
Plastik: Tödliche Falle für Helgolands Seevögel
HELGOLAND. Fast alle Basstölpel bauen mittlerweile Plastik in ihre Nester ein. Oftmals ein Todesurteil. Ein Forscher ergründet nun das Problem.
Auf Helgoland bauen mittlerweile fast alle Basstölpel, eine Hochseevogelart die deutschlandweit nur dort brütet, Plastik in ihre Nester ein. Besonders Makroplastik, also größereTeile wie Fischnetze oder Tüten, stellt eine Todesfalle dar. Denn: Mit Gefieder oder Schnabel können sie sich leicht darin verfangen und kommen im schlimmsten Fall auf diese Weise qualvoll ums Leben. Ornithologe Elmar Ballstaedt vom Verein Jordsand auf Helgoland erforscht das Problem seit Anfang des Jahres.
Nicht nur für die Basstölpel ist der zunehmende Plastikmüll, der auf der Insel angespült wird, eine Gefahr. Auch andere Seevogelarten, die im gleichen Gebiet brüten, haben darunter zu leiden. Wie sehr, zeigt das Foto rechts. Eine tote Trottellumme, die sich mit einem Bein in einem Plastikwust verstrickt hat und kopfüber am Lummenfelsen, dem kleinsten Naturschutzgebiet Schleswig-Holsteins, hängt.
Leider keine Seltenheit mehr, weiß Ornithologe Elmar Ballstaedt. Bereits im Jahr 2015 hat er bei einer Nestsammelaktion auf Helgoland ganze zehn Kilogramm Plastikmüll gesammelt - und das aus nur sieben Nestern.
Seit Januar 2019 hat der 31-Jährige nun eine Pilotstudie gestartet, in der er erstmalig das Ausmaß der Plastikverschmutzung in der Helgoländer Kolonie, die Auswirkungen auf die Population und die Herkunft des Plastiks unter die Lupe nehmen wird. Denn: Bislang wurden die Konsequenzen der Verstrickung von Seevögeln im Meeresmüll wissenschaftlich nur wenig beleuchtet.
Im Fokus stehe aber vor allem die Frage, woher die Plastikteilchen stammen, die die heimischen Seevögel für ihren Nestbau verwenden. "Wir erhoffen uns durch die erstmalige chemische Analyse von über einem Kilogramm künstlichem Nistmaterial aus den Basstölpelnestern Erkenntnisse darüber, aus welchen Kunststoffarten das genutzte Material besteht. Damit könnte man es im besten Fall Industriesparten zuordnen und Lösungen erarbeiten" so Elmar Ballstaedt, der das Projekt im Rahmen seiner Promotion durchführt.
Woher stammt das Plastik?
Weit verbreitet sei die Hypothese, dass das Nistmaterial, das normalerweise ausschließlich aus Großalgen und Gras bestehen sollte, vornehmlich aus der Fischerei stamme. "Manche Fasern sind aber so abgenutzt, dass man sie nur schwer mit bloßem Auge zuordnen kann", so der Forscher. Genau diese Fasern wandern dann ins Labor - die Hauptarbeit in diesem Frühling. In den Nestern hat Ballstaedt so bereits Taue, Verpackungs- und Ballonschnüre gefunden.
Ein zweiter Schwerpunkt ist die Feldarbeit direkt im Felsen. "Durch tägliche Zählrunden möchten wir die jährlichen Verstrickungsraten bestimmen, um die Auswirkungen auf die Population berechnen zu können", so Ballstaedt weiter. Sprich: Ein Jahr lang geht der Forscher täglich zum Felsen und dokumentiert, wie viele Vögel sich in den Plastiknestern stranguliert haben.
Zusätzlich beobachtet er ausgewählte Nester und die dazugehörigen Basstölpel, um herauszufinden, in welcher Phase des Nestbaus Plastik eingetragen wird.
Orange und Blau im Fokus
Erste Erkenntnisse, der für vier Jahre angelegten Studie gibt es zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Was aber erste Beobachtungen zeigen: "Die Basstölpel scheinen sich vor allem für orangefarbene und blaue Plastikfasern zu interessieren. Aber auch das werden wir untersuchen." Ebenso wie die Frage, ob die Seevögel tatsächlich "gelernt" haben, dass sich Makroplastik - weil langlebig und witterungsbeständig - besser für den Nestbau eignet als Großalgen. "Wir wollen herausfinden, ob die Tiere ganz gezielt nach Plastik suchen. Ich bin wirklich gespannt, was die Forschung ergeben wird."
Die hohe Öffentlichkeitswirksamkeit und die weitestgehend fehlenden Informationen zum Thema veranlassten die Gemeinde Helgoland glücklicherweise, die Arbeit von Elmar Ballstaedt mit einem vierjährigen Stipendium zu unterstützen. Weitere Kooperationspartner sind das Forschungs- und Technologiezentrum Westküste der Universität Kiel (FTZ), das Alfred-Wegener-Institut (AWI), das Institut für Vogelforschung "Vogelwarte Helgoland", die Naturschutzstiftung Jordsand sowie der Verein Jordsand.
Elmar Ballstaedt ist zuversichtlich, in den kommenden vier Jahren mit der Unterstützung, der finanziellen Grundlage und der Kompetenz der beteiligten Institutionen einen Schritt in die richtige Richtung zu machen: "Das Bewusstsein für den nachhaltigen Umgang mit Plastik nimmt immer weiter zu. Ich hoffe durch unsere Arbeit hier auf Helgoland können wir mit unseren erstmalig durchgeführten Untersuchungen einen kleinen Beitrag leisten, um der Verschmutzung der Weltmeere und in Seevogelnestern entgegen zu wirken".