Ein neuer Abschnitt beginnt: Dorothea Boßung-Gauweiler übernimmt die Leitung des Waldorfkindergartens in Cuxhaven. Foto: Tamina Francke
Ein neuer Abschnitt beginnt: Dorothea Boßung-Gauweiler übernimmt die Leitung des Waldorfkindergartens in Cuxhaven. Foto: Tamina Francke
"Rein ins kalte Wasser"

Ein Lebenstraum am Meer: Das ist die neue Leitung im Waldorfkindergarten Cuxhaven

von Tamina Francke | 09.09.2025

Mit 60 Jahren wagt Dorothea Boßung-Gauweiler den Neuanfang: Aus der Pfalz zieht sie allein nach Cuxhaven ans Meer - und übernimmt die Leitung des Waldorfkindergartens. Mut, ihre Berufung und der Wunsch nach eigener Selbsterfüllung prägen ihren Weg.

Wenn Dorothea Boßung-Gauweiler an der Kugelbake sitzt und dem Kommen und Gehen der Gezeiten lauscht, spürt sie eine innere Ruhe, die sie lange vermisst hat. Seit dem 1. April leitet die 60-Jährige den Waldorfkindergarten in Cuxhaven - und hat damit nicht nur eine neue berufliche Aufgabe übernommen, sondern auch den lange ersehnten Schritt ans Meer gewagt.

"Wir brechen ungern aus unseren Strukturen aus", sagt sie. "Aber wenn man seiner Berufung nicht folgt, wird man irgendwann krank." Für die gebürtige Landauerin war der Weg an die Küste ein Aufbruch, der Mut verlangte - und auch das Loslassen von Vertrautem. Ihr Mann, der seine Arbeit in der Pfalz liebt, ist zunächst dort geblieben. Boßung-Gauweiler aber hörte auf ihr Herz und zog allein in den Norden. "Wir sehen uns oft, aber ich wusste: Ich muss diesen Schritt gehen."

Berufung gefunden - durch einen traurigen Zufall

Eigentlich hatte sie nach ihrem Theologiestudium Pastorin werden wollen. Doch mit den Strukturen der Kirche tat sie sich schwer. Eine unerwartete Bitte stellte schließlich ihr Leben auf den Kopf: Freunde von Freunden, die ihr Kind verloren hatten, baten sie, die Trauerfeier zu gestalten. "Ich wusste nicht, ob ich das kann. Aber wir haben uns zusammengesetzt, über ihre Bedürfnisse gesprochen - und ich habe Worte gefunden." Diese erste Feier wurde zum Schlüsselerlebnis.

Bald gründete sie eine Kindertrauergruppe, zusammen mit einem befreundeten Bestatter. Kinder zwischen vier und 14 Jahren kamen zu ihr: ein Junge, der den Tod der Mutter miterlebt hatte; ein Mädchen, das den Bruder durch Suizid verlor. "Von diesen Kindern habe ich unendlich viel gelernt", erzählt sie. Doch aus der Beschäftigung mit dem Ende des Lebens erwuchs bei ihr auch der Wunsch, den Anfang stärker in den Blick zu nehmen.

Begeisterung für die Waldorfpädagogik

Ihr Sohn besuchte einen anthroposophischen Kindergarten, und bald stand sie selbst immer mal wieder als Aushilfe in der Gruppe. "Da wurde mir gesagt, ich hätte dafür eine Begabung." 2015 schloss sie deshalb die Ausbildung zur staatlich anerkannten Waldorferzieherin ab.

Doch in der Pfalz, zwischen Reben und Bergen, fühlte sie sich nie wirklich zuhause. "Ich bin kein Bergmensch. Ich brauche Ebbe und Flut." Ihre Tochter sprach deshalb irgendwann das aus, was alle längst spürten: "Du musst ans Wasser." Also begann sie gezielt nach Kindergärten an der Küste zu suchen - und stieß auf Cuxhaven.

Im Waldorfkindergarten Cuxhaven verantwortet sie drei Gruppen und ein starkes Team. Foto: Tamina Francke

"Das war nicht leicht, aber es war notwendig"

Dass dort die Leitungsstelle vakant war, war eher Zufall. "Ich dachte mir: Wenn du etwas lernen willst, dann lehre es. Also rein ins kalte Wasser." Sie entschied sich, den Schritt allein zu gehen - aber mit Unterstützung. "Ich bin nicht gerne weg von meiner Familie und der gewohnten Umgebung. Das war nicht leicht, aber es war notwendig. Ich musste es für mich tun."

Im Waldorfkindergarten Cuxhaven trägt Boßung-Gauweiler nun Verantwortung für drei Gruppen - zwei Kindergartengruppen mit fast 50 Kindern und eine Krippe. Neun Erzieherinnen gehören zu ihrem Team. "Ohne sie würde es nicht gelingen. Ich habe hier großes Glück."

Ihre seelsorgerische Arbeit hat sich seither verlagert, bleibt aber präsent: Als Dozentin lehrt sie in Mannheim über Kindertrauer, Elternbegleitung und die Haltung von Pädagoginnen und Pädagogen im Krisenfall. "Alles, was wir für ein Kind tun, tun wir nicht nur für den Augenblick, sondern für sein ganzes Leben", ist sie sich sicher. Darin schließt sich für sie ein Kreis - von der Begleitung am Lebensende hin zur Stärkung am Lebensanfang.

Ein Traum von ihr ist es, künftig auch ältere Menschen in den Kindergartenalltag einzubeziehen - Großeltern, die vorlesen oder mitwerkeln. Doch sie weiß um die Balance: "Ich bin gerade erst hier angekommen. Veränderungen brauchen Zeit - und manchmal auch die Bereitschaft, doch erst noch einmal zurückzurudern."

Mut zur Selbstverwirklichung

Wenn ihr der Alltag zu eng wird, geht sie ans Wasser. Dort, am Strandkorb nahe der Kugelbake, findet sie Gelassenheit. "Die Gezeiten lehren, dass Probleme kommen - und auch wieder gehen." Ihr Lieblingszitat von Astrid Lindgren stammt aus den Abenteuern von Pippi Langstrumpf - und passt für sie wie ein Lebensmotto: "Das habe ich noch nie vorher versucht, also bin ich völlig sicher, dass ich es schaffe."

Mit dieser Haltung hat Dorothea Boßung-Gauweiler den Schritt aus der Pfalz nach Cuxhaven gewagt - und der zeigt: Mut zur Selbstverwirklichung lohnt sich. Hier hat sie nicht nur eine neue berufliche Heimat gefunden, sondern auch das Meer in nächster Nähe, das sie sich schon so lange für sich gewünscht hat.

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Tamina Francke

Redakteurin
Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

tfrancke@no-spamcuxonline.de

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