Viele Bilder von 1975: So wurde die Eröffnung der Cuxhavener Fußgängerzone gefeiert
Die Autohändler bewarben den neuen Opel Ascona, bei Karstadt gab es Musik-Cassetten für fünf Mark und in Niedersachsen herrschten 35 Grad, als im Cuxhavener Stadtzentrum im August 1975 mit einer riesigen Sause die Fußgängerzone eröffnet wurde.
Kurz zuvor hatten sich 64 Geschäfte der frisch gegründeten Werbegemeinschaft Centrum Cuxhaven angeschlossen.
Drei Tage - vom 14. bis zum 16. August - dauerte das Straßenfest in der Nordersteinstraße und den umliegenden Straßen. Dieses Spektakel haben sich nur wenige der damals 60.353 Einwohner der Stadt Cuxhaven entgehen lassen, die auch für die Bevölkerung der weiteren Umgebung ein wichtiges Zentrum (wenn es nach den Geschäftsleuten ging, gar ein "Einkaufsparadies") war.
Rudi Carrell trieb Spaß bei der Eröffnung
Ganz Cuxhaven inklusive zahlreicher Kurgäste war auf den Beinen, schließlich mussten nicht nur die Angebote der lokalen Kaufmannschaft erkundet werden, deren Anzeigen am Eröffnungstag pro Lokalzeitung (und es gab drei davon) ganze elf Anzeigenseiten füllten, sondern auch das Unterhaltungsprogramm in vier "Erlebniszonen" wollte niemand verpassen. Zumal sich auch Entertainer Rudi Carrell, der damals während der Saison regelmäßig im Cuxhavener Kurpark sein Programm "Am laufenden Band" (angelehnt an die gleichnamige Fernsehshow) präsentierte, angesagt hatte.

In der ganzen Stadt war etwas los
Dazu gab es Musik mit den Bückeburger Jägern und mehreren Spielmannszügen, Kinderkarussells, Fahrten mit Pony- und Eselwagen, Tanzvorführungen des ATSC, eine Herbstmodenschau, Auftritte des Cuxhavener Shanty-Chors und des "Trio Maris" und vieles mehr. An der ganzen Straße wurde etwas geboten. Zum Ausklang wurde ein großes Sommernachtsfest gefeiert, das allerdings im Strandhaus Döse im Saal und mit Livemusik.


Pferdefuhrwerke und Autos auf dem Kopfsteinpflaster
Alte Bilder zeigen die Nordersteinstraße noch als befahrene Hauptverkehrsache zwischen dem Kämmererplatz und der Südersteinstraße. Erst waren Pferdefuhrwerke, dann Autos auf dem Kopfsteinpflaster unterwegs. Geschäfte verlockten zum Bummeln, deckten aber auch noch den Alltagsbedarf mit zahlreichen Bäckereien, Schlachtereien, Delikatessen- und Obstgeschäften.


Die Kundschaft bewegte sich weitgehend auf den Bürgersteigen. Nur wenn Karstadt (bis 1960 noch inmitten der Einkaufstraße) zum Sommerschlussverkauf öffnete, drängelte sich die preisbewusste Kundschaft vor den Eingangstüren und brachte den Verkehr zum Stoppen.
Große Bürgerbeteiligung bei der Planung
"Autos raus" - und zwar komplett: Erste Vorstöße dazu unternahmen ab 1969/70 Hermann Busse, Paul Westermann, Hartmut Schormann und Werner Kammann, als viele Geschäfte begannen, ihre Innenräume und Fassaden neu zu gestalten. Ab Februar 1974 wurden die Entwürfe dazu im Rathaus und in zahlreichen Bürger- und Kaufmannsversammlungen diskutiert, ein Vorgang, der erhebliche Anerkennung erntete.
Angesichts der hochsensiblen Frage nach der Höhe der von den Anwohnern erhobenen Erschließungsbeiträge und einer Gesamtinvestition von 1,1 Millionen DM sei die intensive Beteiligung der einzig richtige Weg gewesen, hieß es.
Lange Diskussion über die Segelckestraße
Ob die Segelckestraße als Verbindung zwischen Hardewiek und Holstenplatz für den Verkehr geöffnet bleiben und damit die Fußgängerzone durchschneiden sollte, wurde fast bis zum Schluss diskutiert. Am Ende wurde die Segelckestraße an beiden Seiten abgebunden. Die Umgestaltung führte die Altenwalder Tiefbaufirma Karl Peters in drei Bauabschnitten durch.

Oberbürgermeister Werner Kammann (SPD) bezeichnete die neu gestaltete Innenstadt als Treffpunkt, Ruhe- und Erlebniszone, ein weiterer Schritt zu einer "menschlichen Stadt". Seine bei dem Anlass geäußerte Vision, bald als Stadt die Regie über das Schloss Ritzebüttel (damals Landesbesitz) zu erlangen, um es zu sanieren und für die Öffentlichkeit zu öffnen, ist heute längst Realität.
"Rücksicht auf die Hausfrauen nehmen"
Der Vorsitzende der Interessen- und Werbegemeinschaft, Vollrath Fulfs, mahnte trotz aller Euphorie über das weit ins Umland ausstrahlende Einkaufszentrum, nicht über das Ziel hinauszuschießen und nun erstmal kürzerzutreten. "Fulfs fand, dass man dabei auch an die Autofahrer und Hausfrauen denken solle", hielt Lokalreporter Konrad Nonnast fest.


50 Jahre danach ist es ein zum Teil wehmütiges Vergnügen, die Namen der lokalen Wirtschaft von damals durchzustöbern. Namen wie Drogerie Lues, Stoffmoden Kuschert, Woll-Koch, von Broock, Porzellan-Meyer, Schuhhaus Weitzel, Modehaus Both, Fischhaus Wonszak, Schuhhaus Laporte, Wilhelmi, Möbel-Heitzer, Juwelier Wöbber, Büromaschinen-Geuke, Fulfs, Hansa-Grill, ja selbst Karstadt und nun auch Schuhhaus Ney sind von den Fassaden verschwunden, manchmal mit ihnen auch das ganze Gebäude.


