Niedersachsen will Gesetz für psychisch Kranke reformieren
Die Messerattacke auf Kitakinder in Aschaffenburg, die Tat am Hamburger Hauptbahnhof, der mutmaßliche Mord eines Klinikpatienten in Hildesheim: In den vergangenen Monaten hat es mehrere schwere Gewalttaten durch psychisch erkrankte Menschen gegeben. «Diese Taten lassen uns zu Recht wütend, aber auch fassungslos zurück», sagte Niedersachsens Gesundheitsminister Andreas Philippi (SPD). «Zugleich verdeutlichen sie uns, dass wir vor neuen Herausforderungen stehen, die schnelles und auch gezieltes Handeln, politisches Handeln erfordern.»
Landesregierung stimmt Neufassung des NPsychKG zu
Als Konsequenz will die Landesregierung das Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch Kranke (NPsychKG) umfassend reformieren. Das Kabinett stimmte der Neufassung nun zu und gab den Entwurf für die Verbandsbeteiligung frei, wie das Gesundheitsministerium mitteilte.
Rund zehn Monate hatten das Gesundheits-, das Innen- und das Justizministerium an der Novellierung gearbeitet. Das Gesetz stammt aus dem Jahr 1997 und sei «nicht mehr ganz zeitgemäß», sagte Philippi. Mit der Neufassung werde das NPsychKG an die aktuelle Rechtslage angepasst und um neue Regelungen ergänzt, die auch der Diskussion um öffentliche Sicherheit Rechnung tragen sollen.
Erweiterter Gefahrenbegriff und Krisenhilfe rund um die Uhr
Zentrale Änderungen betreffen laut Ministerium den Gefahrenbegriff: Künftig soll eine Unterbringung nicht nur bei einer akuten gegenwärtigen Gefahr, sondern auch bei einer sogenannten Dauergefahr möglich sein. Außerdem sollen die Abläufe in Krisensituationen verbessert werden. Der sozialpsychiatrische Dienst soll rund um die Uhr erreichbar sein, um Krisen besser zu koordinieren und unnötige Unterbringungen zu vermeiden. Die Kommunikation zwischen Kliniken, Ordnungsbehörden und Polizei soll durch verpflichtende halbjährliche Treffen gestärkt werden.
«Keinesfalls wollen wir ein Register für psychisch Kranke»
Parallel dazu sollen Polizei, Kliniken und der sozialpsychiatrische Dienst angehalten werden, ihre Daten miteinander auszutauschen. So könne bei hohem Fremdgefährdungspotenzial in bestimmten Fällen die Polizei frühzeitig informiert werden, während Kliniken personenspezifische Daten übermitteln könnten.
Philippi betonte: «An dieser Stelle sei angemerkt, dass ein Datenaustausch nur bei denjenigen stattfinden soll, die im Rahmen einer sogenannten Risikoanalyse als potenziell gefährdet eingestuft wurden oder werden.» Und weiter: «Keinesfalls wollen wir ein Register für psychisch Kranke.»
Der Ruf nach erhöhter Sicherheit im öffentlichen Raum sei «absolut richtig», sagte Philippi. Zugleich dürfe er «nicht dazu führen, dass Menschen mit psychischen Erkrankungen unter Generalverdacht gestellt werden».
Inkrafttreten zum 1. Juli geplant
Das neue Gesetz soll zum 1. Juli 2026 in Kraft treten. Für den rund um die Uhr erreichbaren sozialpsychiatrischen Dienst sei allerdings zunächst ein Stellenaufbau nötig. Das werde nicht sofort überall funktionieren, sagte Philippi. Insgesamt brauche es rund 120 Sozialpsychiaterinnen und Sozialpsychiater. Im Haushalt 2027 soll das Gesetz umgesetzt und mit genügend Geld hinterlegt werden, sagte der Minister.