
Mikro-Plastik: Gefahr für Meeresbewohner
KREIS CUXHAVEN. Eine Plastikflasche am Strand, eine Tüte, die sich im Sandfang verheddert hat, ein Strohhalm, der an der Wasseroberfläche treibt. All das gehört mittlerweile leider zum ganz normalen Bild unserer heimischen Nordseeküste, auch wenn es an anderen Küsten sehr viel schlimmer aussieht.
Die noch viel größere Bedrohung, weil kaum oder gar nicht sichtbar, heißt jedoch Mikroplastik. Der BUND klärt auf.
Kunststoff findet sich in unterschiedlichen Formen und Größen in unserer Umwelt und somit auch im Meer wieder. Je kleiner, desto gefährlicher ist er für die Lebewesen, nehmen sie die Kleinstteile doch leicht mit der Nahrung auf.
Das Meeresschutzbüro vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) versucht deswegen, über das Thema aufzuklären. Denn was viele nicht wissen: Mikroplastik entsteht eben nicht nur durch den Zerfall großer Kunststoffteile (sekundäres Mikroplastik) durch Verwitterungsprozesse, UV-Strahlung oder Wellenbewegung. Auch in der Kosmetikindustrie wird es in Form von synthetischen Kunststoffen eingesetzt (primäres Mikroplastik). Weitere Eintragsquellen sind außerdem synthetische Textilien, deren Fasern sich beim Waschen lösen, Reifenabrieb von Fahrzeugen, Stadtstaub und ja, auch Straßenmarkierungen. Mikroplastik, das sind feste, unlösliche und biologisch nicht abbaubare synthetische Polymere (chemische Stoffe), die kleiner als fünf Millimeter sind. Kleine Partikel also, die für das Auge kaum sichtbar sind. "In dem Wörtchen Mikro liegt die Gefahr", erklärt Norbert Welker von der BUND-Kreisgruppe Cuxhaven. "Dadurch, dass die Teilchen so klein sind, werden sie von Meereslebewesen mit der Nahrung aufgenommen und landen so im Verdauungstrakt von Muscheln, Krebsen, Garnelen und in den Mägen von Seevögeln und Fischen."
Schweres Mikroplastik könne bis zu den Lebewesen im und auf dem Meeresboden absinken. Leichtes Mikroplastik befinde sich dabei meist an der Meeresoberfläche, wo es von Zooplankton (Kleinstlebewesen) aufgenommen wird. Zooplankton stellt wiederum eine wichtige Nahrungsquelle für Fische dar, von denen sich wiederum Meeressäuger, Vögel und letztlich auch Menschen ernähren. Ein Kreislauf.
"Das Problem ist, dass man die Partikel nicht mehr los wird. Einmal im Meer, bleiben sie dort", so Welker. Und weil sie so beständig sind, können sie die Meere über Hunderte Jahre hinweg belasten. Ganz abgebaut werden sie nie.
Der BUND verweist auf Studien, die zeigen, welche Folgen die Aufnahme von Mikroplastik für im Meer lebende Organismen haben kann: Gewebeveränderungen, Entzündungsreaktionen, innere Verletzungen, Tod. Ein großer Teil dieses Mikroplastiks stammt aus Kosmetikprodukten. Synthetische Kunststoffe, die als Peelingartikel, Bindemittel oder Füllmittel in Duschgelen, Shampoos, Cremes und Make-up-Produkten eingesetzt werden. Mal in flüssiger, mal in fester Form. Gelangt es ins Abwasser, kann es von den Kläranlagen jedoch nur bedingt herausgefiltert werd. Ein Teil wird im Klärschlamm zurückgehalten, der andere Teil wandert in Meere und Flüsse.
Kunststoff in Kosmetika
Die am häufigsten verwendeten Kunststoffe verstecken sich hinter kryptischen Namen wie Polyethylen, Acrylates Copolymer oder Nylon-12 (s. Kasten). Der BUND hat einen Einkaufsratgeber entwickelt, in dem nicht nur problematische Inhaltsstoffe aufgelistet sind, sondern auch Firmen mit den jeweiligen kosmetischen Produkten (www.bund.net/mikroplastik). "All das sollte gar nicht erst in die Umwelt gelangen", appelliert Welker an Verbraucher, aber in erster Linie an die produzierende Industrie. "Plastik ist leider überall." Komplett darauf zu verzichten, werde den Menschen sehr schwer gemacht.
Gefahr für Tier und Mensch
Auch immer mehr Kinder und Jugendliche im Cuxland haben dieses Problem erkannt und setzten sich nicht erst seit der "Friday-For-Future"-Bewegung für die Umwelt ein. Im vergangenen Jahr startete die Cadenberger Schule am Dobrock eine Petition zum Verbot von Plastik in der Kosmetikindustrie (wir berichteten). In ihrer Petitions-Begründung führten die Schüler an, dass die "vom Menschen beim Waschen und Duschen verbrauchten, mit Mikroplastik verunreinigten Kosmetikprodukte von den Kläranlagen nicht herausgefiltert werden können".
Die Verunreinigungen gelangten so über die Abflüsse in die Nordsee, wovon eine immense Gefährdung für Meeresorganismen ausginge. Hiervon sei insbesondere der Wattwurm, der eine große ökologische Bedeutung für die Nordsee habe, betroffen. Ebenso ging die Petition auf die Gefahr für den Menschen ein, da durch den Verzehr von Fisch und Meeresfrüchten die Plastikteilchen auch in den menschlichen Organismus gelangen können.
"Jeder Mensch hat inzwischen Schadstoffe aus Plastikprodukten im Blut. Durch zahlreiche Studien wurde auch herausgefunden, dass die sogenannten Zivilisationskrankheiten wie Unfruchtbarkeit oder Krebs mit diesen Schadstoffen in Verbindung stehen können", hieß es in der Petition.
Zum Anlass nahmen die Schüler den noch immer geringen Anteil der mikroplastikfreien Produkte auf dem Markt sowie den Mangel an Anreizen und Fristen, diese zu produzieren - weder aus politischer noch aus ökonomischer Sicht. Auch eine Kennzeichnungspflicht à la "enthält Mikroplastik" sei nicht vorhanden, bemängelten die sie. Angesichts dieser Rechtslage forderten die Cadenberger Schüler und Schülerinnen die Bundesregierung in ihrer Petition auf, die Verwendung bestimmter Mikroplastikteilchen in Kosmetikprodukten zu verbieten.
Ein solches Verbot lässt zwar noch auf sich warten, dennoch zeigen Initiativen wie diese, dass es bei immer mehr Menschen "klick" gemacht zu haben scheint. Fehlt nur noch das "Klick" bei Politik und Industrie.
Dahinter versteckt sich Mikroplastik
Der BUND hat eine Liste mit den meist verwendeten Kunststoffen und ihren Abkürzungen in Kosmetika zusammengestellt. Es sind folgende:
Polyethylen (PE)
Polypropylen (PP)
Polyethylenterephthalat (PET)
Nylon-12 (Nylon-12)
Nylon-6 (Nylon-6)
Polyurethan (PUR)
Acrylates Copolymer (AC)
Acrylates Crosspolymer (ACS)
Polyacrylat (PA)
Polymethylmethacrylat (PMMA)
Polystyren (PS)
Polyquaternium (PQ)