
Fast 100 neue Ladesäulen-Standorte: Cuxhavens mutiger Plan zur E-Mobilität
Cuxhaven plant fast 100 neue Ladesäulen-Standorte und setzt auf Partner aus der freien Wirtschaft. Ein Gutachten zeigt die Möglichkeiten auf. Welchen Herausforderungen muss sich die Stadt stellen?
Eine möglichst breite Abdeckung an Lademöglichkeiten soll vor Ort die Akzeptanz für Elektromobilität steigern: Diese Idee trug ein Fachmann bei der Präsentation eines Gutachtens vor, das 93 Punkte als mögliche Ladesäulen-Standorte ausweist.
Noch bevor es öffentlich vorgestellt wurde, hatte es Reaktionen auf das von Stadt und Land aufgelegte E-Ladesäulenkonzept gegeben. Die in großer Runde stattfindende Präsentation räumte einen Teil der bestehenden Zweifel aus: Am Montag wurde klar, dass das Papier zunächst einmal als Arbeitsgrundlage zu verstehen ist, die nach den Worten von Stadtbaurat Andreas Eickmann entwickelt worden ist, um in Sachen Ladestruktur für Elektroautos "eine lokale Basisversorgung auf den Weg zu bringen".
In der Standortfrage konzentrierten sich Stadtverwaltung und die mit ins Boot genommenen Fachleute von der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr (NLStV) auf öffentliche und auf semi-öffentliche Flächen, die für die Errichtung von Ladesäulen in Betracht kommen. 93 Punkte schafften es schließlich in das gemeinsam mit der NLStV ausgearbeitete Konzept - ein Papier, das (wie in der Sitzung anklang) als Orientierungshilfe dienen soll, wenn es darum geht, auf dem Ausschreibungsweg private Betreiber für die innerhalb der Stadtgrenzen angestrebte Ladesäulen-Infrastruktur zu finden.
Stadt will wohl gemerkt nicht den Betreiber spielen
Indem sie auf das Vergabeverfahren hinwies, machte die Stadt beim Sitzungstermin im Saal des Cuxhavener Stadttheaters deutlich, dass sie eben nicht beabsichtigt, in Eigenregie Stromtankstellen zu errichten oder zu unterhalten. Obgleich denkbar, wurde eine solche kommunale Betreiberschaft nicht unbedingt als der Königsweg beschrieben: Shivam Tokhi, Elektromobilitätsmanager bei der Landesbehörde, plädierte auf die Cuxhavener Situation bezogen klar dafür, Partner aus der freien Wirtschaft zu gewinnen; nach Möglichkeit, indem die Konzessionen in Bündeln vergeben werden. Auf diesem Wege nämlich könnte gewährleistet werden, dass sich Ladesäulen-Betreiber nicht ausschließlich auf die lukrativen Stationen stürzen, sondern parallel zu besagten Rosinen auch ein paar Spots unterhalten, an welchen die zu erwartende Nutzungsfrequenz mäßig oder sogar gering einzustufen ist.

Standorte, die sich wirtschaftlich gesehen nicht als "Bringer" entpuppen, sind aus Tokhis Sicht dennoch nicht zu vernachlässigen: Vor Mitgliedern des Verkehrs-, des Umweltausschusses und den vier Cuxhavener Ortsräten sprach der Referent von der Notwendigkeit, der Bevölkerung die Gewissheit zu vermitteln, E-Autos in Zukunft auch im individuellen Wohn- oder Lebensumfeld laden zu können - Tokhi zufolge ein entscheidender Schritt auf dem Weg zu mehr Akzeptanz für Elektromobilität. Dass immer mehr Verkehrsteilnehmer dem Verbrenner den Rücken kehren, beschrieb der Volkswirtschaftler als Zielvorgabe. Und empfahl, letztere nicht von Prognosen zu E-Auto-Absatzzahlen abhängig zu machen. Um einen Umstieg zu erreichen, so Tokhi, müsse man ähnlich vorgehen wie in den frühen Sechzigerjahren: Seinerzeit war der Ausbau von Tankstellen im Bundesgebiet forciert worden - eben, weil man die Ausbreitung des (benzingetriebenen) motorisierten Individualverkehrs zu fördern trachtete.
Stirnrunzeln angesichts der angeregten Kapazitäten
Kritische Nachfragen gab es am Montag durchaus: Ratsherr Peter Altenburg ("Die Cuxhavener"), überzeugter E-Auto-Fahrer, erkannte auf Anhieb wenig Nutzen in der im Ladesäulen-Konzept empfohlenen Mixed-Struktur. Jene sieht vor, nicht nur Schnelllade-Terminals auszuschreiben, sondern zu einem großen Teil auch auf die Realisierung von Elf- beziehungsweise 22-kW-Ladepunkten zu setzen. Dass diese Strategie zeitgemäß sei, hatte die aus SPD, Grünen und "Cuxhavenern" gebildete Mehrheitskooperation bereits im Vorfeld der Sitzung in Zweifel gezogen. Der Referent rechtfertigte geringere Kapazitäten jedoch mit einem Verweis auf den Preis und die Verweildauer, die an Orten, an welchen Fahrzeuge für einen Einkaufsbummel geparkt werden, durchaus höher ausfallen mag als beim allein dem Stromtanken dienenden Lade-Stopp.
Im Namen der Kooperation bezeichnete der SPD-Ratsfraktionsvorsitzende Gunnar Wegener die oben erwähnte Standort-Bündelung als "gut und richtig" - wie er sich auch generell positiv über das vorgestellte Konzept äußerte. Gleichwohl sprach sich Wegener dafür aus, nichts übers Knie zu brechen und das Papier auf Gremienebene eingehend zu diskutieren. Defizite erkennt die SPD nämlich nach wie vor in Bezug auf die Lademöglichkeiten im Bereich von Mietwohnungskomplexen: Dort seien die meisten Anwohner sogenannte "Laternenparker"; insofern zieht man innerhalb der "Koop" in Zweifel, dass eine Handvoll zentraler Ladeplätze im verdichteten Siedlungsraum die in kommenden Jahren bestehende Nachfrage zu decken vermögen.
Dietmar Rehfeldt (CDU) fragte nach der Entwicklung der vom Endkunden für einen Ladevorgang zu entrichtenden Preise, ein Aspekt, auf welchen die Kommune nach den Worten von Shivam Tokhi allenfalls durch zuvor festgelegte, temporäre Preisgarantien Einfluss nehmen kann. Johannes Sattinger (Grüne) interessierte sich für die Frage, nach welchen Kriterien die Ladesäulen-Standorte eigentlich als solche definiert worden seien. Der Referent erläuterte, dass man einerseits eine Reihe von sich intuitiv erschließenden Punkte (nämlich Bereiche mit hoher Verkehrsdichte und Orte des öffentlichen Lebens) berücksichtigt habe. Andererseits seien auch Standorte in den Außenbereichen in das Gutachten eingeflossen - in der Absicht, den dort lebenden Cuxhavenrinnen und Cuxhavenern eine Perspektive in Richtung Elektromobilität zu geben.