Wahrer Ansturm auf Dr. Frauke Dettmers Vortrag in Cuxhaven
CUXHAVEN. Der Andrang war groß. So groß, dass viele schon am Eingang zur Stadtbibliothek wieder weggeschickt werden mussten.
Grund für die so von den Veranstaltern wohl nicht erwartete Resonanz war der Vortrag Dr. Frauke Dettmers über jenes berühmte Anprangerungsfoto, das am 7. Juli 1933 in Cuxhaven aufgenommen wurde und um die Welt ging. Seine Entstehung und Wirkung waren wie der den NS-Terror vorbereitende "Boden" Thema des Vortrags der Historikerin.
Frauke Dettmer forscht seit mehr als drei Jahrzehnten über die Geschichte der Cuxhavener Juden. Ihre Dissertation "Juden im Amt Ritzebüttel und der Stadt Cuxhaven" erschien 1991 als Buch unter dem Titel "Juden in Cuxhaven", mit Unterstützung des Fördervereins Cuxhaven e.V.. Letzterer ermöglichte auch die Publikation "Cuxhavener Juden 1933 bis 1945" aus dem Jahre 2011, in der die Historikerin anhand neuer Quellen und erstmals zugänglicher Akten das weitere Schicksal der Cuxhavener Juden nachzeichnen konnte. Über die Geschichte des berühmten Bildes hat Frauke Dettmer aus Anlass der "Stolperstein"-Verlegung für Oskar Dankner dann noch einmal im "Jahrbuch 91" (2012) der Männer vom Morgenstern eine bis dahin umfangreich Erforschtes veröffentlicht.
"Und es geht immer noch weiter", sagte die gebürtige Cuxhavenerin und in Rendsburg lebende Historikerin am Montagabend in der Stadtbibliothek. Man denke, nun sei alles ausgeforscht und doch gebe es immer wieder neue Quellen. Dazu gehören auch Nachrichten über die weiteren Lebensläufe derer, die sich durch frühe Emigration haben retten können. Und manchmal sind es dann ihre Enkel, zu denen Frauke Dettmer Kontakt aufnehmen kann.
Das um die Welt gegangene Anprangerungsfoto und seine Geschichte ist für die ehemalige Kuratorin und Leiterin des Jüdischen Museum Rendsburg über Jahre immer wieder ein besonderes Thema gewesen und ist es noch. Erstmals veröffentlicht im "Stürmer", dem Hetzblatt der Nazis, zeigt es den jüdischen Kinobesitzer Oskar Dankner und seine junge arische angebliche "Mätresse" (wofür es bis heute keine Beweise gibt) Adele Edelmann mit umgehängten, sie diffamierenden Schildern, eingerahmt von Männern der Cuxhavener Marine-SA vor dem Haus der Kreisleitung am Strichweg. In Guido Knopps "Die großen Fotos des Jahrhunderts. Bilder, die Geschichte machen" (München 1994) und vor allem in der gleichnamigen Fernsehdokumentation wird dieses Bild dann erst richtig und vor allem nachhaltig in das Bewusstsein der Nachfolgegeneration treten und eine Unzahl von Fragen auslösen.
Wie auf einer Bühne
Nicht nur in Cuxhaven, aber dort ganz besonders. Denn die Täterpersonen auf dem Foto haben hier gelebt, lebten in einem Fall zur Zeit der Fernsehdokumentation noch in Cuxhaven. Und es gab damals noch Zeitzeugen, die die Treibjagd der beiden Opfer durch Cuxhavens Straßen selbst miterlebt beziehungsweise davon gehört hatten. Die Mitglieder des Rollkommandos, die ihre Opfer wie auf einer Bühne präsentieren, waren namentlich bekannt. Vor allem diese Tatsache war es später, dass sich die bis in die 1970er Jahre erscheinenden anfangs drei, dann zwei Cuxhavener Tageszeitungen für eine Veröffentlichung des Fotos nicht bereit fanden. Im Grunde genommen bis hinein in die 1980er Jahre.
Und wenn das Foto nach dem Krieg in manchen Publikationen, auch Büchern immer wieder einmal im Zusammenhang mit einem ganz anderen Ort auftauchte, gab es so manchen Cuxhavener, der genau daran nicht rührte, obwohl er oder sie ganz genau wussten, wo das Foto gemacht worden war. Stets waren es die Namen der Täter, die man schützen wollte. Dr. Frauke Dettmers Vortrag, der im ersten Teil am Beispiel Cuxhavens den Fokus insbesondere auf den frühen NS-Terror richtete, nannte in diesem Zusammenhang Namen von Tätern und Opfern. Das Leiden der Letzteren begann mit den unmittelbar nach der Machtergreifung erlassenen Verordnungen und Gesetzen, Cuxhavens jüdische Mitbürger oder auch Gegner des Nationalsozialismus wie den Wilhelm Heidsiek, den Schriftleiter der Zeitung "Alte Liebe", unter enormen Druck setzten, ihnen das Wasser zum Leben abgruben.
Vortrag wird wiederholt
Mit einer Fülle von aufschlussreichen Details, mit Namen und Informationen zu Opfern und Tätern, vieles nachzulesen in den Publikationen der Historikerin, gab Frauke Dettmer ihren Zuhörern umfassende Einblicke in das Geschehen jener Zeit in Cuxhaven und in die Geschichte des berühmten Fotos.
Die von Stadtarchivar Friedhelm Gleiß initiierte Vortragsveranstaltung, unterstützt von der regionalen Arbeitsgruppe "Gegen Vergessen - Für Demokratie" soll wegen der so starken Nachfrage nach den Sommerferien wiederholt.
Von Ilse Cordes