
Landkreis Cuxhaven sucht händeringend Wohnraum für Geflüchtete
CUXHAVEN-SAHLENBURG. Nur als erste Anlaufstelle für ein, zwei Tage sollte das Ankunftszentrum für aus der Ukraine geflüchtete Menschen im ehemaligen Seehospital Sahlenburg dienen. Aber diese Zeiten sind vorbei.
Das Ankunftszentrum läuft voll und der Landkreis schlägt Alarm. "Bitte stellen Sie Wohnraum zur Verfügung", appelliert Karen Steinbis, Leiterin der Kreis-Ausländerbehörde.
Und ergänzt: "Bitte nicht nur für Ukrainer. Wir haben auch Menschen aus anderen Nationen hier, die auch Schutz suchen." Etwa afghanische Ortskräfte, die bis zum letzten Jahr für die Bundeswehr als Dolmetscher, Fahrer oder Verbindungskräfte zur Bevölkerung gearbeitet haben. Weitere Flüchtlingswellen auch aus der Ukraine seien mit dem herannahenden Winter zu erwarten und dann, wenn Polen die vielen dorthin geflüchteten Ukrainer nicht mehr stemmen könne.
Stetiger Zulauf
Zurzeit erreichen pro Woche zwei Busse mit insgesamt rund 25 bis 50 Personen aus der Ukraine das ehemalige Seehospital Sahlenburg, wo das DRK Cuxhaven-Hadeln das Ankunftszentrum im Auftrag des Landkreises betreibt.
Fast täglich stehen außerdem spontan Personen vor der Tür, die erfahren haben, dass sie hier Hilfe erhalten. Seit einigen Wochen leben dort konstant etwa 120 Schutzsuchende, viele von ihnen nun schon seit zwei, drei oder auch mal fünf Wochen.
Kapazität erhöhen
Bis auf 170 Personen kann die Belegung noch anwachsen, Einrichtungsleiterin Patricia Peisker und ihr Team sind gehalten, die Räume dichter zu belegen, sodass sich allein reisende Frauen oder Männer Zimmer teilen müssen.
Fußball auf dem Rasen
Der Betrieb läuft ruhig, die Leute treffen sich zu den Mahlzeiten, die Kinder spielen, Familien gehen zum Strand, den Abend lassen die meisten draußen ausklingen, wo die Männer auf dem Rasen Fußball spielen und die Kinder auf Fahrzeugen herumflitzen. "Wenn danach gefragt wird, ob wir etwas gebrauchen können: Laufräder und Bobbycars stehen hoch im Kurs, dazu Bälle und Strandspielzeug", weiß Patricia Peisker. Auch gebrauchte Buggys seien willkommen.
Das Amt kommt ins Haus
Mehrfach pro Woche sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landkreis-Behörden und des Jobcenters im Haus, um alles für den zügigen Erhalt der Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis in die Wege zu leiten. Die Zusammenarbeit aller Stellen klappe hervorragend.
Seit fünf Tagen zählen Ivan Archakov, seine Ehefrau und die fünfjährige Tochter zu den Bewohnern. Und ihre kleine Katze - die offenbar bei der Wohnungssuche ein Problem darstellt. "Obwohl sie ganz klein und süß ist", lächelt er. Eine Kritik über den Empfang würde ihm aber nicht über die Lippen kommen.
Wochenlange Flucht
Am 11. April begann ihre Flucht - fort aus der Heimatstadt nahe Mariupol am Schwarzen Meer über Lager in der Ukraine und Polen bis nach Laatzen und von dort nach Sahlenburg. Außer Landes reisen durfte er, weil er wegen zweier künstlicher Kniegelenke vom Militärdienst freigestellt sei, so der 35-Jährige, der sich große Sorgen um seine zurückgelassenen Eltern macht.
Neues Leben aufbauen
Gleichwohl sei der Kurs für seine kleine Familie vorbestimmt: Sie wollten in Deutschland leben und arbeiten, die kleine Tochter solle hier eine gute Ausbildung erhalten. Gleich drei Finger hebt der Familienvater, wenn er nach seinem Beruf gefragt wird: der Elektriker und Energetiker hat auch schon im Tourismusmanagement und für einen Landmaschinenhandel gearbeitet. Die Ehefrau, gelernte Kosmetikerin, nehme diese und jede andere Arbeit an. Wenn da nur erst die Wohnung wäre.
Vorrang für privaten Rahmen
Der Landkreis würde vorerst lieber darauf verzichten, die Reserve-Unterkunft im ehemaligen Kinderheim Neuhaus in Betrieb zu nehmen, berichtet Sprecherin Stephanie Bachmann. "Es geht ja darum, den Menschen die Chance auf ein eigenes, selbstorganisiertes Leben zu eröffnen, um wirklich anzukommen."
Auf der Homepage des Landkreises Cuxhaven finden Wohnraum-Anbieter eine Liste mit den Ansprechpartnerinnen und -partner der Landkreisgemeinden. Es werden auch Häuser für Großfamilien gesucht.
So eine Lage war noch nie da
Karen Steinbis lässt keine Zweifel an der Ausnahmesituation: Üblicherweise nehme der Kreis über Zuweisungen etwa 500 Geflüchtete pro Jahr auf. Seit dem 24. Februar dieses Jahres seien aber allein 1800 Ukrainerinnen und Ukrainer in die Stadt und den Kreis gelangt; dazu noch mindestens 200 Personen anderer Nationalitäten - in nur fünf Monaten.