
Landratswahl im Kreis Cuxhaven: So tickt Kandidat Thorsten Krüger
KREIS CUXHAVEN. Thorsten Krüger (56) läuft ein einsames Rennen: Am Sonntag, 9. Oktober, ist der Langener, der seit 2004 der SPD angehört, der einzige Kandidat bei der Wahl zum neuen Landrat im Kreis Cuxhaven.
Thorsten Krüger (56) ist der einzige Kandidat bei der Wahl zum neuen Landrat im Kreis Cuxhaven. Unterstützt wird er von CDU, FDP und Grünen und der Bürgerliste. Unser Redakteur Egbert Schröder sprach mit Krüger, der dem Kreis ein "neues und starkes Profil" geben möchte, was sich hinter dieser Ankündigung verbirgt, wie er die "Klimaneutralität" im Cuxland in zehn Jahren erreichen will und wie er den von ihm häufig genutzten Begriff "Nachhaltigkeit" persönlich definiert.
Als der amtierende Landrat Kai-Uwe Bielefeld erklärt hatte, dass er seine Amtszeit vorzeitig beendet, hat der SPD-Unterbezirksvorstand Cuxhaven Sie als Parteimitglied bereits einen Tag später zum Favoriten als Kandidat und nicht Bielefelds Stellvertreter Friedhelm Ottens - ebenfalls SPD-Mitglied - vorgeschlagen. Eine rasende Geschwindigkeit für eine Partei; wie lange lag das Drehbuch für diesen "Tag X" schon in der Schublade?
Krüger: Da schätzen Sie den eigentlichen Ablauf falsch ein. Es gab schon einige Tage vor der offiziellen Bekanntgabe von Bielefeld, dass er vorzeitig seine Amtszeit in 2022 beendet, Hinweise für diese Entwicklung. Ich wurde in diesem Ablauf gefragt, ob ich mir eine Kandidatur vorstellen könnte und habe das auch mit Blick auf meine eigentliche Lebensplanung schließlich mit "Ja" beantwortet. Letzten Endes hat der SPD-Vorstand mich dann vorgeschlagen und Herr Ottens und ich haben uns der Parteibasis vorgestellt, die sich schließlich für mich ausgesprochen hat. Es war ein transparentes Verfahren.
Hat es Sie gewundert, dass zum Beispiel die CDU als stärkste Kreistagsfraktion keinen eigenen Kandidaten aufgestellt hat, sondern Sie unterstützt?
Krüger: Eine Gegenfrage meinerseits an Sie: Warum müssen wir eigentlich alles immer parteipolitisch sehen? Haben wir denn nicht eine gemeinsame Verpflichtung für die Menschen hier vor Ort und sollten wir nicht für die beste Lösung bei Aufgaben, Problemen oder Projekten kämpfen? Ich empfinde die Tatsache, dass mich CDU, SPD, Grüne, FDP und Bürgerliste unterstützen nicht nur als großen Vertrauensbeweis und Veränderungswillen, sondern auch als eine enorme Verantwortung. Jede Fraktion hat ihr eigenes Profil, aber es geht um die Lösung von Sachfragen und nicht um parteipolitische Fragen. In der Stadt Geestland funktioniert diese parteiübergreifende Zusammenarbeit - im Interesse der Bürgerinnen und Bürger. Und es geht auch nicht darum, dass alle Beteiligten in einem politischen Gremium immer einer Meinung sind. Es geht darum, dass wir die Gegenwart und Zukunft gestalten. Daher freue ich mich über diese Unterstützung.
Sie verknüpfen Ihre Kandidatur gerne mit dem Begriff "Veränderung" und stehen demnächst an der Spitze von mehr als 1000 Beschäftigten im Kreishaus. Haben Sie - gerade aus Ihrer Erfahrung als Bürgermeister in Langen und Geestland - festgestellt, dass im Kreishaus eine Art Starre oder Stillstand herrscht? Wie wichtig ist ein frischer Wind in der Kreisverwaltung und den Verwaltungsabläufen?
Krüger: Ich habe jetzt mehr als 17 Jahre den Landkreis als Bürgermeister begleitet. Und ich unterscheide gerne zwischen zwei Perspektiven: zwischen den Beschäftigten und der Führungsstruktur. Da sehe ich auf Kreisebene viel Potenzial und Möglichkeiten bei vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern; das ist bislang nur nicht ausgeschöpft worden. Es geht auch darum, welchen Handlungsspielraum und welche Rückendeckung sie haben. Und wenn ich dann so manches Gespräch als Bürgermeister, das ich mit dem Kreis geführt habe, noch mal rückblickend betrachte, dann sehe ich Handlungsbedarf hinsichtlich der Abläufe von Verfahren. Meine Kandidatur ist sicherlich ein Paradigmenwechsel, denn ich stehe aus voller Überzeugung für Veränderung - das ist klar. Veränderungen werden natürlich nicht immer geliebt, aber sie sind manchmal notwendig. Und im Landkreis muss sich etwas ändern. Hand aufs Herz: Ich kann nicht erkennen, dass wir auf Initiative des Landkreises in den vergangenen 15 Jahren auch nur ein wirklich großes und innovatives Projekt auf Kreisebene hatten, von denen auch die Kommunen nachhaltig profitiert hätten.
Wenn ich Sie richtig verstehe, dann sehen Sie also auch mehr Möglichkeiten, dass man die Beschäftigten dazu animiert, sich mehr an Prozessen zu beteiligen und ihr Potenzial, ihre Erfahrung und Fachkenntnis genutzt wird?
Krüger: Ja. Und es geht mir in erster Linie darum, Themen- und Problemstellungen in Richtung "sachlich" oder "positiv" zu bugsieren, weil ich gar nicht in die Schiene "negativ" geraten möchte. Mir geht es nicht darum, zu erfahren, warum etwas angeblich nicht funktionieren kann, sondern wie wir eine Lösung herbeiführen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen auch die Rückendeckung haben, dass bei einem Fehler nicht gleich die Welt zusammenbricht. Es muss eine Art Verwaltungsreform geben und unter anderem darum gehen, die Beschäftigten - auf welcher Position auch immer - zu fördern und fordern. Ich sehe meine Funktion als Landrat, wenn ich denn gewählt werde, auch nicht darin, als eine Art "Besserwisser" durch das Kreishaus zu laufen. Veränderung geht nur gemeinsam. In einem ersten Schritt könnten wir ein Arbeitsteam einrichten, das gemeinsam mit Beschäftigten und Vorgesetzten aus unterschiedlichen Ebenen besetzt ist und Veränderungspotenziale identifiziert. Auf der anderen Seite muss der Landkreis aber auch in der Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger neue Wege gehen.
Stichwort Bürgernähe: Wenn man aus Hechthausen oder Hagen einen Termin im Cuxhavener Kreishaus wahrnehmen muss oder möchte, ist der Tag angesichts der weiten Anfahrtswege gelaufen. Ist das bürgernah?
Krüger: Nein. Man muss darüber ernsthaft nachdenken, dass nicht alles in Cuxhaven konzentriert wird, sondern man in die Fläche geht. Da darf es keine Denkverbote geben. Und dass man solche Ideen kaputtredet, bevor sie überhaupt auf dem Tisch sind? Das kann es nicht sein. Wir müssen auch einmal den Mut haben, etwas auszuprobieren.
Meinen Sie das auch mit Ihrem "neuen Sound", von dem Sie in Ihrer Wahlwerbung nicht nur in Sachen Verwaltung, sondern auch mit dem Blick auf die Politik sprechen? Steht "neuer Sound" für eine "Aufbruchstimmung"?
Krüger: Absolut. Die Menschen, das spüre ich immer wieder, wollen einen Aufbruch. Jetzt ist die Zeit dafür!
Sie waren und sind ja noch immer Bürgermeister der Stadt Geestland und saßen mit Ihren Kollegen häufig mit der Kreispolitik und der Verwaltung zusammen. Ab dem 9. Oktober ist im Kreishaus das Stühlerücken angesagt und Sie müssen sich mit den "Kommunalos" aus Städten und Gemeinden unter anderem über die Höhe der Kreisumlage oder die Mitfinanzierung der Kindertagesstätten unterhalten. Wie soll das laufen? Sie bezeichnen sich selbst als "Brückenbauer" - über wie viele Brücken müssen Sie denn gehen?
Krüger: Durch meine Funktion als bisheriger Bürgermeister kann ich mich natürlich gut in die Kolleginnen und Kollegen in den Rathäusern hineinversetzen und weiß um die Sorgen und Nöte. Klar ist aber auch: Es gibt Themen, bei denen man sich einig ist, und Themen, bei denen der Landkreis eine völlig andere Meinung vertritt. Da müssen der Kreis und auch mal die Kommunen nachgeben. Am Ende geht es um die beste Lösung für die Menschen vor Ort. Und es werden - wie es aktuell nun bereits ist - leider noch schwere Zeiten auf uns alle zukommen. Da geht es mehr denn je um ein Miteinander und den besten Weg aus Krisen. Das funktioniert nur auf Augenhöhe. Und da bin ich, falls ich zum neuen Landrat gewählt werde, gefordert, diese Augenhöhe zwischen Kreis und Kommunen sicherzustellen. Aber ich kenne ja die Beteiligten - und das ist aus meiner Sicht sicherlich keine schlechte Voraussetzung.
Die Stadt Geestland hat sich überregional einen Namen im Bereich der "Nachhaltigkeit" gemacht und ist dafür auch prämiert worden. Der Begriff ist dehnbar. Was verstehen Sie persönlich unter Nachhaltigkeit und wie wollen Sie - so Ihre Ankündigung im Wahlkampf - den Landkreis auf einen ähnlichen Kurs trimmen und in zehn Jahren eine Klimaneutralität schaffen?
Krüger: Für das Jahr 2030 ist das 1,5-Grad-Ziel angepeilt worden. Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden wir das nicht schaffen. Da kann man jetzt entweder aufgeben oder wir peilen vielleicht 1,6 Grad an. Wenn wir das ursprüngliche Ziel verfehlen, werden wir von anderen europäischen Ländern CO2-Zertifikate kaufen müssen, die das Ziel erreicht haben. Damit würden wir den Bürgern und der Wirtschaft viel Geld entziehen. Daher sollten wir alles daran setzen, dass wir das Ziel zügig erreichen und das Geld hier investieren. Zu Ihrer konkreten Frage: Nachhaltigkeit bildet die Lebenswirklichkeit des Menschen ab. Da gibt es Felder, auf denen wir besser werden und positive Veränderungen erreichen müssen. Es ist ein Querschnittsthema, das viele Zielkonflikte mit sich bringt, die wir durch vernünftige Diskussionen und Handeln lösen müssen.
Nennen Sie doch einmal ein konkretes Beispiel.
Krüger: Nehmen wir einmal einen Schulgebäude-Neubau. Wenn dort für den Bau Bäume gefällt werden müssen, kann man nicht hingehen und sagen: Das ist nicht nachhaltig, da dort in die Natur eingegriffen wird. Es geht schließlich auch um Bildung. Diesen Konflikt haben wir zum Beispiel auch in Langen gehabt und gelöst. Das ging nur mit der Einbindung von Gruppen und Organisationen, die wir in den Prozess eingebunden haben und auch nur mit völliger Transparenz. Alle haben sich mit ihren unterschiedlichen Meinungen an einen Tisch gesetzt und letzten Endes einen Kompromiss gefunden, bei dem Bildung und Natur gleichermaßen berücksichtigt worden sind. Für mich ist auch dieses Beispiel "Nachhaltigkeit", denn es geht um die "Enkeltauglichkeit" von Entscheidungen, die wir heute für die Zukunft treffen. Wir dürfen nicht auf Kosten nachfolgender Generationen heute Ressourcen verbrauchen, sondern müssen zukunftsorientiert denken und handeln.