Die Kläranlage Cuxhaven steht im Zentrum der Millionen-"Panne" bei EWE Wasser. Kalkulatorische Zinsen - erhoben für das auf der Anlage eingesetzte Eigenkapital - wurden über Jahre hinweg nicht angepasst. Foto: Adelmann
Die Kläranlage Cuxhaven steht im Zentrum der Millionen-"Panne" bei EWE Wasser. Kalkulatorische Zinsen - erhoben für das auf der Anlage eingesetzte Eigenkapital - wurden über Jahre hinweg nicht angepasst. Foto: Adelmann
EWE-Erstattung

Cuxhavener Rat entzweit sich an neuer Gebührensatzung

von Kai Koppe | 09.02.2019

CUXHAVEN. Dass die Abwassergebühr sinkt, findet naturgemäß jeder gut. Dennoch ist im Rat am Donnerstag ein heftiger Streit entbrannt. 

Dass eine seitens der EWE AG veranlasste Rückzahlung in Höhe von 9,3 Millionen Euro dem Gebührenzahler zugutekommen soll, stand dabei außer Frage. Kontrovers diskutiert wurde allerdings über Abrechnungsmodalitäten und über das Ansinnen der Konzerntochter EWE Wasser, nachträglich Investitionskosten aus Vorjahren geltend zu machen.

Die Fetzen flogen, nachdem der SPD-Fraktionsvorsitzende Gunnar Wegener der Bürgerfraktion "Die Cuxhavener" vorgeworfen hatte, gemeinsam mit der AfD eine gute Lösung "durcheinanderbringen" zu wollen. Wegener erinnerte Peter Altenburg ("Die Cuxhavener") wie auch den AfD-Ratsfraktionsvorsitzenden Anton Grunert daran, dass die Stadt mit der EWE Wasser im Jahr 2002 einen privatrechtlichen Vertrag geschlossen habe. "Zu hinterfragen, ob Ausgaben von 270 Euro für Briefmarken richtig sind, können Sie in diesem Beziehungsgeflecht nicht machen", sagte der SPD-Fraktionschef, nachdem Grunert die vom Entsorger ausgestellte Betriebskostenentgeltrechnung als "Black Box" kritisiert hatte. Den "Cuxhavenern" ging es am Donnerstagabend allerdings nicht nur um die seitens der AfD angemahnte Aufschlüsselung der gegenüber der Stadt geltend gemachten Kostenarten, sondern um eine Reihe von auf dem Gelände des Cuxhavener Klärwerks getätigten Investitionen. "Von Briefmarken reden wir nicht, sondern von insgesamt 12 Positionen", betonte Altenburg auf Kosten anspielend, mit deren Hilfe das Klärwerk in der Vergangenheit technisch auf Vordermann gebracht worden war. Einen Teil dieser Kosten macht die EWE Wasser GmbH als Neu-Investitionen geltend, wodurch sich das jährliche Betriebskostenentgelt um 680 000 Euro erhöhen würde. Obwohl die Rechtmäßigkeit dieser Forderung erst geprüft wird, berücksichtigt die Stadtverwaltung aus "betriebswirtschaftlicher Vorsicht" solche Zusatzkosten innerhalb der neu aufgestellten Gebührenkalkulation für das Jahr 2019. Für "Die Cuxhavener" ein Unding: "Diese Rückhaltungen sind gegen das Gebührenrecht", findet Altenburg, der darauf verwies, dass die dahinterstehenden Investitionen weder vorschriftsmäßig bei der Stadt angemeldet worden, noch wirklich "neu" (weil zum Teil schon vier Jahre alt) seien.

Vorwurf: "Luschiger" Umgang

Auf den Vorwurf, seine Fraktion wolle eine Verrechnung der über Gebühr kassierten Abwasser-Millionen verschleppen, griff der "Cuxhavener"-Fraktionschef Rüdiger Kurmann seinen SPD-Ratskollegen direkt an: "Sie tragen auch die Verantwortung dafür, dass die Zusammenarbeit mit der EWE extrem luschig gelaufen ist", wandte sich Kurmann an Wegener. Um wie viel Euro es unter dem Strich gehe, sei egal: Was zähle sei hingegen: "Die Bürger fühlen sich betroffen!"

Das Gebot der Stunde sei, Aufklärung zu betreiben, ergänzte kurz darauf Grünen-Fraktionschef Bernd Jothe. Jothe stellte die Frage in den Raum, ob die Ratspolitik "zu unkritisch" agiere und räumte ein, dass der Stadtrat (Stichwort: Kontrolle bestehender Verträge) "offenbar auch etwas nicht richtig gemacht" habe. Eine Bürgerversammlung, die vom OB einberufen wird, könnte seiner Meinung dazu beitragen, Vertrauen, das im Zusammenhang mit der EWE-Affäre möglicherweise verspielt wurde, zurückzugewinnen.

Rückzahlung wird verrechnet

Aus Sicht des CDU/FDP-Gruppenvorsitzenden Thiemo Röhler sind die oben dargestellten Vorwürfe geeignet, Zweifel zu wecken, die gar nicht begründet sind. "Ich bin erschüttert, was hier so zum Besten gegeben wird", sagte Röhler und sprach von politischem Klamauk. Zweifelsfrei sei mit dem Rechenfehler des Entsorgers "etwas passiert, was nicht hätte passieren dürfen". Allerdings habe der Mutterkonzern die besagten 9,3 Millionen Euro rücküberwiesen. Und mit dem am Donnerstag schließlich mit sieben Gegenstimmen und zwei Enthaltungen gefällten Beschluss über eine Neufassung der Gebührensatzung sorge der Rat dafür, dass "das Geld, das der Bürger zu viel gezahlt hat, an den Bürger zurückfließt".

Weil das Gebührenrecht eine direkte Rückzahlung nicht kennt, muss die Kompensation (wie mehrfach dargestellt) auf dem Verrechnungsweg erfolgen. Das bedeutet, dass die Kosten für die Schmutzwasserentsorgung im laufenden Jahr 2019 auf einen Betrag von 2,50 Euro pro Kubikmeter (vormals 3,57 Euro) sinken werden. Für die Oberflächenentwässerung berappen Bürgerinnen und Bürger rückwirkend zum 1. Januar nur noch 21 Cent pro Kubikmeter (statt 24 Cent). Unter dem Vorbehalt möglicher Zinsschwankungen und eventuell zu berücksichtigender Investitionen soll dieses Gebührenniveau über drei Jahre hinweg gehalten werden, wodurch dann die angestrebte "Entschädigung" des Gebührenzahlers erreicht würde.

Cuxhavens Oberbürgermeister Ulrich Getsch hatte, als er besagtes Modell am Donnerstag in der Stadtratssitzung vorstellte, zur Eile gemahnt. "Wichtig ist, dass wir das heute Abend beschließen, damit die Wasserverbände nicht Bescheide mit 3,57 Euro rausschicken, sagte Getsch, der darauf hinwies, dass die am 20. Dezember auf dem Stadt-Konto eingegangene Millionen-Rücküberweisung nicht so selbstverständlich ist, wie manche vielleicht meinen. "Ich will da nicht Danke dafür sagen", so Getsch, "aber die EWE hätte auch Verjährung geltend machen können. Insofern ist das ein relativ faires Verhalten."

Stadt entdeckte weiteren EWE-Fehler

Nichtsdestotrotz hatte der Entsorgungsdienstleister zwischenzeitlich offenbar bereits einen neuen Bock geschossen, der im Rathaus allerdings rechtzeitig erkannt wurde. "Herr Pietsch (Leiter der städtischen Wasserbehörde, die Red.) hat einen Fehler bei der Aufteilung der Mittel entdeckt", erklärte der Oberbürgermeister: Da die Stadt zwar der Haupt-, aber nicht der alleinige Nutzer der Cuxhavener Kläranlage ist, dürfen Investitionskosten nur zu 75 (und nicht zu 100) Prozent auf sie umgelegt werden. Konsequenz aus dieser neuerlichen Panne sei, dass die Stadtverwaltung "keine weitere Zahl von EWE Wasser akzeptiert", ohne dass sie zuvor in Oldenburg geprüft worden sei. Eine Neufassung des Vertrages zwischen der EWE und der Stadt (von der AfD gefordert, aber mehrheitlich abgelehnt), hält Getsch allerdings nicht für zielführend: Am Ende könnte das zu wesentlich schlechteren Konditionen und somit zu einer Mehrbelastung für Bürgerinnen und Bürger führen.

"EWE hat eine Bringschuld", betonte am Donnerstagabend auch CDU-Ratsherr Enak Ferlemann, der andererseits bestrebt war, die Wogen ein wenig zu glätten. Er verwies dabei auch auf die Leistungsfähigkeit der Cuxhavener Kläranlage. Beispiel: Die Cuxhavener Fischwirtschaft habe zwar die Menge der dorthin abgeleiteten Abwässer reduziert; die Belastung derselben sei allerdings gestiegen. Und trotzdem könne man das geklärte Wasser, das in die Elbe eingeleitet werde, am Ende trinken, so Ferlemann. "Ich hab's selbst gemacht!"

Hintergrund

Ende 2018 hat die EWE AG bekannt gegeben, dass ihre Tochter EWE Wasser wegen eines Zinsfehlers seit 2008 insgesamt 9,3 Mio. Euro zu viel für die Abwasserreinigung verlangt hat. Vertragspartnerin der EWE Wasser ist die Stadt. Weil die überteuerten Betriebskostenentgelte über die Gebührensatzung auf den Verbraucher umgelegt werden, ist der Bürger als "Hauptgeschädigter" anzusehen. Über eine Rückzahlung aus dem Hause EWE und mithilfe der aktuell verabschiedeten neuen Gebührensatzung soll der Schaden reguliert werden.

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Redakteur
Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

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