Von "Fabelhaft" über "Frühstücksbuffet hätte üppiger sein können" bis "absolute Service-Katastrophe": Bei der Hotelbuchung vertrauen viele den Bewertungen im Internet. Foto: dpa
Von "Fabelhaft" über "Frühstücksbuffet hätte üppiger sein können" bis "absolute Service-Katastrophe": Bei der Hotelbuchung vertrauen viele den Bewertungen im Internet. Foto: dpa
Reiseportale

Online-Experte im Interview: Cuxhavener Hotel hat Bewertung gefälscht

von Christian Mangels | 28.08.2019

KREIS CUXHAVEN. Was taugen Hotelbewertungsportale wirklich? Der Online-Experte Christian Scherg berichtet im Interview, auf was man achten sollte und deckt auf, dass ein Cuxhavener Hotel seine Bewertung gefälscht hat.

Bewertungsportale spielen für Urlauber eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, das passende Hotel zu finden. Allerdings gibt es auch viele Fake-Bewertungen. CN/NEZ-Redakteur Jens-Christian Mangels hat mit dem Online-Experten Christian Scherg über die Glaubwürdigkeit von Hotelbewertungsportalen gesprochen. "Jede dritte Hotelbewertung ist gefälscht”, meint Scherg und hat auch bei einem Cuxhavener Hotel verdächtige Einträge gefunden.

Herr Scherg, warum sind Hotelbewertungsportale so beliebt?

Weil es eine relativ einfache Möglichkeit ist, sich zu informieren. Ich habe klare Kriterien, die ich nebeneinander legen kann. Ich habe einen Überblick, was andere Hotelbesucher schon für Erfahrungen gemacht haben. Ich habe Bilder, die ich durchklicken kann. Früher hat man seine Freunde und Bekannten gefragt, heute fragt man Online-Portale.

Wie wichtig sind diese Portale als Marketinginstrument für Hotels? Sind sie inzwischen wichtiger als die klassische Werbung?

Für die Hotels sind die Bewertungsportale insofern wichtig, weil sie aus den großen Kontingenten der Reiseveranstalter herausfliegen, wenn sie nicht eine Mindestanzahl von Sternen - also eine positive Bewertung - vorzuweisen haben. Von daher sind die Bewertungsportale, allen voran Holidaycheck und TripAdvisor, für die Hotels existenziell.

Wie groß, glauben Sie, ist der Anteil der gefakten Bewertungen in den gängigen Reiseportalen?

Es gibt Zahlen, die besagen, dass jede dritte Bewertung auf diesen Portalen gefakt ist. Man kann sich natürlich fragen: Was ist eigentlich eine gefakte Bewertung? Ist es eine Bewertung schon gefakt, wenn ich einem Hotelgast Vergünstigungen anbiete, wenn er uns positiv bewertet? Wettbewerbsrechtlich ist das kritikabel. Als Hotelier muss ich im Grunde zulassen, dass der Gast so bewertet, wie er oder sie es für richtig empfindet. Ich darf niemanden etwas versprechen für eine positive Bewertung. In der Praxis wird es aber immer wieder gemacht. Viele dieser Bewertungen sind sicherlich kleine Gefälligkeiten. Aber sie führen natürlich zu einer entsprechenden Verzerrung des Bildes.

Wir haben Sie vor diesem Interview gebeten, sich einmal die Bewertungen von Cuxhavener Hotels anzuschauen. Haben Sie Einträge gefunden, die Sie als gefälscht einstufen würden?

Tatsächlich. Wir haben ein Hotel gefunden, wo es ein riesiges Aufkommen positiver Bewertungen gegeben hat. Vorher gab es eine ganze Reihe von negativen Bewertungen - das ist die typische Bewertungsdramaturgie, die man sich als Hotelgast ganz genau anschauen sollte. Wir haben es offenbar mit einem Hotel zu tun, das die zuvor negativen Bewertungen künstlich nach oben korrigiert hat. Dann haben wir gesehen, dass die Informationen über das Hotel sehr allgemein und wenig persönlich sind. Im Grunde genommen wurde der Pressetext des Hotels noch mal umgeschrieben: Das Restaurant ist sehr zu empfehlen, der Service ist sehr gut, für Fahrräder gibt es abschließbare Garagen, es gibt ein umfangreiches Wellness-Angebot mit den folgenden fünf Features… - das alles wirkt eher wie aus der Marketingbroschüre und nicht wie die Bewertung von einem wirklichen Nutzer. Aufpassen sollte man auch, wenn der Kommentator nur eine einzige Bewertung geschrieben hat und dann nie wieder in Erscheinung tritt. Auch dann könnte es sich möglicherweise um eine gefälschte Bewertung handeln.

Wer verfasst die Fake-Bewertungen? Die Hotels selbst? Oder kommen bezahlte Agenturen zum Einsatz?

Das ist unterschiedlich. Es gibt tatsächlich Agenturen, die sich für das Abgeben von Bewertungen bezahlen lassen. Das ist zum Teil recht aufwendig, weil sie auf die Mitwirkung der Hoteliers angewiesen sind. Die Hotels müssen entsprechende Buchungsbestätigungen faken und diese an die Bewertungsportale übermitteln. Die Agenturen geben dann die Bewertungen von unterschiedlichen IP-Adressen aus ab, damit es nicht so auffällt.

Legal ist das aber nicht…

Das ist alles andere als legal. Es ist wettbewerbsrechtlich höchst diskutabel und justiziabel. Die Nutzer oder Gäste bewusst zu täuschen, ist zum einen juristisch nicht geduldet und verstößt auch gegen die Richtlinien der Bewertungsportale. Wenn die Portale mitbekommen, dass Bewertungen gefälscht sind, fliegt man aus den Bewertungskatalogen raus. Als Hotel schneidet man sich also ins eigene Fleisch. Hotels spielen dann ganz deutlich mit ihrer Existenz.

Die Hotels tun sich also keinen Gefallen damit, wenn sie auf gefälschte Bewertungen setzen.

Sie aber oft keine andere Chance. Sie werden ja auch von den Mitbewerbern angegriffen. Wenn ich als Hotelier eine Baustelle an der Ecke habe, für die ich gar nichts kann und sich Hotelgäste reihenweise in Bewertungsportalen darüber beschweren, muss ich irgendetwas unternehmen. Es ist natürlich eher ratsam, einen Mittelweg zu gehen: Ich nehme die zufriedenen Hotelgäste und leite sie an, eine positive Bewertung abzugeben. Ich muss jetzt mal eine Lanze für die Hoteliers brechen: Sie haben es mit Hotelgästen zu tun, die mittlerweile über ihre eigene Macht Bescheid wissen und deutlich sagen: "Wenn ich nicht eine Extra-Massage bekomme, kriegst du von mir eine negative Bewertung." Sie erpressen die Hotels damit. Die Hoteliers sind in einer Zwickmühle: Sie sind auf die Bewertungen angewiesen, werden von den Reiseveranstaltern unter Druck gesetzt, aber auch von den Hotelgästen. Dass man da auch mal zu Mitteln greift, die vielleicht nicht so ganz wettbewerbskonform sind, kann ich durchaus nachvollziehen. Ich würde aber immer zu Maßnahmen raten, die rechtskonform sind, vielleicht etwas mehr Aufwand bedeuten: Sich mit den Gästen auseinandersetzen und das eigene Personal schulen, um die Bewertungen von den Gästen einzusammeln, etwa bei der Abreise.

In den Bewertungsportalen sieht man immer häufiger, dass Hotels auf die Bewertungen der Gäste reagieren und einen eigenen Kommentar darunter schreiben. Ist das ein gangbarer Weg?

Das ist ein gangbarer Weg. Das Problem an der Geschichte ist: Es ändert nichts an der Gesamtzahl der Sternebewertungen. Es ist aber ein gutes Zeichen und zeigt, dass ich mit meinen Gästen kommuniziere. Es ist ja vielfach so: Wenn sich Gäste in den Bewertungsportalen beschweren, hat die Kommunikation meist vorher schon nicht funktioniert. Dass sich Menschen hinsetzen und im Nachgang eine negative Bewertung schreiben, bedeutet ganz oft, dass sie im Vorfeld mit ihrer Kritik auf taube Ohren gestoßen sind.

Unternehmen die Bewertungsportale genug, um gegen gefälschte Bewertungen vorzugehen?

Mittlerweile machen die Bewertungsportale sehr, sehr viel. Es gibt Buchungsbestätigungen, die eingefordert werden, es gibt Algorithmen, die über die Bewertungen laufen, es gibt technische und händische Lösungen, es werden Teams eingesetzt, um gefakte Bewertungen zu erkennen. Es gibt allerdings auch Bewertungsportale, die wollen einfach nur, dass möglichst viele Bewertungen reinkommen. Denen ist es letztendlich egal, ob die Einträge positiv, neutral oder negativ sind.

Nutzen Sie eigentlich selbst Bewertungsportale bei der Reiseplanung?

Ja, absolut. Aber ich schaue genau hin: Von wem kommt die Bewertung? Wie sind die Zeiträume, in denen die Bewertungen entstanden sind? Wie sind die Bewertungstexte? Klingen sie extrem nach Marketing? Ist das Bild von dem Hotel auf verschiedenen Bewertungsportalen relativ ähnlich? Ich würde immer auf verschiedene Portale schauen.

Komplett verteufeln würden Sie die Hotelbewertungsportale also nicht?

Nein, es ist eine schöne Art, sich schnell zu informieren. Man hat alles auf einen Blick. Und wenn man wirklich unsicher ist, empfehle ich immer, Freunde, Familienmitglieder oder Bekannte zurate zu ziehen. Die waren auch schon im Urlaub und kennen Hotels. Auf persönliche Empfehlungen aus dem Umfeld zu hören und nicht auf anonyme Bewertungen, kann nicht falsch sein.

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Christian Mangels

Redakteur
Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

cmangels@no-spamcuxonline.de

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