Am Dünenrand von Nigehörn haben sich eine Heringsmöwe und Kormorane niedergelassen. Am Strand blühender Meersenf. Der Holzpfahl ist angespült. Fotos: Eisermann
Am Dünenrand von Nigehörn haben sich eine Heringsmöwe und Kormorane niedergelassen. Am Strand blühender Meersenf. Der Holzpfahl ist angespült. Fotos: Eisermann
Wattenmeer vor Cuxhaven

Naturexperiment gelungen: die Insel Nigehörn

20.08.2019

CUXHAVEN. Aus dem Sand, der vor 30 JAhren zur Insel Nigehörn aufgespült wurde, ist eine Insel mit einer artenreichen Vegetation und Vogelwelt geworden. 

Aus dem aufgespülten Sand mit den wenigen angepflanzten und ausgesäten Pflanzen (über die Anlage der Insel vor 30 Jahren berichteten wir am Sonnabend auf der Magazin-Seite, d. Red.) ist eine Insel mit einer artenreichen Vegetation geworden. Samen wurden durch den Wind hergeweht, durch die Wellen angespült oder gelangten durch Tierkot auf die Insel. Inzwischen wachsen weit über 100 Pflanzenarten auf Nigehörn. Neben der typischen Flora von Spülsaum, Strand, Dünen und Salzwiesen wachsen auch die verschiedenartigsten Pflanzen anderer Lebensräume.

In der Nähe des Beobachtungsturmes gedeihen Rentierflechten. Das sind die Flechten, die im hohen Norden von Rentieren gefressen werden! Seit etlichen Jahren gibt es sogar einige noch kleine Bäume wie Weiden, Erlen, Birken, Eschen und Kiefern, die sich natürlich angesiedelt haben. Auf der Nachbarinsel Scharhörn konnten Bäume nicht wachsen.

Die Vegetationsentwicklung wird einmal jährlich im Rahmen des Nationalpark-Monitorings erfasst und dokumentiert.

Die neue Insel wurde sofort von verschiedenen Vogelarten als Brutgebiet angenommen. "Bereits im ersten Jahr nach Abschluss der Spülarbeiten konnten fünf Brutvogelarten auf Nigehörn nachgewiesen werden. Sandregenpfeifer, Seeregenpfeifer und Zwergseeschwalben besiedelten mit insgesamt 19 Brutpaaren die vegetationsarmen, sandigen Innenbereiche sowie den Randbereich der Insel. Zusätzlich trat der Austernfischer und als einzige Singvogelart die Feldlerche auf. 1991 gründeten bereits Fluss- und Küstenseeschwalbe erste Kolonien mit 300 bzw. 60 Brutpaaren auf der Insel und auch erste Silbermöwen siedelten sich an", schreibt Imme Flegel 2014 in "Seevögel", Band 35, Heft 2, S. 12.

Als die Insel immer dichter zuwuchs, blieben einige Brutvogelarten weg, während andere dazukamen. Seeschwalben und Regenpfeifer verschwanden. Andere Vögel kamen hinzu. Die Zeitschrift "Seevögel" des Vereins Jordsand zum Schutze der Seevögel und der Natur e.V erwähnt im März 2019 (Band 40, Heft 1, S. 16) vor allem die vielen Kormorane, die auf den Dünen ihre großen Nester gebaut haben. Seit dem Ende der 90er Jahre seien sie als Brutvögel aufgetaucht. 2018 wurden 226 Brutpaare gezählt. Eine beeindruckende Zahl angesichts der Tatsache, dass diese sonst eigentlich auf hohen Bäumen brüten, die es hier ja nun noch nicht gibt.

Derselbe Bericht erwähnt für das vergangene Jahr 13 Vogelarten auf der Insel. Die meisten Brutvögel waren Silber- (381 Paare) und Heringsmöwen (231 Paare). Bei beiden Arten ist der Bestand im Vergleich zum Vorjahr stark zurückgegangen. Zum ersten Mal brütete ein Paar der großen Mantelmöwen.

2018 nisteten auf Nigehörn allerdings keine Eiderenten, während es ein Jahr zuvor noch 30 Paare gewesen waren. Diese großen Enten brüten in großen Mengen unter anderem auf Island. Sie polstern ihre Nester mit den berühmten Eiderdaunen aus.

Menschen entnehmen einen Teil der Daunen. Als Gegenleistung versuchen sie, die Polarfüchse, die Eier und Küken fressen wollen, zu verjagen. So profitieren beide Seiten.

Der Wandel ist stetig: Auch Gänse haben inzwischen Nigehörn als Brutgebiet entdeckt. 2018 waren es vier Paare Graugänse und erstmals ein Paar Nonnengänse. Diese Gänse - auch Weißwangengänse genannt - brüten nördlich des Polarkreises. Im Winterhalbjahr kann man viele Tausend Exemplare in Kehdingen und auf Neuwerk beobachten.

Hinzu kamen acht Paare Löffler; außer den typischen Seevögeln brüten auf dem Eiland aber auch Feldlerchen und Wiesenpieper. In manchen Jahren - nicht 2018 - ist ein brütendes ein Paar Sumpfohreulen dort beobachtet worden. Die Eulen ernähren sich hauptsächlich von Mäusen, den einzigen Säugetieren auf Nigehörn, die vermutlich mit dem Buschwerk und Pflanzmaterial bei der Anlage auf die Insel gekommen sind.

Zum Glück waren nicht auch noch Ratten darunter, denn die könnten verheerende Schäden anrichten. Das ist 1949/1950 auf Scharhörn passiert, als Ratten alle Gelege der Seeschwalben vernichteten. Erst nach großen Anstrengungen (Einsatz von Spezialhunden, Abbrennen der Vegetation und Ähnliches) gelang es, die Ratten zu vernichten.

Die weiten Wattflächen um Scharhörn und Nigehörn mit dem unglaublich reichhaltigen Nahrungsangebot sind für unzählige Zugvögel Zwischenstopp auf dem Zug in die Überwinterungsgebiete im Herbst und dann wieder zurück im Frühjahr. Nur hier finden sie genug Nahrung und Ruheplätze.

Seit Jahren sind diese Wattflächen Mauserplatz von europäischer Bedeutung für Brandgänse und Eiderenten. Hier finden die während der Mauser flugunfähigen Vögel die nötige Ruhe.

Ein vor fünf Jahren gezogenes Zwischenfazit: "25 Jahre nach der Konstruktion einer neuen Düneninsel im Hamburgischen Wattenmeer kann diese Maßnahme als Erfolg für den Naturschutz angesehen werden. Der gestaltete Dünenkern der Insel ist bislang relativ lage- und flächenstabil, ungeachtet sporadischer Schwankungen an der Inselkante. Die Gesamtfläche der Insel hat jedoch von unter 30 auf über 150 Hektar zugenommen. In der näheren Zukunft zeichnet sich eine weitgehende Fusion mit der Nachbarinsel Scharhörn ab", schreiben Ulrich Hellwig und Peter Körber in "25 Jahre Nigehörn (1989-2014) Ergebnisse einer umstrittenen Naturschutzmaßnahme" in "Natur und Landschaft", 92. Jahrgang (2017) Heft 2, S. 59.

Für Nigehörn gilt ein strenges Betretungsverbot. Aber jeder Besucher Scharhörns sieht über das Quellerwatt vor Scharhörn nach Nigehörn. Er erkennt die vielfältige Vegetation, er sieht und hört die Seevögel. Und er hat von der Scharhörner Hütte einen fantastischen Blick zur Nachbarinsel, auf der die Natur sich selbst überlassen bleibt und auf der Pflanzen und Tiere sich von Menschen ungestört entwickeln können. Gönnen wir ihnen die Ruhe!

Von Kurt Eisermann  

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