Noch Im Juli 2023 wurde die „Hermine“ dank Fördermittel durch ein modernes Beleuchtungskonzept neu in Szene gesetzt. Doch das schöne Licht konnte schon zu diesem Zeitpunkt nicht mehr über den desolaten Zustand des Gaffelschoners hinwegtäuschen. Foto: Potschka
Noch Im Juli 2023 wurde die „Hermine“ dank Fördermittel durch ein modernes Beleuchtungskonzept neu in Szene gesetzt. Doch das schöne Licht konnte schon zu diesem Zeitpunkt nicht mehr über den desolaten Zustand des Gaffelschoners hinwegtäuschen. Foto: Potschka
Cuxhavens heimliches Wahrzeichen

"Besonderer Glücksfall" - trotzdem bald weg? Warum Cuxhavens Hermine zu erhalten ist

von Jens Potschka | 21.09.2024

Die aktuelle Entwicklung verheißt nichts Gutes: Das denkmalgeschützte Museumsschiff "Hermine" wird unter Umständen in Cuxhaven abgewrackt. Noch hält sich die Verwaltung im Rathaus bedeckt. Doch die Frage muss gestellt werden: Quo vadis "Hermine"?

Vieles spricht derzeit für das Abwrack-Szenario, denn in diesem Jahr 2024 wurden keine größeren Instandhaltungsmaßnahmen am Schiff durchgeführt, wie sie in den Vorjahren durchaus üblich waren.

Die zwei Masten und der stolze Klüverbaum wurden bereits am 23. Dezember 2023 abgesägt. Ein Gutachten hatte deren mangelnde Standsicherheit bemängelt. Zur Beruhigung hieß es seinerzeit aus dem Rathaus, dass der zuständige städtische Fachbereich sich im Vorwege bereits mit den Möglichkeiten einer Sanierung der "Hermine" auseinandergesetzt habe und dies auch weiterhin tun werde.

Die Idee vom Jugend-Segelschiff 

Jüngst wollen Fachleute zudem einen großflächigen Pilzbefall am Holzrumpf des viel fotografierten Gaffelschoners entdeckt haben. Nun steht zu befürchten, dass die "Hermine" möglicherweise ganz verschwinden soll. Eine endgültige Entscheidung ist offenbar bisher nicht gefallen. Doch hinter den Kulissen scheint das Schicksal der "Hermine" längst beschlossene Sache zu sein.

Kurz vor Heiligabend 2023 verlor die stolze "Hermine" ihre zwei Masten und den Klüverbaum. Ein Gutachten hatte deren mangelnde Standsicherheit bemängelt. Foto: Potschka

In den Protest mischt sich jetzt auch der Erziehungswissenschaftler Prof. Dr. Ph Dr. Jörg W. Ziegenspeck (Leuphana Universität Lüneburg) ein, der bei der ersten Rettungsaktion Anfang der 1980-er Jahre maßgeblich beteiligt war. Damals gelang es, den betagten Schiffsrumpf aus Schweden nach Deutschland zurückzuholen. Mangels finanzieller Mittel war es allerdings nicht möglich, das Schiff seetauglich zu restaurieren. Angedacht war ein Jugendschiff, mit dem schwierige Jugendliche auf den richtigen Kurs gebracht werden, auf ihre "Fahrt ins Leben".

Prof. Dr. Jörg W. Ziegenspeck möchte die "Hermine" erhalten. Foto: privat

Schiff sank im Winter 1981 und wurde später restauriert

Jörg W. Ziegenspeck erinnert sich: "Ursprünglich aber war der Verein gegründet worden, um den letzten hölzernen Gaffelschoner deutscher Produktion zu retten, den der Schiffshistoriker und Journalist Joachim Kaiser in den schwedischen Schären von Stockholm (wieder)entdeckt hatte." Sein Artikel in der Zeitschrift "Yacht" (1980), "Ein Gaffelschoner wartet auf die Rettung: 'Hermine‘", veranlasste Jörg W. Ziegenspeck dazu, alle Hebel in Bewegung zu setzen. Das "Jahr des Kindes" (1979) war gerade vorbei, als er unter dem Motto "Ein altes Schiff für die junge Generation" eine Pressekampagne startete und sich dafür engagierte, das Schiff nach Deutschland zurückzuholen und es als Jugend-Segelschiff aufzubauen.

Unter erheblichen Anstrengungen, von zahlreichen Förderern aktiv unterstützt, gelang es Ziegenspeck, den alten Rumpf im Laderaum eines Küstenmotorschiffes nach Hamburg transportieren zu lassen. Auf der Werft von Jochen Behrens in Finkenwerder, dem Ort, an dem "Hermine" 1904 (seinerzeit Lüneburg-Finkenwerder) das Licht der Welt erblickte, wartete das Schiff auf die Konkretisierung der Pläne zur Restaurierung.

"Bei näheren Untersuchungen stellte man fest, dass für den originalgetreuen Wiederaufbau des hölzernen Schiffskörpers und die Rekonstruktion der Takelage erhebliche finanzielle Mittel erforderlich wären. Eine große Spendenaktion wurde zwar in Gang gesetzt, aber ein früher Wintereinbruch 1981 mit Eisgang auf der Elbe ließ die Pumpen einfrieren, der Rumpf wurde vom Eis eingedrückt, sodass das Schiff sank. An einen Wiederaufbau war nun nicht mehr zu denken. Taucher dichteten das Leck notdürftig ab, und das Schiff wurde gehoben. Alle Pläne zur Reaktivierung mussten aufgegeben werden. Das Schiff wurde dem Wrackmuseum in Cuxhaven geschenkt", berichtet Jörg W. Ziegenspeck und erinnert an das berufsqualifizierende Programm des Arbeitsamtes, das Schiff als Museumsobjekt zu restaurieren. 

Ein maritimes Denkmal mitten in der City von Cuxhaven

Seitdem steht die "Hermine" als maritimes Denkmal mitten in der Cuxhavener Innenstadt am Schleusenpriel und kann von außen besichtigt werden. "Von den vielen Typen unserer alten hölzernen Frachtsegler befindet sich heute nur ein einziges repräsentatives Exemplar in gesichertem Museumsbesitz. Die anderen erhaltenen Gebrauchssegler sind allesamt Fischereifahrzeuge gewesen, die teils von Museen, teils von engagierten Privatleuten erhalten werden. Ob von den erwähnten Rümpfen im skandinavischen Raum der eine oder andere zum Zwecke der Restaurierung nach Deutschland zurückgeholt werden kann, ist fraglich. Unsere Museen jedenfalls scheinen hierzu nicht in der Lage zu sein", stellt Ziegenspeck fest und fügt hinzu: "Unter den erhaltenen Schiffsrümpfen ist nach heutigem Wissensstand auch keiner, der von und Größe her dem des alten Gaffelschoners 'Hermine′ gleicht. Es muss schon als ein besonderer Glücksfall angesehen werden, dass ein hölzerner Segelschiffrumpf dieser Art und Größe - wenngleich in schlechtem Gesamtzustand - bis heute erhalten geblieben ist." 

Kurz vor Heiligabend 2023 verlor die stolze "Hermine" ihre zwei Masten und den Klüverbaum. Ein Gutachten hatte deren mangelnde Standsicherheit bemängelt. Foto: Potschka

Für den originalgetreuen Wiederaufbau des hölzernen Schiffskörpers und die Rekonstruktion der Takelage sind Mittel in erheblicher Höhe erforderlich. Fachleute beziffern die nötigen Investitionen auf einen höheren sechsstelligen Betrag. "Es muss jedoch bedacht werden, dass die mögliche Restaurierung des Jachtschoners  'Hermine′ eine unwiederbringliche Chance darstellt, zukünftigen Generationen ein typisches Objekt einheimischer Schiffbautradition zu erhalten."

Prof. Ziegenspeck: "Denkmalschutz wird in die Irre getrieben"

Wenn es auch nicht gelang, das Schiff "Hermine" zum Jugendschiff zu entwickeln und damit erneut in Fahrt zu bringen, führte die Rettung des alten Rumpfes doch dazu, dass die Stadt Cuxhaven ein attraktives und geschichtsträchtiges Museumsschiff öffentlich präsentieren kann, das in Verbindung mit dem 2013 eröffneten Wrack- und Fischereimuseum "Windstärke 10" die maritime Tradition der Seestadt unterstreicht und die Exponate des Museums eindrucksvoll ergänzt.

Aus Sicht von Jörg Ziegenspeck muss die "Hermine" erhalten werden, weil es sich bei dem Schiff um den letzten 1904 erbauten deutschen Gaffelschoner handelt und er der einzige noch ganz aus Holz erhaltene Schiffstyp dieser Art ist. Außerdem würde durch ein Abwracken des Schiffes der "Denkmalschutz in die Irre getrieben", wenn er im Einzelfall außer Kraft gesetzt wird.

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Jens Potschka

Redakteur
Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

jpotschka@no-spamcuxonline.de

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