Einsatzkräfte reduzieren im Mai 2015 die Rauchentwicklung auf der „Purple Beach“.
Einsatzkräfte reduzieren im Mai 2015 die Rauchentwicklung auf der „Purple Beach“.
Einsatz auf dem Wasser

20 Jahre Havariekommando Cuxhaven: Die spektakulärsten Einsätze

von Denice May | 11.02.2023

Das Havariekommando Cuxhaven feierte im Januar sein 20-jähriges Bestehen. Grund genug, um auf die spektakulärsten Einsätze der vergangenen zwei Jahrzehnte zurückzublicken.

Kreis Cuxhaven. Zur Verbesserung des gemeinsamen Unfallmanagements auf der Nord- und Ostsee schlossen sich im Januar 2003 die Bundesrepublik Deutschland sowie die Küstenländer Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein zusammen, um bei Unfällen auf See - insbesondere bei komplexen Schadenslagen - einheitlich und koordiniert vorgehen zu können.

Seither bündelt das Havariekommando die Verantwortung für die Planung, Vorbereitung, Übung und Durchführung von Maßnahmen zur Menschenrettung, zur Schadstoffunfallbekämpfung, zur Brandbekämpfung, zur Hilfeleistung, sowie zur gefahrenabwehrbezogenen Bergung bei komplexen Schadenslagen auf See. Mit dabei sind unter anderem die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS), Wasserschutzpolizei, Bundespolizei, Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt (WSA Cuxhaven), Bergungsunternehmen, Schleppreedereien, Technisches Hilfswerk, Feuerwehr, Sensorflugzeug, Hubschrauber, Mehrzweckschiffe und Schlepper. Stand Februar 2023 waren es 90 Einsätze. Rückblick auf die acht spektakulärsten Einsätze. 


Dezember 2005 - Kollision "Maritime Lady" vor Brunsbüttel: 
Auf der Elbe vor Brunsbüttel kollidiert die "Maritime Lady" mit der "Arctic Ocean". Die "Maritime Lady" sinkt im Fahrwasser, alle sieben Personen werden gerettet (abgeborgen). Ein weiteres Schiff fährt auf die Unfallstelle auf, läuft dann manövrierunfähig auf Grund und wird mit drei Schleppern freigeschleppt. Da der Eigner der "Maritimen Lady" aufgibt, veranlasst das Havariekommando die Bergung und lässt sie in den Amerikahafen in Cuxhaven und dann in die Mützelfeldtwerft schleppen.


November 2007 - Ladungsverlust "MV Duncan Island" mit Gefahrstoffaustritt in der Nordsee:
Der Bananenfrachter "Duncan Island" (Länge: circa 180 m) verliert auf dem Weg von Antwerpen nach Hamburg bei schwerem Seegang zehn Container. Dabei wird einer der Tanks des Schiffes so stark beschädigt, dass aus dem Leck zeitweise Öl austritt. An den Stränden deutscher Nordseeinseln werden Öl und Bananen angeschwemmt, verölte Tiere werden gefunden. Das Havariekommando koordiniert die Bergungs- und Reinigungsarbeiten. So sehr sich die Küstenbewohner freuen, vor dem Verzehr der Bananen wird wegen einer möglichen Schadstoffbelastung gewarnt.

Oktober 2010 - Brand an Bord der "Lisco Gloria" auf der Ostsee:
An Bord der Ro-Pax-Fähre "Lisco Gloria" bricht auf dem Weg von Kiel nach Klaipėda (Litauen) ein Feuer aus, das sich schnell über das Oberdeck ausbreitet. 236 Personen an Bord, darunter eine Schulklasse, werden auf das Fährschiff "MS Deutschland" evakuiert. Brandbekämpfungsmaßnahmen von extern werden eingeleitet. Später wird von einem Hubschrauber ein Team auf das brennende Schiff abgeseilt, das den Anker fallen lässt und so ein weiteres Vertreiben und auf Grund laufen verhindert. An Land stehen den Passagieren bei Bedarf psychosoziale Betreuungsangebote zur Verfügung. 

August bis November 2012 - Sonderfall Havarie im Atlantik:
Auf dem Weg von Charleston (USA) via Felixstowe (Großbritannien) und Antwerpen (Belgien) nach Bremerhaven bricht am 14. Juli 2012 auf dem Containerschiff "MSC Flaminia" (Flagge Deutschland) im Atlantik ein Feuer aus. In der Folge explodieren Teile der Ladung, ein Seemann stirbt wenig später an seinen schweren Verletzungen, ein weiterer bleibt vermisst. Am 20. August 2012 wird das Schiff dem Havariekommando zur Koordinierung unterstellt. Nach umfangreichen Untersuchungen des Schiffes und der Ladung koordiniert das Havariekommando auf internationaler Ebene die Schleppreise des Havaristen durch den Ärmelkanal in deutsche Gewässer. Die "MSC Flaminia" wird in den Hafen von Wilhelmshaven gebracht. Dort werden die Aufbauten gereinigt und die intakten Container sowie die vom Brand stark beschädigten Container entladen, gereinigt und weiterverarbeitet.

Mai bis Juni 2015 - Rauchentwicklung auf der "Purple Beach" auf der Nordsee:
In der Deutschen Bucht kommt es in einem der mit Düngemittel beladenen Laderäume des Frachtschiffes "Purple Beach" zu einer Rauchentwicklung. Messungen der Spezialeinheit für Analysen bei chemischen Lagen ergeben eine gesundheitsgefährdende Atmosphäre auf dem Schiff - das Havariekommando lässt das Schiff vollständig evakuieren. Die Besatzung wird vorsorglich zur Kontrolle in Krankenhäuser geflogen. Luft- und Seeraum werden in einem Sicherheitsradius um das Schiff gesperrt. In verschiedenen Kreisen und Städten von Wittmund bis Cuxhaven wird die Bevölkerung vorsorglich gebeten, Fenster und Türen geschlossen zu halten. Zur Eindämmung der Rauch- und Geruchsentwicklung wird von den Schiffen "Nordic" und "Neuwerk" unter Gasschutz ein Wasserangriff vorgenommen. Um die Hitze- und Rauchentwicklung einzudämmen, wird der Laderaum geflutet. Nachdem Proben zeigen, dass keine Gefahr von dem Schiff ausgeht, wird das Schiff zu einem zugewiesenen Notliegeplatz im Wilhelmshavener Jadeweserport geschleppt. 

Januar 2019 - Containerverlust "MSC Zoe" auf der Nordsee:
Das Containerschiff "MSC Zoe" (Länge 396 m, Breite 59 m) verliert auf dem Weg von Sines (Portugal) nach Bremerhaven im Sturm etwa 260 Container im niederländischen und circa 20 Container im deutschen Bereich der Nordsee, darunter auch Gefahrgut (Dibenzoylperoxid und Lithiumionenbatterien). Einige Container und Ladungsteile wie Kühlschranktüren, Bildschirme und Fahrradteile werden an Land angespült. Die Wettersituation mit drei bis fünf Meter hohen Wellen und schlechten Sichtverhältnissen erschwert die Such- und Bergungsarbeiten auf See. An den Küsten werden etwa 220 Kubikmeter Ladungsteile eingesammelt. 


Februar 2020 - Ausfall der Ruderanlage auf der "MS Santorini" auf der Nordsee:
Das nicht beladene Frachtschiff "Santorini" meldet einen Ausfall der Ruderanlage und treibt etwa 64 Seemeilen (circa 119 Kilometer) westnordwestlich von Helgoland in der Nordsee. Später wird in der Lageerkundung festgestellt, dass das Ruderblatt fehlt. Der Notschlepper "Nordic" und ein vom Hubschrauber auf der "Santortini" abgesetztes Towing Assistance Team (Seeleute, die speziell für den Einsatz auf manövrierunfähigen und verlassenen Schiffen ausgebildet sind) stellen eine Notschleppverbindung her. Die Wetterbedingungen im Einsatzgebiet erschweren die Einsatzmaßnahmen: Die Windstärke beträgt etwa 9 Beaufort, die Wellen sind sechs bis sieben Meter hoch. Nach einer Wetterberuhigung kann die Schleppverbindung von der "Nordic" an den Bergungsschlepper "Bugsier 30" übergeben werden, der die "Santorini" nach Bremerhaven schleppt. Glücklicherweise konnte verhindert werden, dass die "Santorini" in das Offshore-Windpark-Cluster 8 treibt. So waren die dort vorsorglich vorbereiteten Evakuierungen nicht notwendig.

Februar 2022 - Grundsitzer "Mumbai Maersk" auf der Weser:
Das Containerschiff "Mumbai Maersk" Länge 399 m, Breite 59 m) läuft bei der Ansteuerung in die Wesermündung auf Grund. In Zusammenarbeit mit der Bergungsfirma, der Reederei und acht Schleppern gelingt es beim zweiten Schleppversuch unter Leitung des Havariekommandos, das Containerschiff freizuschleppen.

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Denice May

Redakteurin
Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

dmay@no-spamcuxonline.de

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