
CDU-Schlappe im Kreis Cuxhaven: Ferlemann gibt Spitzenkandidaten die Schuld
CUXHAVEN. Im Vergleich zu 2017 hat die CDU auch vor Ort deutlich an Stimmen eingebüßt. Ferlemann muss das Direktmandat an seinen SPD-Herausforderer Daniel Schneider abgeben, wird nach derzeitigem Sachstand aber über die Liste in den nächsten Bundestag einziehen.
"Sicher ist das hier heute keine Jubelfeier": Kurz nach 20 Uhr sprach Enak Ferlemann, CDU-Direktkandidat im Wahlkreis 29, aus, was im Saal von "Janssens Tanzpalast" versammelte Unionsmitglieder schon am früheren Abend gedacht hatten.
Den Saal der Lüdingworther Disco hatten die Christdemokraten
für ihre Wahlparty angemietet; dort, wo die Musik sonst die "Tanzpalast"-Gäste von den Stühlen zu reißen pflegt, blieb die Stimmung am Sonntagabend verhalten. Etwa 40 Parteimitglieder, Freunde und Sympathisanten, die sich an den im vorderen Drittel des Saals aufgestellten Tischen stärkten, verfolgten ohne Begeisterung die auf eine Leinwand projizierten Nachrichten aus dem ARD-Wahlstudio.
Sechs Prozent zurück
"Spannend", so meinte Kreisvorstandsmitglied Christoph Frauenpreiß zunächst noch recht zuversichtlich, werde an diesem Abend wohl ganz sicher noch die Frage, wer im Wahlkreis 29 die meisten Erststimmen hole. Gegen 19.30 Uhr lag der örtliche CDU-Kandidat allerdings bereits mit knapp sechs Prozent hinter seinem SPD- Herausforderer Daniel Schneider zurück.
Stimmabgabe schon mittags
Gemeinsam mit seiner Frau Elke hatte Enak Ferlemann seine Stimme bereits in den Mittagsstunden im zum Wahllokal "umgebauten" Feuerwehrgerätehaus im Cuxhavener Stadtteil Duhnen abgegeben. Schon zu diesem Zeitpunkt hatte Ferlemann im Gespräch mit unserer Redaktion prognostiziert, dass die die Regierungsbildung angesichts eines Kopf-an-Kopf-Rennens der beiden großen Volksparteien schwierig werden könne und sicherlich seine Zeit brauche. "Jetzt muss man sehen, wie sich das zusammenschaukelt", sagte er abends auf der "Janssen"-Bühne - nachdem sich ziemlich klar abzeichnete, dass CDU/CSU weder im Bund noch im Wahlkreis Cuxhaven-Stade II ihr Wahlziel erreicht hat.
CDU-Abschneiden "unbefriedigend"
Ferlemann redete nicht großartig drumherum: "Total unbefriedigend" sei es für eine Volkspartei wie die Union, mit 25 Prozent im Bund abzuschneiden. Die Frage aufwerfend, woran es denn gelegen haben möge, wurde der Cuxhavener Abgeordnete überraschend deutlich: "An der Frage des Spitzenkandidaten", sagte Ferlemann wörtlich und ergänzte, dass auch die Inhalte eine Rolle gespielt hätten. Im Wahlkampf-Endspurt habe die CDU allerdings sehr wohl deutlich gemacht, welche Alternativen den Wählerinnen und Wählern blühen könnten: "Ein Segen ist, dass es keine Option für Rot-Rot-Grün gibt", betonte Ferlemann. Erstmalig wurde es an diesem Abend emotional; es gab lauten Applaus.
AfD-Mann zieht in Bundestag ein
"Ich gratuliere herzlich Daniel Schneider", fuhr Enak Ferlemann, von fern an seinen siegreichen SPD-Konkurrenten gewandt, fort. Er wünsche ihm, der nun direkt in den Bundestag einziehe eine glückliche Hand. "Nicht so schön ist, dass ein AfD-Kandidat auch reinkommt", sagte Ferlemann, gemünzt auf Olaf Kappelt, Bremer Spitzenkandidat der Rechtspopulisten, der vor Ort einen Wohnsitz haben soll. Ferlemann, in der amtierenden Bundesregierung Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium rechnete zu diesem Zeitpunkt damit, dass auch der im Wahlkreis 20 angetretene Grüne Stefan Wenzel ein Bundestagsmandat erringen werde.
"Trendwahlkreis Cuxhaven"
Wie kommt es, dass ein Newcomer wie Daniel Schneider an einem politischen Schwergewicht vorbeiziehen konnte? Im Gespräch mit unserer Redaktion verwies Ferlemann (wie schon zuvor auf offener Bühne) darauf, dass Cuxhaven in einem Trendwahlkreis liege. Die Stimm-Entwicklungen auf Bundesebene rissen die örtlichen Kräfte mit. Dass Armin Laschet, Kanzlerkandidat der union, auch aus der zweiten Reihe heraus Ambitionen auf eine Koalitionsbildung geltend machen könnte, schloss Ferlemann am gestrigen Wahlabend definitiv nicht aus.
Denkbare Koalitionen
"Das gibt es, das kommt durchaus vor", sagte der CDU-Politiker losgelöst von der aktuellen Situation und verwies in diesem Zusammenhang an die Bedeutung, die Bündnis 90/Die Grünen sowie den Liberalen als Königsmacher zukommen werde. Ein Jamaika-Bündnis halte er trotz einiger Gegensätze zwischen der FDP und der einstigen Ökopartei für denkbar - etwa, wenn Bündnis 90 das Angebot bekäme, den Stuhl des Bundespräsidenten (mit einer Frau) zu besetzen.
Dank an Mitstreiter
"Danke an alle, die an den Ständen gekämpft haben. Dank auch an unser Kreisgeschäftsstelle": Mit diesen Worten zeigte sich Ferlemann dem eigenen Parteivolk gegenüber erkenntlich. Alle zusammen hätten vor Ort einen guten Wahlkampf gemacht. "Und euer Abgeordneter ist wieder im Bundestag! Was das heißt, kann ich euch allerdings frühestens in vier bis fünf Wochen sagen." Nach der Wahl sei allerdings vor der Wahl, merkte Ferlemann außerdem an: Im Herbst kommenden Jahres wird der Niedersächsische Landtag gewählt.
Spitze zum Schluss
Landtagsabgeordneter Lasse Weritz überreichte dem Bundestagskandidaten schließlich der Tradition folgend einen Blumenstrauß - Gelegenheit zu einem Bonmot und zu einem Seitenhieb gegen den politischen Gegner. "Jeder weiß ja, dass ich Blumen mag", unkte Ferlemann. "Die Landesgartenschau, die hat mir auch die SPD versaut." Gelächter, während der Kandidat das Bouquet an seine Frau weitergab.