
Trotz Krankheit: Eltern im Kreis Cuxhaven bringen ihre Kinder in die Kita
KREIS CUXHAVEN. Ein Cuxhavener findet das Verhalten der Eltern - die kranken Kinder mit "Medikamenten vollzupumpen" - unverantwortlich.
Bei kleinen Kindern ist die Schnupfnase im Herbst fast schon programmiert. Eigentlich ist es dann das Beste, den Nachwuchs zu Hause gesund zu pflegen. Doch immer häufiger kommt es vor, dass Eltern ihre Kinder mit Fiebersenkern intus und krank in die Kita bringen. Jetzt hat sich der Ehemann einer Erzieherin, der anonym bleiben möchte, bei unserer Redaktion beschwert.
Es ist früh morgens, aus dem Kinderzimmer ertönt ein leises Husten. Kurze Zeit später steht fest: Das Kind ist krank, es hat Fieber und muss zu Hause bleiben - eigentlich. Wäre da nicht die Arbeit und die Tatsache, dass sich daheim niemand um das Kind kümmern kann. Also was tun?
Vor diesem Problem stehen in der aktuellen Erkältungszeit viele Eltern, schildert ein Familienvater aus Cuxhaven. "Berufstätige Eltern wissen nicht wohin sie mit ihren Kindern sollen, wenn diese krank sind", betont er.
Aufgrund der Corona-Pandemie haben viele Eltern keine Urlaubstage mehr und fürchten um ihren Job, wenn sie wegen eines erkrankten Kindes zu Hause bleiben müssen. In diesem Jahr wurde die Anzahl der Kinderkranktage zwar von 20 Tagen pro Elternteil und Kind auf 30 Tage erhöht, wie die Bundesregierung mitteilte, durch die Corona-Pandemie seien diese aber überwiegend aufgebraucht.
Das habe zur Folge, dass sie ihren Nachwuchs mit "Medikamenten vollpumpen" und in die Kita bringen. Durch die unterdrückten Symptome falle dies zunächst nicht auf. "Dadurch stecken sich alle anderen an", fährt er fort. Seine Frau, die Erzieherin in einer hiesigen Kita ist, sei deshalb häufig krank. Das Verhalten der Eltern findet der Cuxhavener unverantwortlich.
"Starkes Spannungsfeld"
"Das ist ein starkes Spannungsfeld", erklärt Helle Vanini, Geschäftsführerin des Paritätischen Cuxhaven. Sie kann die teilweise schwierige Situation der Eltern nachempfinden: Wer alleinerziehend und in prekären Arbeitsverhältnissen beschäftigt sei, dem drohe eine Kündigung bei vielen Fehlzeiten. Ein Kind deswegen mit Medikamenten "vollzupumpen" und in die Kita zu schicken, sei allerdings nicht tragbar. Vanini betont: "Fällt das auf, bitten wir die Eltern, das Kind sofort abzuholen." Die entsprechende Abwesenheit sei allerdings nicht nur für Arbeitgeber schwierig: Es entstehe eine Lücke, wenn Polizeikräfte, Handwerker oder medizinisches Personal nicht zur Arbeit erscheinen.
"Das Problem ist vielschichtig", so Vanini. Neben der besonderen Pandemie-Situation trage außerdem der Wandel der Gesellschaft dazu bei, dass sich das Familienumfeld verändert hat. Vanini erklärt: "Viele Großeltern sind berufstätig."
Auch haben manche Eltern keine Verwandtschaft in der Nähe, die in schwierigen Situationen einspringen können. Für den Krankheitsfall eines Kindes fehle so eine Zwischenlösung. "Man kann nicht sagen, dass es die Guten und die Bösen gibt", findet die Geschäftsführerin.
Derselben Meinung ist auch Joachim Büchsenschütz, Abteilungsleiter DRK-Kindertagesstätten: "Man kann nicht sagen, jemand ist schuld." Es herrsche eine schwierige, angespannte Situation, ob in den Kitas, bei den Ärzten oder den Eltern. Büchsenschütz fährt fort: "Alle sind extrem gestresst." Das sei vor allem ein Resultat des Teufelskreises der Corona-Situation. Dazu komme ein Fallzahlen-Anstieg des Respiratorischen Synzytial-Virus, einem häufigen Auslöser für Erkältungskrankheiten bei Kindern.
"Nicht der Regelfall"
"Viele Kinder, aber auch Erzieher waren in letzter Zeit erkrankt", erklärt der DRK-Abteilungsleiter. Das sei auch auf das Langzeit-Maskentragen und dadurch fehlende Abwehrkraft zurückzuführen, so Büchsenschütz.
Es komme unabhängig davon immer wieder vor, dass Eltern ihren Kindern Medikamente geben, damit sie diese in die Kita bringen können. "Das ist aber nicht der Regelfall", betont Büchsenschütz.
Christiane Zimmermann, Leiterin der katholischen Kindertagesstätte St. Marien in Cuxhaven, kann dies nicht feststellen: "Nach unserer Erfahrung gehen die Eltern mit der Situation verantwortungsvoll um." Das sei auch während der gesamten Coronazeit so gewesen. Sie betont abschließend: "Bei auftretenden Erkältungen handeln wir schnell."