
Cuxhavenerin vor Gericht: Sie soll im Insolvenzverfahren Vermögen verheimlicht haben
Eine 77-jährige Rentnerin aus Cuxhaven steht wegen angeblichen Vermögensverheimlichungen im Insolvenzverfahren vor Gericht. Der Fall enthüllt ein Geflecht aus verschwiegenen Konten und Immobiliengeschäften, das die Justiz aufklären muss.
Mit sanften Schritten betritt eine 77-jährige Rentnerin aus Cuxhaven den Schwurgerichtssaal des Landgerichts Stade. Marineblaue Strickjacke, goldene Knöpfe, dunkle Stoffhose, glänzende Lackschuhe - ruhig nimmt sie am Tisch ihrer beiden Verteidiger Platz. Der Anlass ist ernst: Die Seniorin, die aktuell in Haft ist, muss sich vor der 5. Großen Wirtschaftsstrafkammer wegen Bankrotts und Betrugs in einem besonders schweren Fall verantworten.
Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft soll die Angeklagte zwischen 2016 und 2020 Konten verheimlicht haben, obwohl sie sich zu diesem Zeitpunkt bereits in einem Insolvenzverfahren befunden haben soll. Auf zwei Konten sollen sich laut Anklage mehr als 350.000 Euro befunden haben - Gelder, die die Frau für ihre private Lebensführung verwendet haben soll.

Eine zentrale Rolle spielt dabei ein Berliner Immobilienfonds, an dem die Angeklagte als Gesellschafterin beteiligt gewesen sein soll. Als die Immobilie verkauft und der Fonds aufgelöst wurde, soll die Cuxhavenerin ihr eingesetztes Eigenkapital samt Überschuss ausgezahlt bekommen haben - obwohl sie zu diesem Zeitpunkt bereits insolvent war.
Verteidigung spricht von Irrtum
Die Verteidiger Rechtsanwalt Rainer Mertin und Rechtsanwalt Mert Karabiyik bezweifeln die Darstellung der Anklage. Sie erklärten, die Gelder aus dem Immobilienverkauf seien ein "Irrläufer" gewesen und keineswegs nachweisbar für private Zwecke verwendet worden. Es gebe erhebliche Unstimmigkeiten in der Ermittlungsakte, weshalb sie Richter Stefan Tomczak um ein Rechtsgespräch baten.
Doch der Vorsitzende Richter zeigte sich unbeeindruckt: Eine Verständigung sei grundsätzlich immer möglich, erklärte Tomczak, "aber die vorgetragenen Argumente hätten mit einer Verständigung nichts zu tun". Als einer der Verteidiger schließlich nachfragte, wie sich ein mögliches Geständnis auf das Strafmaß auswirken würde, reagierte der Richter knapp: "Die Kammer hat kein Interesse, darauf einzugehen."
Zeuge berichtet von verschwiegenen Einkünften
Im Anschluss sagte der Insolvenzverwalter aus. Er habe erst nach und nach bemerkt, dass Einkünfte verschwiegen worden seien. Die Zusammenarbeit mit der Angeklagten sei schwierig gewesen - sie habe häufig ihre Adresse geändert, soll teilweise im Ausland gemeldet gewesen sein und sei nur per Fax erreichbar gewesen.

Auch der Geschäftsführer des Immobilienfonds bestätigte vor Gericht, dass es mehrfach Adress- und Kontoänderungen gegeben habe. Er berichtete, die Angeklagte habe nach dem Immobilienverkauf tatsächlich eine Auszahlung aus Eigenkapital und Überschuss erhalten. Dass gegen sie zu diesem Zeitpunkt bereits ein Insolvenzverfahren lief, habe er nicht gewusst - andernfalls wäre sie aus der Gesellschaft ausgeschlossen worden.
Zähe Beweisaufnahme und hitzige Momente
Die Beweisaufnahme gestaltet sich bislang unübersichtlich. Immer wieder tauchen neue Namen, Firmen und Treuhänder auf. Um Klarheit zu schaffen, setzte das Gericht drei weitere Verhandlungstage an. Auch der Verlauf der bisherigen Hauptverhandlung war von zahlreichen Unterbrechungen geprägt. Immer wieder baten die Verteidiger um Besprechungen mit ihrer Mandantin - aus zehnminütigen Pausen wurden schnell halbstündige. Richter Tomczak zeigte sich genervt und warf den Verteidigern schließlich vor, "schlecht vorbereitet" zu sein.
Für Unruhe sorgte auch die Angeklagte selbst: Mehrfach kommentierte sie die Aussagen der Zeugen. Zwar durfte sie ihnen Fragen stellen, doch nutzte sie diese Gelegenheit häufig, um ihre Sicht der Dinge ausführlich darzustellen - sehr zum Missfallen des Richters, der sie wiederholt ermahnen musste: "Sie sollen Fragen stellen, keine Diskussion führen."
Wie hoch der tatsächliche Schaden ist, bleibt bislang offen. Erst nach weiteren Zeugenvernehmungen und der Sichtung umfangreicher Unterlagen dürfte sich zeigen, ob die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft Bestand haben.