Voß-Preis für Ex-Minister Genscher

17.05.2009

Otterndorf. Eines der Erfolgsgeheimnisse im bewegten politischen Leben Hans-Dietrich Genschers war seine berüchtigte oder berühmte Omnipräsenz, wie der Ex-Bundesinnenminister und heutige DRK-Präsident Rudolf Seiters zu Beginn seiner Laudatio an den diesjährigen Voß-Preisträger bemerkte.Das Genschersche Gesetz der so genannten Bilokation, der gleichzeitigen Anwesenheit an zwei Orten, kam am Sonnabend in Otterndorf nicht zum Tragen. Denn die liberalste Stadt Deutschlands, so FDP-Urgestein Hermann Gerken, seit Jahrzehnten Bürgermeister der Stadt, hatte den legendären Politiker ganz für sich eingenommen, um ihm die Ehre mit einer Festveranstaltung in den Seelandhallen zu erweisen. Der 82-jährige Genscher erhielt den vierten Johann-Heinrich-Voß-Preis, dotiert mit 10 000 Euro, in Würdigung seiner großen Verdienste um die deutsche Einheit und sein konkretes, engagiertes und kluges Wirken, das die freiheitlichen, humanistischen und aufklärerischen Gedanken des Dichters und Homer-Übersetzers Voß (1751 - 1826) Wirklichkeit werden ließ, wie Jury-Mitglied Hans-Volker Feldmann in der Begründung der Jury zur Preisverleihung erklärte. Genscher stiftet das Preisgeld der Deutschen Herzstiftung, deren Schirmherrin seine Frau Barbara seit 20 Jahren ist. Der Voß-Preisträger des Jahres 2009 sei, so Landrat Kai-Uwe Bielefeld in seiner Ansprache, einer der maßgeblichen Mitgestalter der Deutschen Einheit aber auch eine herausragende Persönlichkeit der Zeitgeschichte. Wohlgelaunt und in bester körperlicher und geistiger Frische erlebte der Vollblutpolitiker, der an diesem Tag vor genau 35 Jahren zum Außenminister ernannt wurde, den Festakt, plauderte anschließend bei einem kühlen Bier mit den anwesenden Gästen und schrieb geduldig Autogramme. Genschers Humor und sein nie versiegender Vorrat an Geschichten aus seinem reichen Leben als Chefdiplomat der Bundesrepublik sind auch Ausweis seines Verständnisses von Politik. Politik vollzieht sich nach denselben Gesetzen wie das menschliche Leben. Nur ist sie öffentlich, sagte er, als er sich im historischen Rathaus ins Goldene Buch der Stadt eintrug, nachdem er zuvor mit großem Interesse das Voß-Haus mit der Sammlung besichtigt hatte.

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