
"Da werden Kräfte freigesetzt": Was das Cuxhavener Palliativteam für Patienten tut
Das Cuxhavener Palliativteam bietet nicht nur medizinische Versorgung, sondern auch menschliche Nähe und empathische Unterstützung. Hier werden Patienten nicht allein gelassen, sondern in einer schwierigen Lebenssituation begleitet. Ein Einblick.
Krebs und viele andere Krankheiten führen oft dazu, dass Erkrankten eine Palliativversorgung nahegelegt wird. Ein Begriff, der Ängste auslöst. Jedoch bedeutet er nicht automatisch, dass der Tod sehr nahe ist. Vielmehr geht es darum, die bestmöglichen Bedingungen für ein gutes Leben mit der Krankheit zu finden.
"Nicht dem Leben mehr Tage geben, sondern den Tagen mehr Leben", so nennt es Dr. Antonia Karpouza, Chefärztin der Onkologie, Hämatologie und Palliativmedizin an der Helios-Klinik Cuxhaven. Mit einem multiprofessionellen Team versorgt und begleitet sie in Cuxhaven Menschen mit fortgeschrittenen und fortschreitenden Krankheiten.
Eine komplette Palliativeinheit ist es noch nicht
In der Station 0A stehen hierfür fünf Zweier-Patientenzimmer zur Verfügung, die bei Bedarf auch einzeln belegt werden. "Es ist noch keine Palliativeinheit, auch wenn wir uns die sehr wünschen", betont die Onkologin und Palliativmedizinerin. Noch könnten für diese Bezeichnung nicht alle Kriterien erfüllt werden.

Dr. Karpouza verweist auf eine lange Geschichte der Palliativversorgung in Cuxhaven. Einer derjenigen, die von Anfang an dabei waren, ist Burkhard Schmidt, Krankenhausseelsorger in Cuxhaven und Otterndorf. Er ist Teil des Teams, dessen Mitglieder am Dienstag in einem Pressegespräch Einblicke in ihre erfüllende Arbeit gaben.
Behandlung soll Symptome lindern
Palliativmedizin bedeutet einen ganzheitlichen Ansatz. Gestützt auf die vier Säulen der körperlichen, psychischen, sozialen und spirituellen Begleitung geht es um eine symptomorientierte Behandlung mit so wenig Schmerzen, Luftnot und Ängsten wie möglich. Eng einbezogen sind die Angehörigen.
Ein anderer Blick auf die Versorgung
Die Palliativversorgung sei als Ergänzung zu anderen Therapien zu verstehen, so Dr. Karpouza. Ein anderer Blickwinkel und hierfür vorhandene Ressourcen ermöglichten neben der Symptomkontrolle auch die Berücksichtigung anderer Bedürfnisse. Eine Palliativeinrichtung sei kein Ort, der zum Sterben aufgesucht werde: "Studien haben sogar gezeigt, dass eine frühe Palliativversorgung einen Überlebensvorteil für die Betroffenen darstellt", berichtet sie. Therapieziel eines meist ein- bis zweiwöchigen stationären Aufenthalts sei in der Regel die Verbesserung einer akuten Verschlechterung und die Sicherstellung der anschließenden Versorgung zu Hause.

Hier dürfen sie einfach Mensch sein
Dafür empfehle sich ein früher Beginn der Palliativversorgung, auch wenn das anfangs oft Ängste auslöse. Jedoch weiche ein geäußerter Sterbewunsch - aus Angst vor Schmerzen oder unaushaltbarem Leiden - häufig nach den ersten Gesprächen einer Zuversicht. Patienten und Patientinnen, die nach der Diagnose häufig plötzlich isoliert waren, fühlten sich hier gesehen. Hier dürften sie leben, lachen, Dinge gut und schlecht finden und Mensch sein.
Ungeahnte Kräfte können freigesetzt werden
"Da werden auf einmal Kräfte freigesetzt, an die sie selbst nicht mehr geglaubt hätten", erzählt Nicole Kriemann, Physiotherapeutin mit einer Palliativ-Zusatzausbildung. Bei monatelangen Begleitungen - stationär und im ambulanten Umfeld - entstünden vertrauensvolle Verbindungen, so Christina Müller, Fachkrankenschwester für Onkologie: "Die Patienten wissen, dass wir ihnen aktiv zuhören. Wir lassen sie mit ihren Wünschen und Gedanken nicht allein."

Ein seelsorgerliches Gespräch kann viele Inhalte haben
Auch Seelsorger Burkhard Schmidt versteht sich als Zuhörer. Manchmal werde ganz bewusst der Wunsch nach einem Segen oder einem gemeinsam gesprochenen Gebete geäußert, oft gehe es aber um die Rückschau aufs Leben oder auch Ängste vor dem Sterben und die Frage, was wohl danach kommen mag.
Den einen Weg für alle gebe es nicht, betont Dr. Antonia Karpouza. Die besondere Stärke des Teams, das einmal in der Woche in großer Runde zusammenkomme, bestehe in der Multiprofessionalität. Sie gewähre viele Blicke auf die Gesamtlage. Die Onkologin spricht mit großer Wertschätzung über ihre Teammitglieder, die sich durch Menschlichkeit, Empathie und hohe Qualifikationen auszeichneten: "Das ist ein Netzwerk, wie es längst nicht überall zu finden ist und auf das wir stolz sein dürfen." Dabei bezieht sie auch viele ambulante Institutionen mit ein.
Ethikkomitee ist für Ratsuchende da
Ratsuchenden bietet das Team auch unabhängig von einem stationären Aufenthalt seine Beratung an, zum Beispiel in der Fallberatung eines kürzlich gegründeten Ethikkomitees (Kontaktaufnahme über die Klinik-Homepage; ein direkter Hinweis soll dort noch hinzugefügt werden). Intern hat sich das zehnköpfige Gremium unter dem Vorsitz der Chefärztin ebenfalls die Sensibilisierung und Schulung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf die Fahnen geschrieben. Außerdem sollen Grundsatzdiskussionen in die Erstellung eines Leitfadens münden, um die Patientenversorgung insgesamt zu verbessern.
Für demnächst ist zudem eine optische Auffrischung der Palliativ-Räume mit neuen Farben und baulichen Veränderungen geplant.