Geplante „Leuchttürme“ sollen Bürgerinnen und Bürgern im Katastrophenfall Orientierung und Unterstützung bieten. Foto: Arne Dedert/dpa
Geplante „Leuchttürme“ sollen Bürgerinnen und Bürgern im Katastrophenfall Orientierung und Unterstützung bieten. Foto: Arne Dedert/dpa
Eigeninitiative ist gefordert

Kein Netz, Düsternis, Abwasserstau: Szenarien eines Blackouts in Cuxhaven

von Maren Reese-Winne | 15.10.2025

Plötzlich ist es kein exotisches Thema mehr: Vorsorge für den Katastrophenfall bewegt inzwischen viele, die sich nicht hätten träumen lassen, womöglich mal einige Tage ohne Strom dazusitzen. Details - auch anrüchige - nannte ein Vortrag in Cuxhaven.

Dass es angesichts der Weltlage und jederzeit drohender Naturkatastrophen keineswegs abwegig ist, sich auf mehrtägige Stromausfälle und Versorgungsengpässe einzustellen, hat sich herumgesprochen. Bei der Tragweite der Szenarien wurde es vielen, die am Dienstag dem Katastrophenschutz-Experten Gerd Klemusch zuhörten, aber doch mulmig. Da gewinnt die bislang vom Camping bekannte Trocken-Trenntoilette auf einmal deutlich an Bedeutung.

Ohne Strom laufen die Pumpen nicht

Denn dass bei einem Blackout wahrscheinlich noch lange Zeit frisches Trinkwasser (wenn auch kalt) aus dem Hahn fließen würde, tröstet nicht über ein Folgeproblem hinweg: nicht mehr abfließendes Abwasser. Weil die Pumpen nicht mit Notstrom ausgestattet seien, falle der Transport Richtung Kläranlage aus, so Gerd Klemusch (Abteilung Wasserwirtschaft, Abfall und Katastrophenschutz).

Er hat auf Katastrophenschutztagen oder dem Buttfest schon oft über Vorratshaltung informiert und früher meist ein Lächeln und den Hinweis auf die stets geöffneten Geschäfte kassiert. Das sei inzwischen anders. Auch die rund 50 Gäste der VHS-Veranstaltung suchten praktische Tipps und stellten viele Fragen.

Gerd Klemusch stellte dar, mit welchen Konsequenzen bei einem flächendeckenden Stromausfall zu rechnen ist und nannte Maßnahmen, mit denen Privatleute Vorsorge treffen können. Foto: Reese-Winne

Verantwortung statt Panik

Naturkatastrophen, Defekte, Unfälle oder ein Verteidigungsfall könnten die Versorgungsstruktur binnen kürzester Zeit zum Erliegen bringen. Ohne Panik zu verbreiten, sprach Gerd Klemusch am Beispiel Blackout Klartext: "Nichts geht mehr, weder zu Hause, in der Industrie, in den Geschäften oder den Banken."

Mobilfunk und das (fast flächendeckend internetbasierte) Festnetz fielen innerhalb der nächsten 30 Minuten bis zwei Stunden aus. "Sie können dann keine Hilfe mehr holen oder Leute benachrichtigen", gab er zu bedenken. Weder die Tankstellen noch die Einkaufsmärkte in der Stadt Cuxhaven (bis auf zwei Ausnahmen) verfügten über eine Notstromversorgung. Nicht mal manuell lasse sich noch Treibstoff in die Fahrzeuge befördern. E-Autos fielen ebenso aus wie wasserstoffbetriebene Fahrzeuge, zu denen auch die kommunalen Müllfahrzeuge mit Wasserstoffantrieb gehören.  

Erst Abrüstung, dann Aufrüstung

Nachdem die Maßnahmen des Zivilschutzes nach dem Ende des Kalten Kriegs massiv zurückgefahren worden waren, müssten jetzt mühselig neue Strukturen aufgebaut werden: Natürlich trage die Stadt Cuxhaven dafür Sorge, dass Rettungsfahrzeuge, Katastrophenschutzorganisationen und Verwaltung im Notfall mit Strom und Treibstoff versorgt seien, dass es Notbrunnen, Wasservorräte und Notunterkünfte mit ausreichend Bettzeug, Hygienepacks und Notfall-Kleidung gibt, so Klemusch.

Katastrophenschutz-Leuchttürme

Die Feuerwehrgerätehäuser sollen zu Katastrophenschutz-Leuchttürmen ausgebaut werden, in denen es Informationen, Erste Hilfe, Kommunikations- und Transportmöglichkeiten in Notunterkünfte, eventuell einige Medikamentenvorräte und Lademöglichkeiten für überlebensnotwendige Geräte oder E-Rollstühle gibt (nicht für private Handys). Drei "Leuchttürme" sollen noch in diesem Jahr fertig werden.

Gerd Klemusch nannte Maßnahmen, mit denen Privatleute Vorsorge treffen können. Lange haltbare Lebensmittel können im Notfall über einige Tage hinweghelfen. Foto: Reese-Winne

Komplettversorgung durch die öffentliche Hand ist nicht zu erwarten

Klemusch zeigte klare Grenzen auf: Die Stadt unterhalte weder Lebensmittellager noch könne sie im Notfall große Mengen an Lebensmitteln schnell herbeischaffen. Nicht zu vergessen: Die Möglichkeiten der Hilfsorganisationen seien wegen der limitierten Zahl an Ehrenamtlichen endlich.

Mit Bargeld ist immer noch etwas zu kaufen

Hier sei Eigenverantwortung gefragt: Mit einem Vorrat an haltbaren Lebensmitteln und Trinkwasser und auch mit etwas Bargeld im Haus, um ohne die Abhängigkeit von elektronischen Kassen auf dem Wochenmarkt oder in Hofläden einkaufen zu können. Eine Möglichkeit zum Erwärmen von Speisen, ein (etwa vier Wochen reichender)  Vorrat an individuell benötigten Medikamenten, Batterien, ein Kurbelradio (die öffentlich-rechtlichen Sender sind zur Sicherstellung des Betriebs verpflichtet und stellen die Information sicher), stromunabhängige Lichtquellen (solar-/kurbelbetrieben) und griffbereite Kopien wichtiger Dokumente empfahl Klemusch ebenfalls als Grundausstattung.

Gedankenspiele setzten schon während des Vortrags ein: Was, wenn Personen auf lebensnotwendige Geräte oder Medikamente angewiesen sind? Was, wenn der Pflegedienst auf einmal nicht mehr durchkommt? Was passiert mit Haustieren, denn deren Aufnahme in Notunterkünfte wird konsequent ausgeschlossen? Ob Supermärkte wohl ihre Kühlartikel lieber an die Bevölkerung ausgäben, statt diese verderben zu lassen?

Niemand weiß, wo hilfsbedürftige Menschen wohnen

Für die Stadt gebe es keinerlei Möglichkeiten, an persönliche Daten hilfsbedürftiger Personen zu gelangen, stellte Gerd Klemusch klar. Im Wege eines Modellprojektes werde in der Wesermarsch gerade ein Online-System mit freiwilligen Einträgen Betroffener erprobt.

Im Katastrophenschutz ist viel Bewegung

Im Katastrophenschutz ist viel Bewegung: Demnächst soll sich das Gesicht der Katastrophenschutz-App BIWAPP deutlich verändern; die Cuxhavener Hilfsorganisationen planen ihre insgesamt vier Feldküchen künftig gemeinsam zu betreiben, die Stadt wartet auf neue Transportfahrzeuge und Notstromaggregate und arbeitet an Lösungen mit der EWE zur Lösung der Abwasserproblematik - eine Geldfrage.

Eines wollte eine Seniorin, die mit mehreren Bewohnerinnen ihrer Wohneinrichtung gekommen war, nicht vergessen lassen: "Wir werden ja wohl zusammenrücken und uns gegenseitig helfen, das seht Ihr doch auch so, oder?" Darauf deuteten bisherige Erfahrungen auf jeden Fall hin, so Gerd Klemusch: "Ist die Lage da, halten die Leute zusammen."

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Maren Reese-Winne

Redakteurin
Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

mreese-winne@no-spamcuxonline.de

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