
Von Midlife-Crisis auf Rennstrecke: Hechthausener mit 40 Jahren auf der Überholspur
Der Hechthausener Jochen Mader lebt seinen Traum im Motorrad-Rennsport. Ohne heimische Rennstrecken erfährt er sich einen Platz in der bekanntesten Amateur-Rennserie Deutschlands. Doch der Weg hierher war alles andere als gewöhnlich.
Wenn Jochen Mader seinem Sport nachgehen will, kann er nicht einfach auf den Sportplatz oder ins Fitnessstudio gehen. Er braucht mehr: Asphalt, Motorenlärm, Geschwindigkeit. Denn Jochen Mader ist Motorradrennfahrer. Doch in der hiesigen Region gibt es weit und breit keine einzige Rennstrecke. Trotzdem hat sich der 40-Jährige seinen Platz in einer der bekanntesten Amateur-Rennserien Deutschlands erkämpft.
Dabei begann alles - wie Jochen Mader selbst sagt - mit einer "Midlife-Crisis". 2019 verschlug es den gebürtigen Reutlinger nach Hechthausen. Ein Jahr später machte er seinen Motorradführerschein. Vorher hatte er zwar auf Mofa, Mountainbike und BMX gesessen, kam aus einer motorsportbegeisterten Familie - doch der Weg auf die Rennstrecke kam spät. Erst durch regelmäßige Touren mit einem Freund kam die Idee, auf einer Rennstrecke zu fahren. "In Oschersleben habe ich dann an meinem ersten Trackday teilgenommen. Man lernt sein Motorrad ganz neu kennen. Das kann ich jedem nur empfehlen." Trackdays sind übrigens geführte Veranstaltungstage, bei der man auf einer Rennstrecke sein Fahrkönnen verbessern kann.
Teilnahme an Trackdays im In- und Ausland
Was als Experiment begann, entwickelte sich zur großen Leidenschaft. "Auf der Rennstrecke ist man in einem Zustand absoluter Fokussierung. Manche machen das beim Yoga - ich beim Motorradfahren." Jochen Mader fühlte sich sofort wohl: mit der Maschine, mit der Geschwindigkeit, mit dem Gefühl, an die Grenzen zu gehen. Nach und nach investierte er in sein Bike, nahm an möglichst vielen Trackdays im In- und Ausland teil - und stieß schließlich auf die Twin-Cup-Klasse der Internationalen Deutschen Motorradmeisterschaft (IDM). Eine Rennserie speziell für Einsteiger und ambitionierte Hobbyfahrer. Ein Rennen sah er sich live an, ehe er sich viele Monate Zeit zum Überlegen nahm.
Erster Start lief nicht wie geplant
2023 ging der damals 39-Jährige als Gaststarter auf dem Hockenheimring an den Start - mit Respekt, viel Motivation und Aufregung: "Ich habe das Motorrad erstmal abgewürgt", erinnert er sich lachend. Beim zweiten Lauf lief es besser, und für 2024 war klar: Jetzt kommt die komplette Saison. In der Twin-Cup-Klasse misst er sich mit über 30 anderen Fahrern auf anspruchsvollen Strecken in Deutschland und den Nachbarländern.

Es kommt aufs fahrerische Können an
Die Serie erfreut sich wachsender Beliebtheit: Bis zu 30.000 Zuschauer besuchen die Rennen, zusätzlich werden sie im Internet übertragen. Gefahren wird zwischen Mai und September auf fünf Strecken und zwei Rennen pro Wochenende. Während der jeweils 16 Runden können Geschwindigkeiten von bis zu 220 km/h erreicht werden. "Aber um die Geschwindigkeit geht es gar nicht", sagt der mittlerweile 40-Jährige. "Es kommt aufs fahrerische Können an: Zum einen ist es die mentale Komponente, die den Reiz ausmacht. Zum anderen gehst du mit der Maschine ans Limit. Lotest die Grenzen der Physik aus. Es geht schräg in die Kurven, und dabei arbeitest du mit dem Motorrad. Es ist harte, körperliche Arbeit. Also ein Leistungssport wie jeder andere."
Kosten von über 20.000 Euro - pro Saison
Und der fordert ihn - auch im Winter. Während es sich andere auf dem Sofa gemütlich machen, trainiert Jochen Mader mit sogenannten Pitbikes - das sind kleine, wendige Motorräder. In Spanien und Italien ist dieses Training längst Standard, auch MotoGP-Größen wie Marc Márquez oder Valentino Rossi nutzten es zur Vorbereitung. Jochen Mader trainiert regelmäßig in Spanien und den Niederlanden - und fährt alle zwei Wochen in die Karthalle nach Bispingen. Ein teures Hobby. "Wenn die Saison gut läuft, also ohne Stürze, kostet sie etwa 20.000 bis 25.000 Euro", erklärt er. Die Summe setzt sich aus der Anschaffung des Bikes (rund 6.000 Euro), Reifen (ca. 3.000 Euro), Benzin, Ersatzteilen, Einschreibungen und Reisekosten zusammen.
Erste Saison auf Gesamtplatz 9
Trotz der immensen Kosten und des späten Einstiegs zieht Jochen Mader seinen Weg konsequent durch. 2024 beendete er seine erste volle Saison auf Platz 9 in der Gesamtwertung - eine Überraschung, auch für ihn selbst. Und er gehört zwar zu den ältesten Fahrern im Feld, aber: "Ich bin nicht der Älteste." Um mithalten zu können, gibt Jochen Mader alles: Viermal die Woche Fitnessstudio, Personal Trainer für Körper und Geist - und der eiserne Wille, sich zu verbessern. Die Ziele für die neue Saison sind klar: "Sturzfrei durchkommen und wieder eine Top-Ten-Platzierung holen. Mein Plan ist, die Top-Fünf - vielleicht sogar mal aufs Podium." Die Vorfreude ist bereits jetzt spürbar, die Vorbereitungen laufen - und das Kribbeln in den Fingern ist schon da, wie er sagt.
Übrigens: Privat fährt Jochen Mader kein Motorrad mehr. "Ich habe meine Maschine verkauft. Ich habe kein Verlangen mehr, auf der Straße zu fahren. Ich trainiere lieber auf der Rennstrecke." Dort, wo er mit Startnummer 90 auf seiner Yamaha MT-07 unterwegs ist - und seinen Traum lebt.