Daniel Draganov genießt die frische Nordseeluft in Cuxhaven vor Beginn des MareMusikFestivals 2025.
Daniel Draganov genießt die frische Nordseeluft in Cuxhaven vor Beginn des MareMusikFestivals 2025.
MareMusikFestival 2025

"Ein Heimspiel mit Meeresrauschen" - Daniel Draganov über Musik und Meer in Cuxhaven

von Jens Potschka | 03.06.2025

Wenn vom 5. bis 8. Juni 2025 das MareMusikFestival Cuxhaven wieder seine Tore öffnet, dürfen sich Klassikliebhaber auf ein langes Wochenende voller musikalischer Highlights freuen.

Einer der Publikumsmagneten: der Geiger, Ensemblegründer und kreative Impulsgeber Daniel Draganov, der das Festival nicht nur mit Vivaldis "Vier Jahreszeiten" im Fort Kugelbake bereichert, sondern auch mit überraschenden Programmen zwischen Wien und Hollywood. Redakteur Jens Jürgen Potschka hat den viel gereisten Musiker im Vorfeld zum Gespräch getroffen - über weiße Sneaker, musikalische Heimatgefühle und kühne Konzertträume auf hoher See.

Herr Draganov, Sie sind bereits mehrfach in Cuxhaven aufgetreten. Was verbinden Sie persönlich mit dieser Stadt und ihrer Kulturszene?

Vor einigen Jahren hat mich mein Freund Mathias Kosel zum ersten Mal nach Cuxhaven geholt. Seitdem habe ich nun schon so oft hier gespielt, dass es, neben meinen beiden großen Fixpunkten Berlin und Bayreuth, langsam zu meiner dritten musikalischen Heimat wird.

Welche besonderen Momente oder Begegnungen bei früheren Auftritten hier sind Ihnen in Erinnerung geblieben?

Es ist schön, immer wieder bekannte Gesichter im Publikum zu entdecken. Sehr lustig war eine Begebenheit bei meinem ersten Auftritt in Cuxhaven mit Mathias Kosel. Kurz vor dem Auftritt bemerkte ich, dass in meinem Koffer keine schwarzen Schuhe waren. So traten wir dann beide in schwarzer Kleidung mit weißen Sneakern auf. Vielleicht dachte der eine oder andere, das sei sehr modern, aber es war tatsächlich aus der Not geboren.

Was dürfen wir in diesem Jahr beim MareMusikFestival von Ihnen erwarten? Können Sie uns schon etwas über das geplante Programm verraten?

Im Fort Kugelbake werde ich mit meinem Ensemble, dem Kammerorchester der Deutschen Oper Berlin und der Solistin Anna Matz, Vivaldis Vier Jahreszeiten präsentieren, die just in diesem Jahr 300 Jahre alt werden. Im großen Festkonzert haben Mathias Kosel und ich einen bunten Blumenstrauß an Überraschungen zusammengestellt. Da ist vieles dabei zum Mitsummen und Mitschwingen. Wir spannen einen Bogen von Wien bis Hollywood. Dazu sind meine Kollegen noch bei zahlreichen anderen Veranstaltungen eingebunden. Wir freuen uns auf ein lebendiges Festival!

Welche Rolle spielt die Atmosphäre des Ortes - die Nähe zur Nordsee, das Licht, die Ruhe - für Ihr Musizieren?

Ich bin in Hamburg aufgewachsen, und seit meiner Kindheit war die Nordsee für unsere Familie ein regelmäßiges Ziel. Seit meine Eltern eine Ferienwohnung mit Meerblick erworben haben, nutze ich diesen Rückzugsort, um aufzutanken und in Ruhe neue Projekte vorzubereiten. Man könnte sagen, die Nordsee ist mein Seelenort.

Sie treten im Rahmen des Festivals auch bei einem Familienkonzert auf - wie unterscheiden sich diese Konzerte für Sie als Musiker?

Es sind meine Kollegen, die in diesem Jahr das Kinderkonzert mit dem Zauberdrachen MO bestreiten. Das ist ein Konzert für Jung und Alt. Die Interaktion mit Kindern ist immer etwas Besonderes, weil die Reaktion, die man bekommt, so unmittelbar und so ehrlich ist.

Cuxhaven ist eine kleine Stadt mit einem feinen, aber wachsenden Kulturangebot. Was reizt Sie daran, gerade hier aufzutreten - abseits der großen Metropolen?

Sobald die Musik beginnt, entsteht eine Interaktion von uns Musikern mit dem Publikum. Da macht es keinen Unterschied, ob man in Berlin oder in Cuxhaven ist. Allerdings habe ich das Cuxhavener Publikum als sehr offen und neugierig auf Neues, aber auch als sehr fachkundig kennengelernt. Inzwischen ist für mich hier eine Vertrautheit entstanden und es ist gefühlt ein Heimspiel.

Inwiefern unterscheidet sich die Zusammenarbeit mit dem MareMusikFestival von anderen Festivals, bei denen Sie spielen?

Durch meine enge Freundschaft und die langjährige Zusammenarbeit mit Mathias Kosel, kann ich hier viele Ideen realisieren, die vielleicht auf anderen Festivals schwerer umzusetzen wären.

Wie erleben Sie die Zusammenarbeit mit dem künstlerischen Leiter Mathias Kosel?

Wir arbeiten seit über 35 Jahren zusammen. Es gibt eine sehr große Vertrauensebene zwischen uns. Man weiß, dass man sich aufeinander verlassen kann und kennt die Denkweise des anderen. Für ein kreatives Miteinander gibt es keine besseren Voraussetzungen!

Laut Mathias Kosel sind weitere Konzerte mit Ihnen in der Region geplant - können Sie dazu schon etwas verraten?

Am 9. November, diesem Schicksalstag der Deutschen, werden Mathias Kosel und ich gemeinsam im Schloss Ritzebüttel ein Programm gestalten, welches anlässlich dieses Datums weit über Musik hinaus gehen wird. Das wird eine emotionale Herausforderung für uns, wie auch für das Publikum, werden. Ich freue mich sehr darauf, am 11. Januar gestalte ich mit Kolleginnen und Kollegen aus den führenden Deutschen Opernhäusern das große Neujahrskonzert. Wir haben ein Programm rund um die Kaiserin Sissy zusammengestellt. Bei der Popularität dieser Dame sollte man sich früh um Karten bemühen. Außerdem planen wir ein Mozart-Fest, aber dazu gibt es sicher demnächst weitere Informationen. 

Gibt es Pläne für neue Formate, etwa Open-Air-Konzerte oder ungewöhnliche Aufführungsorte hier an der Küste?

Als ich kürzlich die Alte Liebe besucht habe, dachte ich daran, wie spektakulär es wäre, den "Fliegenden Holländer" tatsächlich auf dem Wasser, auf Schiffen zu spielen und das Publikum schaut vom Land aus zu. Vermutlich eine zu kühne Idee, aber stellen Sie sich das mal vor...

Haben Sie den Eindruck, dass klassische Musik in ländlicheren Regionen wie hier eine Renaissance erlebt?

Die klassische Musik war immer da. So auch die Musiker und ein interessiertes Publikum. Eine Renaissance sehe ich eher bei den Veranstaltern, die wieder mehr auf klassische Musik setzen und damit Erfolge feiern. Glücklicherweise habe ich hier in Cuxhaven sehr engagierte und fachkundige Ansprechpartner kennenlernen dürfen.

Ihr musikalischer Weg begann früh in der Familie - wie hat Ihr Vater Sie musikalisch geprägt?

Als Vorbild, wie auch als Antipode. Da unterscheidet sich unser Vater-Sohn-Verhältnis vermutlich nicht von so vielen nicht musikalischen Vater-Sohn-Beziehungen. Als ich ein kleines Kind war, haben wir sehr beengt gelebt. Das Zimmer, in dem mein Vater geübt hat, war gleichzeitig mein Spielzimmer. Als kleiner Junge dachte ich, dass alle Erwachsenen Geige spielen.

Was war für Sie persönlich der wichtigste Moment oder Wendepunkt in Ihrer musikalischen Karriere?

Das ist schwer zu sagen. Es gibt im Leben eines Musikers zahlreiche Momente oder Begegnungen, die den Weg prägen. Die erste Berufung ins Bayreuther Festspielorchester, quasi in die Nationalmannschaft, war sicher bedeutend.

Sie haben sowohl in Deutschland als auch in Großbritannien studiert - wie haben diese unterschiedlichen Schulen Sie beeinflusst?

Für jeden jungen Menschen ist es bereichernd, im Ausland, in einem anderen Kulturkreis, zu lernen. Man bekommt von außen einen anderen Blick auf das Musikleben in Deutschland und nimmt neue Ideen mit. Noch dazu kam mein Professor in Deutschland von der New Yorker Julliard School und mein Professor in London aus Moskau. Es war also eine sehr internationale Ausbildung, die ich genießen durfte.

Sie sind nicht nur Geiger, sondern auch Kammermusiker, Ensemblegründer und Impulsgeber. Was reizt Sie an diesen unterschiedlichen Rollen?

Ich sehe es nicht als unterschiedliche Rollen. Es ist mein Weg in der Musik, mit offenen Ohren und offenen Augen durch die Welt zu gehen und Ideen zum Leben zu erwecken. Auch in der Musik ist Stillstand Rückschritt. Ich bin auch nach so vielen Jahren immer neugierig auf Neues und suche Herausforderungen.

Sie haben Werke zeitgenössischer Komponisten wie Mathias Kosel uraufgeführt - wie gehen Sie an neue, oft noch unbekannte Musik heran?

Der Unterschied zum Erarbeiten dieser Werke im Gegensatz zu Stücken, die unter Umständen viele hundert Jahre alt sind, ist für mich, dass ich mit dem Komponisten direkt interagieren kann. Ich kann fragen, aber auch anregen. So entsteht ein völlig neues Werk. Es ist, als wären Komponist und Musiker bei einer Uraufführung gemeinsam die Eltern dieser Musik.

Wie wichtig ist Ihnen die Balance zwischen klassischem Repertoire und zeitgenössischer Musik?

Es gibt in der Musik keine Gegenwart ohne Vergangenheit und keine Vergangenheit ohne Zukunft. Manchmal würden wir uns als Musiker wünschen, unsere Anführer in der Welt würden sich diese Erkenntnis, die in der Musik augenfällig ist, ebenfalls zu Herzen nehmen!

Was braucht ein Werk oder ein Projekt, damit es Sie persönlich begeistert?

Es muss mich auf irgendeine Art herausfordern.

Mit dem Kammerorchester der Deutschen Oper Berlin haben Sie ein Ensemble geschaffen, das tief in der Berliner Musiktradition verwurzelt ist. Was war Ihre Vision bei der Gründung?

Die Idee war es, ein Ensemble zu schaffen, welches frei von den Vorgaben unseres Alltags Projekte umsetzen und die Kreativität der Musikerinnen und Musiker freisetzen kann.

Wie hat sich das Ensemble seit seiner Gründung entwickelt? Welche Herausforderungen und Glücksmomente gab es?

Die Herausforderung ist immer, unsere Ensemblearbeit mit unserer Tätigkeit an der Deutschen Oper Berlin zeitlich und organisatorisch zu koordinieren. Glücklicherweise erhalten wir von der Leitung große Unterstützung.

Wie unterscheidet sich das Musizieren im Orchesteralltag von der Arbeit in einem kleineren Kammerensemble?

Je kleiner ein Ensemble ist, desto mehr Verantwortung trägt der einzelne Musiker. Idealerweise befruchten sich beide Tätigkeiten gegenseitig.

Ist eine Kooperation mit dem Kammerorchester in Cuxhaven denkbar - etwa für das MareMusikFestival?

Diese Bindung besteht nun schon seit Längerem und soll weiter ausgebaut werden. Wir sind mit dem Kammerorchester national und international unterwegs, aber ich würde mich freuen, wenn Cuxhaven ein fester Bestandteil unseres Kalenders werden würde.

Wie sieht ein typischer Proben- oder Konzerttag für Sie aus - wenn es so etwas überhaupt gibt?

Typisch ist wahrscheinlich, dass jeder Tag in der Musik anders endet, als man ihn am Morgen plant.

Was inspiriert Sie abseits der Musik - Literatur, Natur, Kunst?

Für mich ist es auf jeden Fall Natur und hier immer besonders das Meer. Diese Kraft, die so unendlich scheint, wirkt inspirierend und reinigend. Literatur, als Gegensatz für den Social-Media-Wahnsinn, sollte für uns alle wieder viel mehr Inspiration werden.

Welche Musik hören Sie privat - oder lieber gar keine?

Wenn ich ganz ehrlich bin, gibt es wenig Musik, die ich NICHT höre, aber manchmal braucht man als Musiker auch Stille. Sie könnten aber erleben, dass ich in Bayreuth zu einer Vorstellung einer Wagner-Oper fahre und dabei Rammstein höre.

Zum Schluss: Was darf bei einem Aufenthalt in Cuxhaven für Sie persönlich nicht fehlen?

Ein Fischbrötchen, Pannfisch und lange darauf schauen, wie sich die Elbe in die Nordsee ergießt.

Ich danke Ihnen für das Gespräch!

Ein entspannter Moment am Strand von Cuxhaven: Daniel Draganov genießt die frische Nordseeluft zwischen den typischen Strandkörben.

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Jens Potschka

Redakteur
Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

jpotschka@no-spamcuxonline.de

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