
So lang muss der Cuxhavener Banden-Boss in Haft
STADE/CUXHAVEN. Regungslos nahm der Hauptangeklagte das Urteil hin: Für viereinhalb Jahre muss der mutmaßliche Anführer der Cuxhavener Bande "Golden Brothers" ins Gefängnis.
Der 36-Jährige gab vor dem Landgericht Stade zu, mit Drogen gehandelt zu haben. Seine beiden Geschwister, die neben ihm auf der Anklagebank saßen, kamen glimpflicher davon.
Vor einem Jahr, am 14. Juni 2018, durchsuchten 170 Polizisten Räume und Wohnungen der mutmaßlichen Mitglieder der "Golden Brothers". Die Beamten stellten Beweismittel wie Drogen und Waffen sicher. Der 36-jährige Anführer der rockerähnlichen Gruppierung kam in Untersuchungshaft, wurde Ende Mai wieder auf freien Fuß gesetzt.
Nach insgesamt 22 Verhandlungstagen fällte die Zweite Große Strafkammer am Donnerstag das Urteil. Knapp zwölf Monate der viereinhalb Jahre Freiheitsstrafe hat der 36-Jährige bereits verbüßt. Nun wandert der Mann, der eigenen Aussagen zufolge auch eine Diskothek in Cuxhaven betrieben hatte, wieder hinter Gitter.
Außerdem werden 95 000 Euro eingezogen. In der Anklageschrift vor gut sechs Monaten war noch die Rede davon, dass der mutmaßliche Banden-Anführer mit Drogen-Deals mehr als 300 000 Euro eingenommen habe.
Doch einige der 28 Anklagepunkte konnten ihm vor Gericht nicht nachgewiesen werden. Der 36-Jährige hatte sich auch wegen Waffenbesitzes, Nötigung und Bedrohung verantworten müssen. Verurteilt wurde er letztendlich nur wegen des Handels mit Betäubungsmitteln in sieben Fällen. Bis zu 60 000 Euro soll der Hauptangeklagte mit einzelnen Deals verdient haben.
Marihuana, Kokain und Amphetamin habe der 36-Jährige laut Anklage verkauft. Dabei habe er als Zwischenhändler fungiert, der die Drogen zunächst einkauft und dann an weitere Drogendealer weitergibt. "Auf der Straße" habe er die Betäubungsmittel nicht verkauft.
Ausschlaggebender Punkt in der Verhandlung war der Hauptbelastungszeuge, der ehemalige Ehemann der Schwester des Hauptangeklagten. Er belastete die Angeklagten schwer. Der 40-Jährige berichtete in dem Verfahren, das sich über mehr als sechs Monate hinzog, von mehreren Drogen-Deals, die er beobachtet habe. Er habe in engem Kontakt zu der angeklagten Familie gestanden, bilanzierte Richter Berend Appelkamp.
Die Verteidiger appellierten, dem Zeugen nicht zu viel Vertrauen zu schenken, da er sich während der Verhandlung mehrmals widersprochen und in Lügen verstrickt habe. Der Richter erklärte, der Ex-Mann der Angeklagten habe die Erlebnisse konstant überzeugend geschildert. Zudem habe er sich erheblich selbst belastet: "Solche Geschichten denkt man sich nicht aus. Das hätte man niemals so erfinden können."
Den drei Angeklagten, die allesamt derzeit Sozialleistungen beziehen, wurde zugutegehalten, dass sie sich in mehreren Anklagepunkten geständig zeigten. Der Prozess - da waren sich Verteidiger und Richter einig - hätte auch das Doppelte oder Dreifache an Zeit in Anspruch nehmen können, hätten die Angeklagten kein Geständnis abgelegt und auf weiteren Zeugenaussagen bestanden. Doch der Hauptangeklagte habe einen Schlussstrich unter die Verhandlung ziehen wollen.
Die 32-jährige Schwester des Hauptangeklagten erhielt zwei Jahre auf Bewährung wegen des Drogen-Handels in fünf Fällen. Sie sei mehrmals daran beteiligt gewesen, Drogen wie Marihuana und Amphetamin zu verpacken und zu lagern.
Mit der mildesten Strafe kam der 34-jährige Bruder des Hauptangeklagten davon. Er wurde zu neun Monaten auf Bewährung verurteilt. Ihm sei laut Richter lediglich der Besitz und Konsum von Betäubungsmitteln nachzuweisen, nicht aber der Handel. Außerdem wurde ihm zugutegehalten, dass bei ihm lediglich Marihuana - eine weiche Droge - gefunden wurde und er sich wegen seiner Drogensucht bereits in Therapie befinde.
Negativ wirkte sich sein Vorstrafen-Register aus. Gleiches galt für den Hauptangeklagten. Zwei lange Listen mit Einträgen wie Diebstahl, Körperverletzung, Handel mit Betäubungsmitteln, Trunkenheit im Verkehr, Beleidigung und Widerstand gegen Beamte, versuchte Hehlerei, Hausfriedensbruch oder Raub verlas die Beisitzerin.
Die Taten hatten sich über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten gezogen und begannen schon im Jugendalter. Bislang ohne Vorstrafen war die Schwester der "Golden-Brothers"-Mitglieder. Der Hauptangeklagte hatte bereits eine Freiheitsstrafe von drei Jahren verbüßt.
Fünf Jahre Freiheitsstrafe hatte Staatsanwältin Frouwa Drücke nun gefordert. Dr. Jürgen Meyer, Verteidiger des mutmaßlichen Banden-Anführers, sprach sich für vier Jahre Haft aus. Am Ende entschied sich die Zweite Große Strafkammer des Landgerichts Stade für viereinhalb Jahre Haft für den Hauptangeklagten.
Während der Richter das Urteil begründete, schaute der 36-Jährige mehrmals seinen Rechtsanwalt an und zog beide Mundwinkel kurzzeitig leicht nach oben. Alle drei Angeklagten können gegen das Urteil Revision einlegen.