Cuxhavener Hausarzt zur Telemedizin: "Ich glaube, dass das die Zukunft ist"
Manuel Burkert, neuer Hausarzt im Cuxhavener Stadtteil Groden, will vieles anders machen, als es die meisten Patienten bisher gewohnt sind. Für ihn bedeuten schlanke Strukturen bei Routineaufgaben mehr Zeit für diejenigen, die sie wirklich brauchen.
Sich als Anästhesist, Intensiv- und Notfallmediziner noch mal für zwei Jahre in die Rolle des Lernenden zu begeben, ist kein alltäglicher Schritt. Vom Chefarzt in der Cuxhavener Helios-Klinik und der Schön-Klinik Hamburg zum Weiterbildungsassistenten in der hausärztlichen Praxis von Dr. Thorsten Claus in Neuhaus/Oste und weiter zum Facharzt für Allgemeinmedizin mit eigener Praxis: Genau diesen Weg hat Manuel Burkert gewählt.
Riesiges Interesse an Informationsveranstaltung
An diesem Donnerstag hat er die Praxisklinik Reanima in Groden eröffnet. Seit dem Wechsel des vormaligen Praxisinhabers Dr. Claus Bohlmann in den Ruhestand hatten sich viele Bewohnerinnen und Bewohner des Stadtteils eine Nachfolge erhofft. Das riesige Interesse daran zeigte sich, als der Grodener Bürgerrat vor wenigen Tagen zu einer Informationsveranstaltung mit dem Arzt einlud und sich in der Schulaula mehrere Hundert Zuhörerinnen und Zuhörer drängten.
Was sie dort zu hören bekamen, war für viele zunächst nicht so leicht zu verdauen (wir berichteten). Denn mit der digitalen Praxisorganisation soll vieles anders laufen als landläufig bislang gewohnt. Was Manuel Burkert damit bezweckt, woher der Begriff Praxisklinik kommt und warum er sich als Süddeutscher ausgerechnet für Cuxhaven entschieden hat, haben wir ihn gefragt.
Lokales Netzwerk ein Hauptargument
Die Arbeit habe ihn im Jahr 2012 nach Cuxhaven geführt, erklärt er. "Ich fühle mich hier wohl, habe hier Fuß gefasst und bin hier einfach gut vernetzt", so Manuel Burkert. Das Netzwerken liege ihm: "Ich bin kein Einzelkämpfer", beteuert er.
Die Lücken in der ärztlichen Versorgung der Region waren ihm also bestens bekannt, als er sich für die Niederlassung in Groden entschied. Und diese angespannte Versorgungslage sehe er auch als Hintergrund für das Ja zur Digitalisierung: "Ich möchte lieber organisieren statt Personen abzuweisen."
Das bedeutet für ihn zum Beispiel, Hausbesuche durch seine - mit einem Koffer voller Geräte ausgestatteten -medizinischen Fachangestellten vornehmen zu lassen: "Das darin enthaltene Stethoskop ermöglicht es mir zum Beispiel, in der Praxis den Herzschlag mitzuhören", erklärt Burkert.
Persönliches Erscheinen nicht mehr in jedem Fall nötig
Andererseits müssten dank der Technik auch nicht mehr alle Patienten in jedem Fall persönlich in der Praxis erscheinen. Videosprechstunde, virtueller Warteraum - ganz ohne Ansteckungsrisiko-: "Ich glaube, dass das die Zukunft ist." Schlanke Abwicklung von Routineaufgaben wie der Krankmeldung bei einer einfachen Erkältung verspreche für ihn "mehr Arztzeit für Menschen, die sie wirklich brauchen."
Das Risiko, dass ihm so wirklich ernsthaft erkrankte Patienten entgehen könnten, schätzt er nicht als zu hoch ein: "Die ärztliche Intuition ist auch noch da." Auch der Kontakt per Bildschirm und Mikrofon stelle eine medizinische Begleitung und eine Perspektive für viele Menschen in Cuxhaven dar, die bislang noch keine neue Hausarztpraxis gefunden hätten. Nicht umsonst werde der Ansatz der Telemedizin auch von den Krankenkassen gefördert.
Allerdings könne er auch auf ein sehr erfahrenes Praxisteam aus seinem Umfeld - darunter viele Fachkräfte aus dem Rettungsdienst - setzen: "Deswegen traue ich mich das überhaupt."
Komplette Praxisklinik muss erst noch entstehen
An den wenigen Tagen bis zum Jahresende soll es allein um Notfallversorgung und Anmeldungen gehen. Denn große Teile der bisherigen Arztpraxis befinden sich noch im Rohbauzustand. In ein paar Monaten soll dann der zweite Bauabschnitt fertig und die gesamte Praxisklinik nutzbar sein. Dann auch mit der Kapazität, gelegentlich auch mal eine Person - durch eine Fachkraft betreut - vor Ort nachts überwachen zu können. "Da kommt bei mir der Notfallmediziner heraus", sagt Manuel Burkert.
Angesichts der großen Lücke zwischen politischem Anspruch und Realität (für die geforderte Ambulantisierung der Medizin gibt es überhaupt keine Strukturen), sicher nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, aber immerhin etwas Neues und ein kleiner Beitrag, "auf die Bedürfnisse der Welt zu reagieren."
Alle praxistypischen, aber nichtmedizinischen Aufgaben (Abrechnung und Co.) verlagert Burkert in die durch ihn selbst im Jahr 2022 gegründete Servicegesellschaft Reanima Giants GmbH. Bei der Digitalisierung setze er auf die Marktführer. Die böten genügend Raum für die Umsetzung individueller Vorstellungen - manchmal auch im Trial-and-Error-Prinzip (Versuch und Irrtum).
Auch um mögliche Ängste gerade der älteren Generation hat sich Manuel Burkert Gedanken gemacht und kann sich gut vorstellen, diesen mit Angeboten lokaler Netzwerkpartner wie dem Paritätischen in Groden oder dem Stadtteilverein "Ritzebüttel aktiv" entgegenzutreten.