
Kinder als Schutzschilde: So bewertet die Polizei Cuxhaven die Anti-Corona-Versammlungen
CUXHAVEN. Die Polizei Cuxhaven hat die Versammlung von Maskenverweigerern auf dem Cuxhavener Kaemmererplatz am Sonntag bewertet und sich auch zu den Vorwürfen der angeblichen "Polizeigewalt" geäußert.
Nichts, was am Sonntag bei der nicht angemeldeten Versammlung von Maskenverweigerern auf dem Kaemmererplatz passiert ist, war zufällig. Davon geht die Polizei Cuxhaven nach der Bewertung des Geschehens aus.
Als aufschlussreich haben sich dabei insbesondere einige Videos aus den sozialen Netzwerken ergeben. Wobei solche Videos immer nur einen Teil des Geschehens abbilden würden und bewusst zur Veröffentlichung ausgewählt würden, gibt Arne Schmidt, Leiter der Polizeiinspektion Cuxhaven, zu bedenken.
Grundstimmung aggressiv
Insgesamt habe es sich um ein "noch undramatisches" Geschehen, aber eines mit großer Signalwirkung gehandelt, so Schmidt. Die Grundstimmung sei sofort aggressiv gewesen, nachdem die Polizei die Gruppe nahe der Brücke an der Stadtbibliothek das erste Mal angesprochen habe. Eine Polizeibeamtin sei angegangen worden; Personen hätten sich geweigert, Masken aufzusetzen oder ihre Personalien anzugeben.
Verhältnismäßigkeit wahren
Bewusst hätten die Beamten während des rund 90-minütigen Einsatzes trotz offener Provokationen auf Deeskalation gesetzt: Zum einen wegen der in der Versammlung mitlaufenden Kinder und Jugendlichen. Zum anderen mit Blick auf die Verhältnismäßigkeit: Verstöße gegen Corona-Anordnungen seien nur Ordnungswidrigkeiten. Darüber hinaus genieße das im Grundgesetz verankerte Versammlungsrecht einen sehr hohen Stellenwert; auch bei den derzeit geltenden Corona-Regeln.
Verordnungen könnten unter Umständen spontane Ansammlungen wie Zusammentreffen mit zu vielen Menschen beim Spazierengehen am Deich stark einschränken. Eine Versammlung genieße sehr viel höheren Schutz.
Schlüsselszene auf dem Deich
Als sich die Polizei nach mehrmaligem Ignorieren ihrer Ermahnungen zum Abbruch der Veranstaltung auf der Deichkrone in der Deichstraße entschloss, den Umzug nun zu stoppen, kam es zu einer Schlüsselszene: Als er das dabei entstehende Handgemenge bemerkte, eilte ein zu dem Zeitpunkt leicht abseits stehender Mann (gegenüber der Polizei gab er sich als Versammlungsleiter aus) heran, griff den Arm eines allein im Geschehen stehenden Kleinkinds und zog es noch tiefer in das Getümmel hinein.
Szenen werden geplant
Ein Vorgehen, das von so genannten "Querdenker"-Demos in Deutschland bekannt ist: Kinder werden gezielt in der ersten Reihe als Schutzschild eingesetzt in der Absicht, spektakuläre Bilder zu erzeugen. "Es sollten Polizeiaktionen provoziert werden", so auch Schmidts Überzeugung.
"Nicht mal Anfangsverdacht"
Einem mit dem Hashtag "Polizeigewalt" geposteten Video, bei dem ein Minderjähriger von angeblichen Schlägen durch einen Beamten berichtet, ist die Polizei ebenfalls nachgegangen. "Es besteht nicht mal der Anfangsverdacht einer Straftat", so der Polizeichef. Die Situation sei genau analysiert worden: Mit der Ansage, dass der Umzug hier nun nicht weitergehe, habe die Polizei eine polizeiliche Anordnung ausgesprochen. Dabei sei auch der Minderjährige mit zulässigen Mitteln aufgehalten worden - "Festhalten, Wegdrücken - dazu ist die Polizei in einer solchen Situation berechtigt."
Auch Reichsbürgerszene
Auffallend war für die Polizei die sehr heterogene Zusammensetzung der Gruppe, in der sie Teile der Reichsbürgerszene, strafrechtlich bereits in Erscheinung getretene Personen und Vertreterinnen und Vertreter der bürgerlichen Zivilgesellschaft feststellte: "Menschen, die sonst eigentlich nicht zusammentreffen würden."
"Es ist zulässig, seine Meinung öffentlich und auch in Versammlungen zu äußern", stellt Arne Schmidt klar. "Das bedeutet aber nicht, dass man Regeln nicht einhalten muss und behördliche Anordnungen ignorieren darf." Wer dazustoße, solle sich außerdem Gedanken machen, mit wem er da Seite an Seite laufe und ob er deren Ziele wirklich teile.
Polizei bereitet sich vor
Für die kommenden Wochenenden sei die Polizei im übrigen gewappnet: "Wir werden die Einhaltung der Beschränkungen und Auflagen weiter überwachen." Dabei sei sie in Kontakt mit der Unteren Versammlungsbehörde (der Stadt Cuxhaven) und dem Landkreis Cuxhaven.
Wie viele Ordnungswidrigkeitenanzeigen dem Einsatz folgen werden - dafür ist der Landkreis zuständig -, vermochte der PI-Leiter nicht zu sagen. Auch nicht, wie die Instrumentalisierung des Kleinkindes rein rechtlich zu bewerten ist. Zumindest seien Eltern verpflichtet, dafür zu sorgen, dass ihr Kind keinen Schaden nehme. Die Ermittlungen seien für die Polizei noch nicht abgeschlossen. Dazu gehöre auch die Auswertung öffentlich zugänglicher Inhalte im Netz.