"Nicht viel zu spüren": Warum der Frauenfußball-Hype im Kreis Cuxhaven nicht ankommt
Während die Frauen-EM in der Schweiz für Begeisterung sorgte, bleibt der Hype im Kreis Cuxhaven aus. Trotz toller Leistungen der Nationalmannschaft kämpfen lokale Vereine mit Nachwuchsmangel und strukturellen Herausforderungen. Woran das liegt.
Die Fußball-Europameisterschaft der Frauen in der Schweiz sorgte für Rekord-Einschaltzahlen. In der ganzen Republik machte sich ein Hype um unsere Nationalmannschaft breit. Doch wie sieht es im Kreis Cuxhaven aus?
In den Ferien wird bei den meisten Vereinen nicht trainiert. Doch der NFV-Kreisvorsitzende Thorsten Holz weiß, worüber er spricht. "Von einer Euphorie war und ist bei uns im Kreis nicht viel zu spüren. Das war schon nach der letzten Fußball-EM so, als wir erst im Finale von den Engländerinnen gestoppt wurden. Es gibt nur wenige Vereine im NFV-Kreis Cuxhaven, die Frauen- oder Mädchenmannschaften haben und wenn, dann wird größtenteils mit 9er-Teams gespielt, da es nicht so viele Aktive für einen normalen Kader gibt. Generell ist es schwierig, den Spielbetrieb aufrechtzuerhalten. Wenn es gut laufen würde, dann würden wir nicht mit so vielen 7er- und 9er-Teams agieren, sondern Großfeldmannschaften an den Start bringen."

Die Einschätzung ihres Mannes teilt seine Frau Kirsten, die kommissarische Jugendausschussvorsitzende und Kreismädchenreferentin ist. "Es gibt Beispiele wie BöLaHe, wo die Trainerin mit ihren Mädels zu den Länderspielen unserer Damen-Nationalmannschaft fährt, die in der Nähe ausgetragen werden. Jetzt ist ja Sommerpause und frühestens Ende August oder Anfang September können wir sehen, ob es irgendwelche positiven Auswirkungen der EM gegeben hat. Was mir auffällt: Da wir wenig Mädchenteams haben, fangen immer mehr Mädchen in Jugendmannschaften an zu kicken. Das können sie ja auch bis inklusive A-.Jugend machen."

Thorsten Holz ergänzt. "Da die Anzahl der Mannschaften in den jeweiligen Altersklassen der Juniorinnen zu wenig für eine vernünftige eigene Spielrunde darstellen, haben wir in einem gemeinsamen Spielbetrieb mit dem Fußballkreis Stade unsere Juniorinnen-Teams ab der E-Jugend in deren Ligen integriert (die jüngeren Teams spielen bei uns im Kinderfußball mit). Stade stellt die höhere Anzahl an teilnehmenden Vereinen, daher obliegt die Staffelführung dem Kreis Stade. Da wir bei den Frauen aufgrund der Meldungen, die meisten Teams haben 9er- bzw. 7er-Spielbetrieb gemeldet, keinen 11er-Spielbetrieb anbieten können, haben wir der SpVgg Bison sowie der SG Hollen/Lamstedt auch für die kommende Saison gestattet, in der Kreisliga beziehungsweise ersten Kreisklasse des Fußballkreises Stade mitzuspielen. Beide haben den ausdrücklichen Wunsch geäußert, aufgrund der hohen Zahl an Spielerinnen 11er-Feld zu spielen."
Eine Gesamteinschätzung der Situation im Frauenfußball nimmt der NFV-Kreisvorsitzende auch vor. "Insgesamt ist bei uns wie in so ziemlich allen Sportarten ein stetiger Rückgang zu verzeichnen, auch wenn man sich bei uns dafür wirklich die Kurven über viele Jahre anschauen muss. Es ist vor allem die Zahl der Mannschaften, die sich verringert. So ganz umkehren lässt sich dieses eher gesamtgesellschaftliche Thema wohl nicht, aber mit verschiedensten Maßnahmen wie z.B. Flexibilisierung und Augenmerk auf Qualifizierung wird versucht, dem entgegenzuwirken." Holz betont, dies sei die große Aufgabe vom DFB bis runter zu den Kreisen, den Fußball attraktiv zu gestalten. Der Erfolg der Nationalmannschaften spiele da eine große Rolle, und auch die Werbung, die der DFB für den Fußball schaltet, sei ein Baustein. "Wenn es dort geschafft wird, Begeisterung zu wecken, dann ist es an uns und den Vereinen, entsprechende Angebote vorzuhalten. Die Qualität dieses Angebotes in unseren Vereinen von Infrastruktur bis hin zur Qualifikation der ÜbungsleiterInnen, aber auch die Arbeit der Leistungszentren und Profivereine, welche wiederum durch die Arbeit mit unseren Talenten die Qualität unserer Nationalmannschaften entscheidend mitbestimmen, dies alles sind wichtige Faktoren. Der Erfolg unserer Sportart hängt also an ziemlich vielen Ebenen, vom einfachen Ehrenamt vor Ort über die Politik bis hin zum Profibereich."

Seiner Meinung nach hat sich der professionelle Frauenfußball toll entwickelt, insbesondere die Frauen-Nationalmannschaft zeige klasse Leistungen und gibt sich auch neben dem Platz (über Social Media) sehr sympathisch, was junge Fußballerinnen ansprechen könnte. "Die Begleitung durch die Medien, was die Übertragung der Spiele angeht, ist herausragend. Leider hat diese EM aber auch gezeigt, dass wir uns aktuell nicht ganz vorn platzieren können. Die Gründe wird man beim DFB analysieren, vielleicht sind es die oben angesprochenen Faktoren. Aus der Erfahrung wissen wir ja, dass es immer Titel und Medaillen sind, die den Boost für die jeweilige Sportart ausmachen. Insofern hätte ein noch erfolgreicheres Abschneiden sich vielleicht auch noch eher bemerkbar gemacht. Genaues werden wir aber erst wieder mit den nächsten Mitgliederzahlen wissen."
Bei den C-Mädchen vom JFV Cuxhaven war wegen der Fußball-Europameisterschaft der Frauen keine Euphorie vorhanden. "Wir haben das eine oder andere Spiel geschaut. Aber auch nicht alle Partien", meinen Dalia, Eleni, Ameli, Finja und Skeila, alle im Alter von 12 bis 15 Jahren. Die EM war ihnen letztendlich relativ egal. Sie lieben ihren Sport dennoch, auch wenn mal Jungs aus der Parallelklasse meinen, abfällige Bemerkungen machen zu müssen. "Wir können Fußball spielen und gehen auf den Platz, um zu gewinnen!"

Americo Pinho und Raquel Lacerda Fernandez trainieren die C-Mädchen. "Ich spiele selbst bei der Frauen-Mannschaft des FC Cuxhaven. Manchmal nehme ich Mädchen aus meinem Team zu Bundesliga-Spielen der Frauen mit ins Stadion", sagt Raquel Lacerda Fernandez. Sie liebt ihren Fußballsport, das merkt man schnell. Americo Pinho war lange im Herrenbereich als Trainer tätig, viele kennen ihn noch aus seinen eigenen aktiven Zeiten. "Ich finde, dass Frauenfußball unterbewertet wird. Da sollte es in allen Bereichen Gleichberechtigung geben!" Er sieht aber auch eine andere Entwicklung, die durchaus Sorge bereiten könnte. "Meine Mädchen wollen auch bei den Jungen spielen, da sie dort mehr gefordert werden. Daher muss mein Team möglichst freitags spielen, damit die Mädels am Sonnabend auch bei den Jungs zum Einsatz kommen können."