Die Situation in den Pflegeheimen ist nach wie vor angespannt erklärt der Leiter der Abteilung Pflege des DRK Cuxhaven/Hadeln, Christian Stollmeyer. Foto: Oliver Berg
Die Situation in den Pflegeheimen ist nach wie vor angespannt erklärt der Leiter der Abteilung Pflege des DRK Cuxhaven/Hadeln, Christian Stollmeyer. Foto: Oliver Berg
Impfungen Erleichterung

Pflegeexperte erklärt, wie die Cuxhavener Heime mit der aktuellen Corona-Situation umgehen

von Egbert Schröder | 27.03.2021

KREIS CUXHAVEN. Die Beschränkungen in der der Corona-Krise wirken sich auch auf die ambulanten, teilstationären und stationären Pflegebereiche im Cuxland aus.

 Der Alltag hat sich für die Pflegekräfte ebenso verändert wie für die Menschen, die sie betreuen. Was das in der Praxis bedeutet, schildert Christian Stollmeier (Abteilungsleiter Pflege beim DRK Cuxhaven / Hadeln).

Sie haben Ende vergangenen Jahres einen heftigen Corona-Ausbruch im Bereich des Otterndorfer Seniorenheimes "Haus am Süderwall" erleben müssen - trotz aller Tests und Schutzmaßnahmen vorab. Welche Schlüsse haben Sie daraufhin gezogen?

Wir sind heute auf jeden Fall trotz der bereits vorab getroffenen Vorkehrungen jetzt noch stabiler, sicherer und besser aufgestellt. So sind inzwischen die stationären DRK-Einrichtungen komplett durchgeimpft, die ambulanten Einrichtungen nahezu und bei den Tagespflegeeinrichtungen sind die Impfungen im Gange. Wir haben am "Haus am Süderwall" in Otterndorf gesehen, wie schnell eine Infektion sich verbreiten kann und dass viele Menschen - ob beim Personal oder den Bewohnerinnen und Bewohnern - plötzlich betroffen sind. Daher gibt uns jede weitere Impfung mehr Sicherheit. Vielleicht kann eine Impfung ein Infektionsgeschehen nicht in jedem Fall verhindern, aber immerhin den schweren und rasanten Verlauf. Durch einen Neueinzug in einem unserer Seniorenheime kann natürlich auch ein weiterer Fall auftreten: Durch die Impfung und die Tests gibt es aber ein erhöhtes Maß an Sicherheit. Wir haben unsere Vorsichtsmaßnahmen weiterentwickelt. Bei der Impfung haben wir zudem bei den Bewohnerinnen und Bewohnern der Seniorenheime nahezu Quoten von 100 Prozent. Nur einige von ihnen durften aufgrund gesundheitlicher Bedenken von Ärzten nicht geimpft werden. Bei den Beschäftigten haben wir Quoten jenseits der 85 Prozent; im stationären Bereich liegt diese Quote sogar über 90 Prozent. Das sind im Vergleich zu Zahlen, die man im Allgemeinen hört, hervorragende Ergebnisse.

Warum liegt die Bereitschaft zur Impfung bei den Beschäftigten nicht bei 100 Prozent?

Es gibt Beschäftigte, die sich partout nicht impfen lassen wollen und eine Impfung grundsätzlich ablehnen. Man darf nicht vergessen: Es handelt sich um eine freiwillige Impfung. Einige lehnen sie auch aus gesundheitlichen Gründen ab. Wir haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die angesichts von Krankheiten vorbelastet sind und bei denen die Ärzte eine Impfung nicht empfehlen. Die Zahl der Impf-Verweigerer ist aber doch bei uns sehr überschaubar.

Man kann als Arbeitgeber im medizinischen oder pflegerischen Bereich also niemanden zur Impfung zwingen?

Nein - aber wir müssen diese Kolleginnen und Kolleginnen im Alltag einsetzen. Und wir sind weiter konsequent: Wir können jederzeit eine Impfmöglichkeit im Impfzentrum organisieren, wenn sich doch noch jemand später für eine Impfung entscheidet. Zudem stehen weiter ausreichend Schutzmaterialien zur Verfügung; trotz einer hohen Impfquote wird hier auf nichts verzichtet. Es erfolgt zudem jeden Tag in den stationären Einrichtungen ein Schnelltest - übrigens auch bei denen, die bereits eine Corona-Infektion hatten oder geimpft sind. Da gehen wir auf Nummer sicher. Sollte es tatsächlich einen Corona-Verdacht geben, dann können wir schnell darauf reagieren. Die, die die Impfung nicht wollen, werden natürlich auch täglich getestet.

Also wird die Gefahr minimiert?

Ja, für die Bewohner, aber auch für sich selbst. Denn: Wer ohne Impfung arbeitet, kann ja auch die Befürchtung haben, dass er möglicherweise selbst infiziert wird. Aber wir sagen auch: Du hast die Möglichkeit einer Impfung gehabt und den Pflegejob mit all seinen Risiken gelernt und wir bieten dir Schutzkleidung an. Da muss jemand unter diesen Umständen auch bereit sein, sich möglicherweise um einen mit dem Corona-Virus infizierten Menschen zu kümmern. Das funktioniert auch in der täglichen Praxis. Eine andere Variante wäre für die Leitungskräfte auch gar nicht planbar.

Haben die Corona-Fälle - speziell in Otterndorf - dazu geführt, dass die eine oder andere Pflegekraft hinsichtlich einer Impfung neu überlegt hat?

Ja, das hatte einen Effekt nach dem Motto: "Es kann auch mich treffen und die Impfung kann schützen." Das hat auch in anderen DRK-Einrichtungen zu einer hohen Impf-Akzeptanz beim Personal geführt.

Testet das DRK jeden Bewohner und jede Bewohnerin?

Nur, wenn sie aus dem Krankenhaus zurückkommen oder neu bei uns einziehen. Dann müssen sie auch ein paar Tage in Quarantäne und wir testen die Bewohnerinnen und Bewohner mehrfach auch per Schnelltest. Wir testen zudem alle Besucherinnen und Besucher in unseren Einrichtungen. Ohne Test kommt niemand ins Haus.

Aber: Was natürlich ein Heimbewohner oder eine Heimbewohnerin macht, die oder der das Haus verlässt und zum Beispiel mit den Verwandten einen Spaziergang unternimmt, das haben wir natürlich nicht in der Hand und können es nicht kontrollieren. Da setzen wir auch auf Selbstkontrolle und die Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln. Sollte etwas kritisch oder auffällig sein, haben wir ein engmaschiges Netz gestrickt, um schnell und effektiv zu reagieren. Wir stimmen uns im Falle eines positiven Schnelltests eng mit den Behörden ab, reagieren aber auch selbst aktiv und sofort und lassen diesen Test im Labor mittels PCR-Test überprüfen. Wenn Kosten für einen von uns angesetzten PCR-Test erstattet werden, ist es schön, aber wenn dies nicht der Fall ist, dann ist es auch gut. Wir haben dann aber Sicherheit für alle und können entsprechend schnell reagieren und weitere Maßnahmen einleiten.

Wie hat sich denn gerade in stationären Einrichtungen die Arbeitsweise verändert?

Leider gibt es in den Einrichtungen immer noch nicht viele gemeinsame Aktivitäten, die viele Bewohnerinnen und Bewohner zuvor sehr genossen haben. Wir arbeiten bei unseren Angeboten in Kleingruppen. Wir haben keine großen Feste, die sehr bliebt waren. Das fehlt ...

Aber ein Besuchsverbot gibt es nicht?

Nein, aber wir bitten um Anmeldung im "Haus am Süderwall" in Otterndorf und im "Haus Am Dobrock" in Cadenberge. Im Cuxhavener DRK-Seniorenheim "Am Schlossgarten" gibt es drei Mal in der Woche feste Besuchszeiten, bei denen die Besucher kommen können. Aber sie müssen sich testen lassen und warten dann auf das Ergebnis, bevor sie das Gebäude betreten können oder auch nicht.

Wird das akzeptiert von den meisten Angehörigen?

Ja, da gibt es wirklich nur vereinzelte Ausnahmen.

Aber birgt das Angebot für die Seniorinnen und Senioren, die Einrichtung zu verlassen, nicht auch Risiken?

Na klar, aber wir weisen sie und ihre Angehörigen darauf hin, auch im öffentlichen Raum Abstände zu wahren und Masken zu tragen. Ich kann ja verstehen, dass durch verstärkt durchgeführte Impfungen ein größeres Gefühl der Sicherheit entstehen kann. Aber es bleibt natürlich auch ein Risiko.

Merkt man insbesondere in den Seniorenheimen, dass sich nach den Impfungen die Stimmung verbessert hat?

Es ist auf jeden Fall eine Erleichterung zu spüren, aber die Situation insgesamt hat sich noch nicht nachhaltig verändert. Dafür sind die Fallzahlen und die damit einhergehenden Einschränkungen noch zu groß. Unsere Teams in allen Pflegebereichen erledigen natürlich ihre normale Arbeit, aber es ist noch nicht so, dass sie ihre Aufgaben völlig unbeschwert verrichten. Ich möchte mich da einmal zu den Sozialstationen äußern: Nehmen wir nur mal Senioren auf dem Dorf, wo niemand aus der Familie mehr vorhanden ist, der sich um sie kümmert. Da sind unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im ambulanten Pflegedienst am Tag oft die einzigen Ansprechpartner - und das Angebot ist zeitlich begrenzt. Vor Ort trägt man mindestens eine "FFP 2"-Maske und dadurch kann das Lächeln eines Menschen kaum noch wahrgenommen werden. Das belastet unsere Klienten, aber genauso unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Mit der Impfung im Rücken hoffen wir alle, dass uns ein zweites Ausbruchsgeschehen erspart bleibt und wir bald ein Stück Normalität zurückbekommen.

Sinkt vor diesem Hintergrund die Motivation, sich nebenbei noch zum Beispiel bei den Tests oder Engpässen in Seniorenheimen abseits der beruflichen Verpflichtungen zu engagieren?

Nein, das erleben wir völlig anders. Sehr viele unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beim DRK sind nahezu jederzeit angesichts ihrer beruflichen Qualifikation bereit zu helfen; zum Beispiel bei zusätzlichen Test-Terminen oder beim Impfen. Da erfährt man auch am Freitagnachmittag nach dem Ende des regulären Dienstes keine Abfuhr. Einfach klasse! Gemeinsam werden wir durch diese Pandemie kommen, da bin ich mir sicher.

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Egbert Schröder

Redakteur
Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

eschroeder@no-spamcuxonline.de

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