
Schmiererei bei Praxis in Nordholz: Ärzte als "Massenmörder" verunglimpft
NORDHOLZ. Eine Schmähbotschaft, die Unbekannte über Weihnachten hinweg an einer Fassade anbrachten, zieht nun Ermittlungen nach sich.
Wer die Schmiererei zu verantworten hat, ist derzeit noch unklar. Auf der Hand scheint dagegen zu liegen, dass es Impfgegner waren, die zwei in einer Gemeinschaftspraxis in der Ortsmitte niedergelassene Mediziner als "Massenmörder" tituliert haben. Mittlerweile ermittelt die Polizei; formal geht es um Sachbeschädigung, die man zunächst einmal als Einschüchterungsversuch interpretieren kann.
Aufgrund der Lage zur Zielscheibe?
"Wir haben keine Angst." Was sie angesichts dieses Vorfalls fühle, sei eher mit dem Begriff Wut zu beschreiben, berichtet die Ehefrau eines in Nordholz niedergelassenen Arztes. An die Klinkerfassade der Praxis, die Rudolf Valentin mit einem Kollegen betreibt, hatten Unbekannte eine Schmähbotschaft gesprüht: "Impfarzt Massenmörder" steht dort - lesbar bereits, wenn man sich vom Parkplatz eines benachbarten Discounters in Richtung Bahnhof bewegt. "Das soll provozieren", glauben die Betroffenen, die sich erstmalig mit solchen Anfeindungen konfrontiert sehen und vermuten, dass die Praxis aufgrund ihrer Lage zur Zielscheibe von Impfgegnern geworden ist: Das Umfeld ist zur Einkaufszeit gut frequentiert, entsprechend hoch die Zahl der Passanten, die diese "Botschaft" lesen können.
"Glücklicherweise sind solche Vorkommnisse noch kein Trend": Thomas Spieker, Sprecher der niedersächsischen Ärztekammer, verurteilt jedwede Form von Bedrohung gegen Ärzte und medizinisches Personal, sieht den oben geschilderten Fall jedoch nicht als Sinnbild einer gesellschaftlichen Entwicklung. "Was wir aber erleben, ist, dass der Ton rauer wird", so der Ärztekammer-Sprecher über den Alltag und das Verhalten von Patienten in den Praxen.
Ärztebund warnt vor Radikalisierung
Beim Marburger Bund, zuständig für beamtete und für angestellte Ärzte, beobachtet man seit geraumer Zeit, dass die Hemmschwellen sinken. An diesem Phänomen wirke bei Weitem nicht jeden Impfgegner mit, schränkte Andreas Hammerschmidt, 2. Vorsitzender des Landesvorstands Marburger Bund Niedersachsen ein, es gelte wohl aber für Segmente der Szene: "Wir haben den Eindruck, dass sich diese Szene in Teilen radikalisiert", sagte Hammerschmidt wörtlich und sprach von einer "besorgniserregenden Entwicklung", die umso widersinniger sei, als dass Ärztinnen und Ärzte dafür da seien, zu helfen und Leben zu retten. Der Landesvorstandsvize wünscht sich deshalb Signale aus der Bevölkerung, die Berufskollegen den Rücken stärken. Unabhängig davon plädiert er dafür, Beleidigungen, Verbalattacken oder Drohungen konsequent zur Anzeige zu bringen.
Cuxhavener Polizei ermittelt
Wie die Cuxhavener Polizei bestätigte, haben die betroffenen Mediziner in Nordholz genau das getan. Nach den Worten eines Polizeisprechers geht es zunächst einmal um einen Fall von Sachbeschädigung: Anders nämlich als die in Cuxhaven registrierten Kreide-Parolen sei der Schriftzug an der Praxiswand mit Sprühfarbe aufgebracht worden. Nach eigener Auskunft misst die Polizei der Sache eine andere Bedeutung als einem landläufigen Graffito: "Letztendlich ist das hier schon etwas für den Staatsschutz."
Seitdem vor einem Jahr Impfstoff gegen das Corona-Virus verfügbar wurde, ist Dr. Klaus-Gerrit Gerdts aus Cuxhaven nahezu pausenlos in Stadt und Landkreis Cuxhaven im Einsatz - in Altenheimen, in Begegnungsstätten, in Schulen sorgen er und sein Team für, Erst-, Zweit- und Dritt-Impfungen. Auch zwischen den Jahren verordnet sich Dr. Gerdts keine Ruhe. Am Dienstag impft er zum Beispiel im Familienzentrum in Hemmoor.
Arzt: "So etwas ist Terror"
Der Mediziner geht sehr kommunikativ damit um und wirbt offensiv fürs Impfen. Das sei schließlich die einzige Möglichkeit, die Pandemie zu bekämpfen. Er zeigt Haltung. Über ihn und seine Frau, die ebenfalls als Impfärztin mit "auf Tour" ist, hat es verschiedentlich Berichte und Fotos sowohl in der Zeitung als auch den Online-Portalen unseres Medienhauses gegeben. "Gott sei dank" sei er noch nicht in den Fokus von Impfgegnern geraten und von Übergriffen auf Hab und Gut oder verbalen Attacken verschont geblieben, sagte er erleichtert. Was seinen Kollegen in Nordholz passiert ist, empfindet der Arzt als "furchtbar". Mehr noch: "So etwas ist Terror."