Die MS Altenbruch im Jahr 1937. 1938 als Lotsenschiff außer Dienst genommen, kam sie im Krieg wieder in Fahrt. Foto aus: Karl Kühne: "Seelotsen"
Die MS Altenbruch im Jahr 1937. 1938 als Lotsenschiff außer Dienst genommen, kam sie im Krieg wieder in Fahrt. Foto aus: Karl Kühne: "Seelotsen"
Zweiter Weltkrieg auf See

Kriegsende in Cuxhaven vor 75 Jahren: Ertrunken in eiskalter Elbe

von Maren Reese-Winne | 30.06.2020

CUXHAVEN. Zahlreiche Menschen verloren beim Kriegsende vor 75 Jahren ihr Leben - auch auf See. Darunter befanden sich die Besatzungen der "Altenbruch" und des Fährschiffs "Lichtwark".

Ein Rückblick auf die Zeit vor 75 Jahren, als der 2. Weltkrieg zu Ende ging, wäre nicht komplett ohne Blick auf die Gefahren auf See, ob im Krieg oder in Jahren danach, als unter der Ägide der britischen Besatzer viele deutsche Kräfte zum Minenräumen in die Elbe beordert wurden. An der Kriegsgräberstätte auf dem Brockeswalder Friedhof steht eine kleine Kapelle, deren Fenster an die Schicksale der Männer auf der MS Altenbruch und der MS Lichtwark erinnern.

Die MS Altenbruch, knapp 34 Meter lang, war 1927 als Lotsenbeförderungsschiff für das Wasser- und Schifffahrtsamt Cuxhaven gebaut worden und als solches häufig mehrmals am Tag zu den Lotsenversetzdampfern in Höhe des Feuerschiffs Elbe 1 unterwegs. Allerdings bereitete es den Seeleuten nicht allzu viel Freude, denn es galt von Anbeginn an wegen seiner Instabilität als Fehlkonstruktion. So wurde sie 1938 durch das bereits 45 Jahre alte Schiff "Capitain Karpfanger" ersetzt.

Im Krieg gehörte die MS Altenbruch als Minensuchboot und Begleitschiff zur Cuxhavener IV. Hafenschutzflottille. 34 Fischdampfer, Hochseekutter, Heringslogger und Schlepper, stationiert in Cuxhaven, Büsum und Husum, gehörten dieser Flottille an, deren Aufgabe es war, Minen auf der Elbe und Weser zu räumen, Vorpostendienste zu leisten und den Geleitschutz nach Helgoland zu übernehmen.

Einer, dem es daran gelegen war, auf gerade dieses Schiff zu kommen, war Heinrich Frankenberg. Der Cuxhavener war schon zu Friedenszeiten auf der MS Altenbruch als Maschinist gefahren, nun befand er sich als Soldat fernab der Heimat in Frankreich.

Mit Schreiben vom 6. Oktober 1943 konnte ihm Kapitän zur See Biermann mitteilen, dass es ihm geglückt war, eine heimatnahe Verwendung für ihn zu erreichen. "Es ist nicht bestimmt wo, aber in der Nähe von Cuxhaven. Sie waren schon für ein U-Boot bestimmt. Es ist doch besser so, da Sie ja eine große Familie haben", schrieb Biermann an Frankenberg; dies sind Papiere, die Sohn Kurt Frankenberg, später Heiko Lüke zeigen konnte, als der der Geschichte des Schiffes nachspürte.

Kein "Soldatenglück"

"Ich hoffe, daß Sie bald Unteroffizier werden, denn da gibt es eine Bestimmung, dass Sie nach 1/2-jährlicher Gesamtdienstzeit, wenn Sie ein höheres Zivilpatent haben, befördert werden können. Erkundigen Sie sich nochmal danach", rät der Kapitän dem Maschinisten Frankenberg, denn auf Grund alter Kameradschaft fühle er sich verpflichtet, ihn zu unterstützen. "Leben Sie wohl, alles Gute und Soldatenglück. Heil Hitler, Ihr Biermann" endet das Schreiben.

Glück war dem Schiff und seiner Besatzung nicht beschieden. Am 21. Februar 1945 war die "Altenbruch" wieder im Einsatz, um das Fahrwasser bis Brunsbüttel-koog nach Minen abzusuchen, die feindliche Flugzeuge nachts über der Elbe abgeworfen hatten. Der Altenbrucher Schleusenwärter Wilhelm Jantzen, Oberleutnant zur See und Gruppenführer, war am Morgen zu einer Dienstbesprechung an Land kommandiert worden, an seiner Stelle fuhr als Kommandant Martin Woltmann aus Finkenwerder.

Im Schiff gefangen

Was dann passierte, hat Heiko Lüke von Augenzeuge Herbert Schulz geschildert bekommen, als er 1995 - 50 Jahre danach - zum Unglück recherchierte. Schulz fuhr auf der MS "Rheinland" in der Nähe der "Altenbruch". Der Verband befand sich kurz hinter Altenbruch querab von Glameyer Stack, als die "Rheinland" eine Boje verlor und kurz beidrehte. Sekunden nach dem Vorbeiziehen der "Altenbruch" habe eine gewaltige Detonation die Luft erschüttert. Das 220-BRT-Schiff "Altenbruch" war auf eine der gefürchteten Elektrominen gelaufen.

Zehn Seeleute, die sich an Deck befanden, wurden ins Wasser geschleudert, alle waren verletzt, trugen aber Schwimmwesten und konnten von einem Sperrbrecher aufgefischt und ins Lazarett in Cuxhaven gebracht werden. Unter ihnen war auch der Kommandant Martin Woltmann.

Für die anderen 15 Besatzungsmitglieder, beschäftigt in der Maschine oder beim Frühstück sitzend, gab es keine Rettung. Sie wurden mitsamt dem Schiff in die Tiefe gezogen. Herbert Schulz hat vom grausigen Anblick der Gesichter hinter den Bullaugen berichtet.

Und wieder ging ein Brief ins Hause Frankenberg, diesmal an die Witwe des Maschinisten. Wilhelm Jantzen schrieb noch am 21. Februar an Martha Frankenberg: "Zusammen mit mehreren Kameraden fand Ihr Mann den Heldentod. (...) Es ist schwer, Worte des Trostes zu finden. Heinrich war mir von früher schon gut bekannt und umso mehr trauere ich mit Innen um diesen ehrlichen, rechtschaffenen Mann. (...) Er stand an seiner Maschine, als das Unglück eintrat." Der Nachsatz im Geiste der Zeit: "Der Sieg über unsere Feinde wird seinem Heldentod den tieferen Sinn geben."

Traurige Fracht im Schlick

Zweieinhalb Monate später war der Krieg zu Ende. Die Emotionen schlugen aber nochmals hoch, als das Schiff neun Jahre später aus dem Schlamm der Elbe geborgen wurde. Seine traurige Fracht: Die Leichen der Seemänner, die nicht mehr von Bord gekommen waren. Die Fahrt des "Totenschiffs" nach Hamburg erregte viel mediale Aufmerksamkeit. Während das Schiff nach Hamburg geschleppt wurde, blieb es unter Wasser. Im Kohlenschiffhafen wurden die Gebeine der Toten im mit Schlick gefüllten Schiff gefunden.

Am 2. April 1954 schrieb Pastor Arno Pötzsch, Pastor zu Alt-Cuxhen" an Martha Frankenberg: "Da es sich nicht mehr um die wohlerhaltenen Körper der Toten, sondern nur noch um eine Vielzahl einzelner Gebeine handelt, läßt sich die Identifizierung der Toten nicht mehr mit Sicherheit und bis ins einzelne durchführen. Zu den Toten, deren irdische Überreste jetzt aus dem Wrack geborgen wurden, zählt auch Ihr lieber Mann, der Maschinenobergefreite Heinrich Frankenberg."

Arno Pötzsch hatte sich dafür stark gemacht, die Toten in einem gemeinsamen Kameradengrab nicht in Hamburg, sondern in Cuxhaven beizusetzen und bat Martha Frankenberg um ihr Einverständnis, das sie auch gab.

Unter großer Beteiligung Offizieller der Stadt und der Marine sowie weiterer Abordnungen fand später im Jahr die Trauerfeier für die Toten der MS Altenbruch sowie 13 Verstorbene der MS "Lichtwark" statt, die bis dahin in Belum begraben gewesen waren.

Aller Kriegsopfer gedacht

Die Zeitung berichtet von ergreifenden Szenen: "Greise Frauen und Männer standen gestern vor den Gräbern ihrer gefallenen Söhne. Mütter und Kinder weinten um ihre Ernährer. Es war eine traurige Stunde, die sie alle auf dem Brockeswalder Soldatenfriedhof vereinte, wo über 400 Gefallene ihre letzte Ruhestätte fanden." Das Fährschiff "Lichtwark" war am 24. Februar 1946 auf der Elbe gesunken.

Schon drei Jahre vor der schwierigen Bergung der "Altenbruch", 1951, hatte der Kommandant Martin Wohltmann den Seemannstod mit seinem Fischkutter gefunden. Pastor Arno Pötzsch schloss in sein Gedenken alle Toten des Krieges ein. Von der "Ächtung des Krieges und der Achtung vor dem Menschen" sprach Kapitän a.D. Thoma.

Für eine Gedenkplatte, die heute am Gebäude der Gaststätte "Zur Schleuse" am Altenbrucher Hafen angebracht ist, machte sich Jahrzehnte später mit Erfolg Ortsheimatpfleger Heiko Lüke stark.

Einer der schlimmsten Unfälle

Das wahre Schicksal des HADAG-Fährschiffs "Lichtwark" war lange unbekannt. Tatsächlich handelte es sich bei dem Untergang am 24. Februar 1946 um eines der schlimmsten Unglücke auf der Elbe überhaupt: Etwa 100 Männer verloren ihr Leben.

Ursache war nicht, wie lange vermutet, eine Mine. Vielmehr soll das Schiff bei widrigen Bedingungen wahrscheinlich von den Engländern genötigt worden sein, die gefährliche Fahrt von Cuxhaven nach Hamburg anzutreten. Die Unterlagen über das Unglück sollen beim Abzug mit nach England gegangen sein.

Ein sehr gut recherchierter Beitrag des Vereins für Brunsbütteler Geschichte gibt Auskunft über das schreckliche Unglück: www.verein-fuer-brunsbuetteler-geschichte.de/images/KleineSpuren/KBS-08.pdf

Nach Kriegsende waren viele deutsche Marinesoldaten in der unter britischem Oberbefehl stehende German Minesweeping Association (GMSA) in Cuxhaven tätig. Dorthin sollte am 24. Februar auch die Fahrt mit dem mit 110 Mann besetzten Schiff gehen.

Nach einem Sturm am Vortag traf die noch aufgewühlte Nordsee gegen 13 Uhr auf den starken Ebbstrom der Elbe. Das Schiff, dessen Überholung auf der Werft noch nicht abgeschlossen war und dem wichtige Lenzeinrichtungen fehlten, kenterte mitten in der Fahrrinne beim Versuch des Kapitäns, umzudrehen und nach Brunsbüttel zu laufen.

Nur wenige Überlebende

Nur noch sechs Überlebende (die Zahlen schwanken je nach Quelle) fanden zu Hilfe eilende Schiffe. Viele Männer müssen eingesperrt im Schiff gestorben sein. Wahrscheinlich durch eine durch einen Taucher geöffnete Bretterwand im Heck wurden alle aus dem Schiff gesogen. Nach 14 Tagen bei der Bergung befand sich nur noch ein Toter darin.

Noch Wochen und Monate später wurden die toten Männer de "Lichtwark" an beiden Seiten der Elbe angespült; 13 von ihnen in Belum, wo sie bis zur Umbettung nach Cuxhaven im Jahr 1954 begraben waren. In Belum erinnert heute ein Gedenkstein an diese Opfer.

In Cuxhaven sind darüber hinaus weitere 29 Opfer dieses Unglücks bestattet worden. Kapitän Krugenberg, dessen Leiche neun Wochen nach dem Unglück am 1. Mai vor dem Amerikahafen treibend entdeckt wurde, wurde imn Hamburg begraben.

Die "Lichtwark"wurde überholt und wieder in Dienst gestellt und soll noch bis in die 80er-Jahre hinein als Ausflugsdampfer auf dem Tejo in Spanien eingesetzt gewesen sein.

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Maren Reese-Winne

Redakteurin
Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

mreese-winne@no-spamcuxonline.de

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