chaos" veröffentlichen wir weitere Fotos und Erinnerungen aus der Leserschaft.

Die Erinnerung an die Wintermonate 1978/79 ist für Renate Kühlcke aus Cuxhaven-Lüdingworth mit einem traurigen Ereignis verbunden: Ihre Großmutter war in der Nacht vom 10. auf den 11. Februar 1979 verstorben. "Der Wetterbericht kündigte weitere Schneefälle und Sturm an. Und so beschlossen wir mit dem Beerdigungsinstitut eine Beisetzung zum frühestmöglichen Termin, am 14. Februar." Doch am Morgen dieses Tages gewann der Schneesturm zunehmend an Kraft. Zunächst spielte die Familie Kühlcke mit dem Gedanken, die Trauerfeier abzusagen. "Viele Telefonate wurden geführt, bis wir uns für die Trauerfeier entschieden. Viele Männer hatten im Ort die ganze Straße zum Friedhof frei geschaufelt. Wir und einige unerschrockene Nachbarn machten uns auf den Weg, einige mit einem Traktor. Die verkürzte Trauerrede des Pastors wurde fast übertönt vom Heulen des Sturms", blickt Renate Kühlcke zurück.

Rege Erinnerungen hat die Lüdingwortherin auch an die "Schneeschmelze" im März: "In Lüdingworth-Seehausen, Süderende und Köstersweg gab es eine große Überschwemmung. Alle Gräben und Kanäle waren mit Schnee und Eis verstopft, das Land ging unter."

Chaotische Verhältnisse

Den Jahrhundertwinter "hautnah mitbekommen" hat auch Eugen Klinzmann aus Cuxhaven-Oxstedt, der damals beim Marinefliegergeschwader 3 in Nordholz arbeitete. Mitte Februar, als heftiger Schneefall zu chaotischen Verhältnissen führte, hatte Klinzmann Wachdienst und war als Offizier vom Gefechtsstanddienst (OvG) für die operative Führung des Geschwaders verantwortlich. "Das war Routine. Nicht Routine waren aber die vielen Anrufe aus der Bevölkerung. So brauchte ein Landwirt dringend ein Notstromaggregat, weil bei ihm der Strom ausgefallen war und die brüllenden Kühe dringend gemolken werden mussten", berichtet der Cuxhavener. "Ähnliche Anfragen häuften sich, hier vom Verwalter einer Legehennen-Batterie, dort wurden dringend Schneepflüge angefordert. Wir hatten alle Hände voll zu tun."

Und dann lief ein dringender Notruf ein: Ein Mann hatte sich in Nordholz-Süd mit einer elektrischen Säge den Daumen abgesägt. "Man beratschlagte, was zu tun sei. Im Gefechtssand hörten wir gleichzeitig den lokalen Funksprechverkehr des militärischen Kontrollturmes mit. Deshalb wusste ich, dass Hubschrauber des Heeres gerade zum nächsten Rettungseinsatz starten wollten. Ich gab ihnen per Funk die Order, dass ein Hubschrauber noch am Boden bleiben solle für einen dringenden Notfall."

In der Nordholzer Gemeinde fragte Klinzmann nach der genauen Position des Verletzten und bat darum, den Mann zu einer Stelle zu bringen, wo ein Hubschrauber ihn an Bord nehmen könne.

Der Hubschrauber musste nur über den Kasernenzaun "hüpfen", um den Verletzten an Bord zu nehmen, keine 1000 Meter Flugstrecke - im Grunde ein Katzensprung. "Dem Hubschrauberpiloten teilte ich über Funk mit, dass er darauf achten sollte, nicht nur den Verletzten, sondern auch den abgetrennten Daumen mit an Bord zu nehmen, schneegekühlt. Als Ziel gab ich das Cuxhavener Krankenhaus vor und empfahl dem Piloten, der das Ziel nicht kannte, der B 6 nach Norden im Tiefflug zu folgen." Auch im Telefongespräch mit dem Krankenhaus bat Klinzmann dringend darum, nicht nur den Verletzten, sondern auch den abgetrennten Daumen in Empfang zu nehmen. "Das alles dauerte nur wenige Minuten. Mein Dienst ging dann weiter. Geschäftige Routine."

Jahre später traf Eugen Klinzmann den Mann mit dem "etwas verwachsenen Daumen" in einer Gaststätte wieder. "Der Daumen war das Ergebnis einer chirurgischen Meisterleistung der Cuxhavener Ärzte. Ich stellte mich kurz vor und sah in überraschte und strahlende Augen", so Klinzmann.

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Christian Mangels

Redakteur
Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

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