
Realschule Cuxhaven: Ukrainische Jugendliche treffen Kultusminister Grant Hendrik Tonne
CUXHAVEN.Was sie am 24. Februar getan haben, wissen die meisten ukrainischen Jugendlichen, die dem niedersächsischen Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) in der Realschule Cuxhaven gegenübersitzen, noch genau.
Die Einschläge, der aufsteigende Rauch, das Drängen der Mutter beim Nachhausekommen: Schnell die Sache zusammenpacken, wir müssen weg.
Bei manchen hat die Flucht zwei oder vier Wochen gedauert. Die Sorge um ihre zurückgelassenen Verwandten und Bekannten verlasse sie nie, berichten die Schülerinnen und Schüler. Viele ihrer Väter sind im Krieg.
Unmittelbarer, als es jede Nachrichtensendung oder jedes Gremium es könnte, berichteten ukrainische und deutsche Realschülerinnen und Realschüler am Montag dem Kultusminister und Cuxhavens Oberbürgermeister Uwe Santjer, was sich verändert hat und was heute ihre Lebenswirklichkeit ausmacht.
Lage ändert sich täglich
Die Realschule hat inzwischen 23 Sechst-, Siebt- und Achtklässler aus der Ukraine in ihren Reihen, die meisten von ihnen aus dem äußersten Osten, also dem besonders umkämpften Gebiet; eine Schülerin kommt aus Odessa. "Erstmal ankommen", diese Devise hat Schulleiter Hans-Christian Seebeck ausgegeben. Im Moment gehe alles unheimlich schnell.
Technik hilft unglaublich
Dass Lehrerin Tatjana Steinke, die auch gestern übersetzte, Russisch spricht, ist ein unheimlicher Vorteil. Doch auch die Möglichkeiten des Google-Übersetzers und anderer Programme machen Erstaunliches in der Kommunikation möglich möglich. "Wir finden es auch beängstigend, was in der Ukraine passiert, aber wir müssen uns gegenseitig unterstützen", finden die deutschen Mitschülerinnen und Mitschüler. Die Herzlichkeit, mit der sie in Cuxhaven im Gegensatz zur vorigen Großstadt aufgenommen worden seien, erwähnen einige der geflüchteten Jugendliche ausdrücklich.
Sorge begleitet sie durch jeden Tag
Dennoch begleiteten die Sorge um die Lage in der Ukraine und die Frage, wie lange es noch dauert und wann sie wieder nach Hause können, sie jeden Tag. Die Väter in der Ukraine und andere Verwandte sagten ihnen ausdrücklich, dass sie in der sicheren Umgebung bleiben müssten. So schauen einige doch schon in die Zukunft: Deutsch zu lernen, sei am allerwichtigsten - für den Moment, aber auch, um einen guten Abschluss zu machen und später mit wertvollen Sprachkenntnissen zurückzukehren. Alle Unis in der Ukraine, die sie für sich in Betracht gezogen habe, existierten ohnehin nicht mehr, bemerkt eine Schülerin.
"Die Bürger wollen keinen Krieg"
Die etwas älteren Jugendlichen bewerten die paradoxe Lage: Eigentlich hätten sie sich wie Brüder gefühlt. "Die normale Bevölkerung will keinen Krieg, weder in der Ukraine noch in Russland." Gemeinsam hätten sie im Zweiten Weltkrieg gegen Deutschland gekämpft, und plötzlich sei dies das Land, in dem sie Schutz fänden.
Wenn es nach Hans-Christian Seebeck, seiner Schulgemeinschaft und vielen Unterstützenden aus der ganzen Stadt geht, sind sie mit der Hilfe noch nicht am Ende. "Wir wissen nicht, wer noch kommt, aber auf zunächst mal 50 Schülerinnen und Schüler haben wir uns eingestellt", so Seebeck. Großzügige Sachspenden ermöglichten es, dass alle sich eine Schulausstattung aussuchen könnten. Aus dem Schulbestand habe allen ein iPad verliehen werden können, was Kommunikation und Lernen enorm erleichtere.
Viel Privatinitiative
Wohnraum gefunden haben die meisten über Privatinitiative: Über Verwandte, andere Privatleute oder auch Firmen im Hafen, deren Verwaltungen teilweise direkt in der Schule angerufen haben, um die Kinder anzumelden. Es gibt eine ganze Reihe ukrainischer Seeleute, die Cuxhaven kennen und bewusst ihre Familien hierher geschickt haben: "Für sie war Cuxhaven ein Ankerpunkt", erklärt Lehrerin Susanne Knaus.