CNV zieht um: Emotionale Erinnerungen an das Cuxhavener Pressehaus als Arbeitsplatz
Der Umzug der Cuxhaven-Niederelbe Verlagsgesellschaft (CNV) markiert das Ende einer Ära. Erinnerungen an hektische Morgen, kollegiales Lachen und die pulsierende Atmosphäre bleiben erhalten - und prägen weiterhin die Seele des Journalismus.
Für viele Kolleginnen und Kollegen der Cuxhaven-Niederelbe Verlagsgesellschaft (CNV) ist das Pressehaus am Kaemmererplatz weit mehr als nur ein Arbeitsplatz: Es ist Heimathafen, Bühne, Gedächtnis. Jahrzehntelang war es der Ort, an dem Nachrichten, Geschichten und Reportagen entstanden.
Ab dem 1. November wird das Pressehaus am Kaemmererplatz als Arbeitsplatz Geschichte sein: Der Umzug steht bevor. Aber was bleibt, sind Erinnerungen: an die Hektik in den frühen Morgenstunden, an das gemeinsame Lachen in den Fluren, an Momente, in denen draußen der Kaemmererplatz Puls zeigte und drinnen die Zeitung groß wurde.
Nun kommen die Stimmen aus der Redaktion zu Wort: Was bedeutet dieses Haus, was bedeutet dieser Ort - und was heißt Abschied nehmen von einem Stück Heimat?

Veränderung des Raumklimas in der Redaktion
Frank Lütt: Früher herrschte mehr dicke Luft in der Redaktion. Das lag nicht an der Stimmung, sondern an den unzähligen Glimmstängeln. Als ich das erste Mal die Redaktionsräume bei der Niederelbe-Zeitung (NEZ) betrat und meinen Platz in dem größten Raum zugewiesen bekam, fühlte ich mich fast wie zu Hause. Als Spross eines Gastwirtspaares kannte ich es, wenn der Zigarettenqualm durch den Raum waberte, die Kleidung nach einem langen Abend den Gestank annahm.
In dem NEZ-Redaktionsraum saßen wir zu viert. Wir haben im wahrsten Sinne des Wortes unter Volldampf gearbeitet - alle vier haben damals kräftig geschmökt. Wir bedienten das frühere Klischee, dass Reporter beim Schreiben eine nach der anderen pafften, um die Gedanken in geordneten Bahnen zu Papier bringen zu können. Am Ende eines Arbeitstages waren alle vier Aschenbecher meistens übervoll.
Vor fast 20 Jahren folgte für mich der räumliche Wechsel - von der NEZ-Lokalredaktion in Otterndorf in die CN/NEZ-Sportredaktion nach Cuxhaven. Hier waren die Auflagen bezüglich des Rauchens schon strikter. Die Büros waren rauchfrei, aber für die immer kleiner werdende Zahl der Raucher gab es noch ein kleines Zimmer auf der Redaktionsetage: Knapp über drei Quadratmeter mit einem Fenster zum Innenhof. Wer dieses Kleinod der Nikotinabhängigen betrat, wurde gleich eingenebelt. Hier war denn auch die Kommunikationszentrale. Die Kollegen tauschten sich in dem kleinen Raucherzimmer aus, Klatsch und Tratsch inklusive. Wenn dann bis zu einem halben Dutzend Kollegen zusammenkamen, herrschte die schon angesprochene dicke Luft.
Selbst nachdem ich vor 17 Jahren mit dem Rauchen aufgehört hatte, suchte ich hin und wieder diesen Raum auf, um einfach mal nur zu schnacken mit den Kollegen.
Seit einigen Jahren ist das gesamte Verlagsgebäude zur rauchfreien Zone erklärt worden. Anfangs murrten die Raucher noch rum, schließlich trafen sie sich bei jeder Wetterlage nun draußen im Innenhof. Und siehe da, auch hier gesellten sich nichtrauchende Kollegen häufiger dazu. Auch am neuen Standort wird es sicherlich zu kleinen Kommunikationsrunden außerhalb des Gebäudes kommen, auch wenn der Anteil der Raucher sichtlich geringer wird, weil doch bei dem einen oder anderen irgendwann die Einsicht eingekehrt ist, dass Rauchen einfach nicht gut für die Gesundheit ist.

Arbeitsplatz war fast ein Zuhause
Kai Koppe: Es gibt ein paar Momente und Situationen, die mir jetzt, da ich einen letzten Blick in mein vollständig ausgeräumtes Büro werfe, unmittelbar in den Sinn kommen. Unvergessen bleiben wird zum Beispiel der Ruf "Kon-fer-e-enz", mit dem ein früherer Redaktionsleiter seine Schäfchen (vulgo: Redakteure) in einen im obersten Stockwerk befindlichen Sitzungsraum scheuchte. Seinerzeit wurde der Inhalt der nächsten Ausgabe nicht am frühen Vormittag, sondern mittags um Zwölf besprochen. Anschließend beeilte man sich, vor die Tür zu kommen - in der Hoffnung, dass die Schlange bei "Seidel" noch nicht allzu lang wäre...
Beim Thema Essenfassen fallen mir außerdem ein Dutzend "Sonderdienste" ein, die wir Redakteurinnen und Redakteure an Wahlsonntagen im Pressehaus abgerissen haben. Fieberhaft hämmerten wir unsere Texte in den Rechner; der spätabendliche Kampf gegen den immer näher rückenden Andrucktermin war nur zu gewinnen, wenn man sich nebenbei mit Nudelsalat und Frikadellen von einem in der Redaktionsküche aufgebauten Buffet stärkte. Präsent geblieben ist mir außerdem ein Tag, an dem wir aus ganz anderen Gründen in den Redaktionsräumen ausharrten. Am 11. September 2001 scharten wir uns um einen alten Fernseher in der Sportredaktion und verfolgten fassungslos die Berichterstattung über den Einsturz der Twin Towers. Die damaligen Anschläge veränderten die Welt - und auch das Sicherheitsdenken in unseren Breiten. Um ins Innere des Pressehauses zu gelangen, brauchte man fortan einen turnusmäßig wechselnden Tür-Code. Unabhängig gab es weitere technische Neuerungen: Die ersten Digitalkameras wurden angeschafft - und eine Filmentwicklungsmaschine, die mir (damals war ich noch Volontär) immer sehr imponierte, wurde in Rente geschickt.
Hoch oben über dem Kaemmererplatz drückte der Wind bisweilen heftig gegen die Fensterfronten, einmal flog sogar ein Fensterflügel aus den Angeln. Heizkörper knackten, und im Pressehaus-Keller entdeckte ich eines Tages - Ergebnis einer Recherche über antiquierte Hausinstallationen in Süderwisch - eine waschechte Bleileitung.
Drei Tastaturen und zwei Bürostühle habe ich in all den Jahren verschlissen. Der Nadelfilz-Belag unter meinem Schreibtisch ist im Fußbereich völlig abgeschabt. Mein Büro selbst war schmucklos, die Möbel darin schließlich halb so alt wie ich selbst. Und doch: Dieser Arbeitsplatz war beinahe schon ein Zuhause.

Das größte Geschenk des Pressehauses
Jens-Christian Mangels: Das Pressehaus hat mir viele spannende Erlebnisse und Begegnungen beschert, aber das größte Geschenk, das mir das Verlagsgebäude am Kaemmererplatz gemacht hat, ist - Trommelwirbel - meine Frau. Es war der 5. Januar 1998, als die junge, etwas aufgeregte Praktikantin das Redaktionssekretariat in der zweiten Etage des Pressehauses betrat. Ich war damals Volontär und gehörte zum Empfangskomitee, weil ich gegenüber der Sekretärin saß. Ich wurde beauftragt, mich um die "Neue" zu kümmern. Dieser Bitte kam ich gerne nach. Ich nahm sie am nächsten Tag mit zu einem Pressetermin im Cuxhavener Standesamt. Der Pförtner fragte uns, ob wir das Aufgebot bestellen wollen. Ich weiß noch, dass ich sagte: "Nein, aber vielleicht kommen wir später darauf zurück." Heute sind die einstige Praktikantin und der frühere Volontär seit 27 Jahren liiert, davon 18 Jahre verheiratet - dem Pressehaus sei Dank.

Geschichten an die nächste Generation weitergeben
Tamina Francke: Wenn ich morgens die Tür des Pressehauses öffne, denke ich daran, dass hier seit Jahrzehnten Geschichten entstehen, die Cuxhaven bewegen. Für viele ist dieses Haus ein Ort voller Erinnerungen. Für mich ist es vor allem der Ort, an dem ich gelernt habe, wie aus einer Beobachtung eine verlässliche Berichterstattung wird - nah an den Menschen und Themen hier.
Auch wenn ich die legendären Feiern, die langen Nachtschichten und den viel zitierten Geruch der Druckerschwärze nur aus Erzählungen meiner Kolleginnen und Kollegen kenne, teilen wir doch etwas Grundlegendes: Dieses Haus setzte für viele einen Startpunkt. Für manche liegt er weiter zurück, für andere näher - der Anspruch ist derselbe.
Nun ziehen wir um. Gut so. Denn was uns trägt, passt in jedes Gebäude: Sorgfalt, Neugier und der Blick für das Relevante. Vielleicht sammle ich am neuen Standort ja meine eigenen "guten alten Geschichten" - zur Weitergabe an die nächste Generation.

Exakt 422 Tage im Pressehaus
Bengta Brettschneider: Als Volontärin durfte ich noch 422 Tage im Pressehaus verbringen, bevor ich die verbleibenden 308 Tage des Volontariats in den neuen Büroräumen erleben darf. Meine erste Begegnung mit den Räumlichkeiten der Niederelbe-Zeitung liegt jedoch schon viele Jahre zurück - als ich dort mit 14 Jahren mein Schülerbetriebspraktikum absolvierte. Es dauerte ganze 26 Jahre, bis ich ein Teil der Cuxhavener Redaktion wurde. Nach 17 Jahren in einem anderen Beruf, weiß ich, dass Aufbruch und etwas Neues beängstigend wirken können. An dieser Stelle möchte ich aus Angela Merkels Harvard-Rede von 2019 zitieren: "Ich glaube, dass wir immer wieder bereit sein müssen, Dinge zu beenden, um den Zauber des Anfangens zu spüren und Chancen wirklich zu nutzen."

Das Lernen im Konferenzraum im Pressehaus
Wiebke Kramp: Anders als bei anderen langjährigen Kolleginnen und Kollegen ist das Pressehaus am Kaemmererplatz erst seit verhältnismäßig kurzer Zeit meine journalistische Heimat, denn zuvor habe ich die meiste Arbeitszeit in Otterndorf bei der Niederelbe-Zeitung verbracht. Aber immerhin zehn Jahre durfte ich den tollen Ausblick auf den Kaemmererplatz und den Wasserturm genießen. Das kommt mir allerdings nicht so lange vor, weil darunter auch die Corona-Zeit fiel, in der die Uhren bekanntlich anders tickten. Dass wir dabei immer beim Sonntagsdienst die querdenkenden Schreihälse mit ihren abstrusen Thesen ertragen mussten, verdränge ich am liebsten …

Natürlich habe ich 40 Jahre zurückliegende Erinnerungen an das Gebäude und diejenigen, die es mit Leben gefüllt haben - angefangen beim unvergessenen Chefredakteur Karl-Heinz Bischoff, einer in Cuxhaven geschätzten und zuweilen gefürchteten Persönlichkeit. Der gestandene Journalist wusste um die starke Macht des geschriebenen Wortes. Vor allem für den Journalisten-Nachwuchs setzte sich Bi leidenschaftlich ein und lud einmal im Monat seinen VW-Golf mit Volontären voll, damit sie an der Bezirkspressekonferenz Elbe-Weser in Stade teilnehmen konnten, der er vorsaß. Als junge Journalistinnen und Journalisten lernten wir dort, ohne Scheu Persönlichkeiten aus Politik und Behörden mit Fragen zu löchern. Angst hatten wir lediglich auf der Hin- und Rücktour auf der B73, denn Bischoff war ein rasanter Fahrer.
Nicht vergessen habe ich, dass die stellvertretende Redaktionsleiterin Ilse Cordes uns Volontäre vor 40 Jahren einmal die Woche - ich glaube, es war immer dienstags - in den Konferenzraum im Pressehaus einlud, damit wir von ihr die Grundlagen journalistischen Schreibens lernten: wie ein Vorspann auszusehen hat, wie eine Glosse funktioniert und worauf bei Kulturberichterstattung - selbstredend ihr Steckenpferd - zu achten ist. Dafür, liebe Frau Cordes, ein herzliches Dankeschön!

Die Menschen haben die Zeit gut gemacht
Maren Reese-Winne: 1985 betrat ich als Praktikantin zum ersten Mal die Redaktionsräume des Pressehauses. Es war ein herzliches Willkommen, die Kollegen waren hilfsbereit, ließen mich einfach loslegen - und sie rauchten Kette. Ich, deren Schreibtisch (damals noch mit einer mechanischen Schreibmaschine ausgestattet) in ein kleines Zweier-Büro gequetscht worden war, arrangierte mich mit dem Schicksal. Auch wenn in der Redaktionskonferenz dicke Zigarren gequarzt wurden. Dafür durfte ich von Anfang an große Geschichten schreiben und gehörte dazu, ab 1987 fest. Journalistisches Selbstverständnis und sprachliche Feinheiten lernte ich von Annelore Lorenz und der stellvertretenden Redaktionsleiterin Ilse Cordes ein, die sich gelegentlich selbst als Kassandra bezeichnete und mit ihren Vorhersagen zu politischen und zeitungsinternen Entwicklungen immer recht hatte.

Es gibt wohl kaum ein Büro im zweiten Stock, in dem ich nicht mal für einige Jahre mit wechselnden Kollegen gesessen habe. Zuletzt nicht mehr mit dem Logenblick auf den Kaemmererplatz, das städtische Treiben und die im Hintergrund auf der Elbe vorbeiziehenden dicken Pötte, sondern an der Rohdestraße, wo das Sonnenlicht immer erst nach 18 Uhr um die Ecke bog. Dafür saß ich allein, was sich nun wieder ändern wird.
40 Jahre, mein ganzes Berufsleben, fast zwei Drittel meines gesamten Lebens, unzählige Sonn- und Feiertage und hektische Wahlabende habe ich hier verbracht. Nicht nur die großen Ereignisse wie die gemeinsam erlebte Wendezeit oder der Tag, an dem wir auf dem Fernseher im Sport-Büro das World Trade Center in New York zusammenstürzen sahen, bleiben in Erinnerung - es sind auch flüchtige Eindrücke und die kleinen Momente: Das Wabern des Bratfetts, wenn unsere Nachbarin, die auf einem Teil der Etage anfangs noch Tür an Tür mit der Redaktion wohnte, mal wieder Lust auf Kartoffelpuffer oder Bratheringe hatte, der historische Lichtschalter zum Drehen aus Bakelit und der Geruch nach alten Zeiten im Fotoarchiv auf dem Dachboden oder der Tag, an dem ich mit einem Kollegen am ersten Online-Zugang des Hauses saß und endlich wissen wollte, was denn nun das Internet ist.
Nun zieht der Computer, der inzwischen ein Laptop ist, weiter. Letzten Endes haben nicht nur das Haus, sondern vor allem die Menschen die Zeit gut gemacht.

Pressehaus bleibt für immer ein Stück Wurzel
Joscha Kuczorra: Nein, ich bin kein alter Hase. Noch nicht einmal seit zehn Jahren bin ich Mitarbeiter der Cuxhaven-Niederelbe Verlagsgesellschaft. Und doch fühlt sich der Abschied vom Pressehaus am Kaemmererplatz besonders an. Denn meine Geschichte mit diesem Haus begann lange, bevor mir überhaupt klar war, dass ich einmal Journalist werden würde.
Mit 14 Jahren stand ich zum ersten Mal im Gebäude - als Schülerpraktikant in der Sportredaktion. Ich erinnere mich noch genau an die vergilbten Tapeten, an die alten Rechner, an das leise Brummen aus den Büros, an meine ersten Termine, an das Gefühl, plötzlich mitten im echten Journalismus zu stehen. Mein Weg wurde geebnet.
Und doch reicht meine Verbindung zu diesem Haus noch viel weiter zurück. Meine Urgroßmutter arbeitete hier - oder genauer gesagt: Sie las Korrektur. Rund um die Zeit des Zweiten Weltkriegs war sie Teil der Redaktion, Teil der Geschichte, die sich durch Generationen zieht. Wenn ich heute durch die Flure ging, wusste ich manchmal, dass sie vielleicht über denselben Boden gelaufen ist. Das war mehr als nur ein Gedanke. Es war ein stilles Band.
Das Pressehaus am Kaemmererplatz ist für mich mehr als ein Arbeitsplatz. Es ist der Ort, an dem alles begann - für meine Familie und für mich. Ein Ort, an dem aus Neugier Leidenschaft wurde. Ein Haus, das Geschichten beherbergt - unsere, meine, und unzählige andere. Der Umzug bedeutet Aufbruch. Aber der Kaemmererplatz bleibt für mich ein Stück Wurzel, ein Ort, der mich geprägt hat und den ich nie vergessen werde.
