
Leiche vor Cuxhavens Küste: Was über den Fundort Hoher Knechtsand bekannt ist
Die Identität der Leiche vom Hohen Knechtsand soll am Freitag bei der Obduktion geklärt werden. Aber auch wer den Leichnam entdeckt hat ist noch unklar. Es lohnt sich ein Blick mit einem Experten auf die auch historisch bedeutende Fundstelle.
Der Fund einer Wasserleiche vor der Küste des Kreises Cuxhaven hat hohe Wellen geschlagen. Neben der Identität des Leichnams ist auch die Identität des Finders unbekannt.
Am Montag, 26. Juni, ist die Erstmeldung - anders als ursprünglich kommuniziert - nicht bei der Wasserschutzpolizei eingegangen. Sie erreichte gegen 15 Uhr die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGZRS) - per Online-Kontaktformular.
DGZRS alarmiert Polizei
"Wir haben die Erstmeldung über eine Melderin oder einen Melder bekommen, dass offenbar eine Leiche gesehen wurde. Wir haben das an entsprechende Stellen weitergegeben, da das nichts mit Seenotrettung zu tun hat", sagt Ralf Baur von der DGZRS.
Wer sich gemeldet hat, weiß auch er nicht. Die Meldung erfolgte anonym. "Gleichzeitig wurde reingeschrieben, dass das Kontaktformular der Bundespolizei ebenfalls genutzt wurde."
Die Polizei ermittelt in alle Richtungen, sagt Dienstschichtleiter Jan Hilbig von der Polizei Cuxhaven. "Ausschließen können wir Fremdverschulden nicht. Aber derzeit gibt es keinerlei Hinweise darauf, dass die Leiche dort abgelegt wurde."
Das ist der Große Knechtsand
Laut Tidenkalender war am Montag gegen 13 Uhr Niedrigwasser berechnet. Wer könnte sich also zum Meldezeitpunkt oder kurz vorher in Sichtweite der Leiche befunden haben? Es lohnt sich ein Blick auf das Gebiet, in dem der Leichnam gefunden wurde.
"Der Große Knechtsand ist einer der ursprünglichsten Orte im Nationalpark Wattenmeer. Einer der ganz offenen Bereiche zwischen Weser und Elbe mit hohen Sandbänken", schwärmt Dr. Gregor Scheiffarth von der Nationalparkverwaltung.
"Das ist eine unserer heiligen Kernzonen, eine der größten zusammenhängenden Ruhezonen des Nationalparks." Betreten ist - außer im Notfall - nur mit einer Sondergenehmigung erlaubt.
"Da fährt kaum einer lang"
Der "Hohe Knechtsand" auf dessen Höhe die Leiche gefunden wurde, ist ein Hochsand in dem Sandbankgebiet. Er ist schon in alten Seekarten verzeichnet und wird zum Teil bei Hochwasser nicht überspült. Welcher Teil das genau ist, ändert sich jedes Jahr.
Scheiffarth kennt das Gebiet gut - vor allem aus der Luft. Regelmäßig zählt er bei Überflügen Meeresenten. "Das Gebiet ist sehr weit draußen, da fährt kaum einer lang. Außer vielleicht mal ein Fischkutter aus Wurster Nordseeküste", spricht er aus Erfahrung. Ein klassisches Seglergebiet ist es nicht, auch Kajakfahrer tummeln sich dort eigentlich nicht.
Wer dort fährt, muss sich auskennen
"Es gibt nur wenige Menschen, die sich da sicher bewegen können, ohne in Lebensgefahr zu geraten und die sich das zutrauen." Das Gebiet rund um den Hohen Knechtsand ist relativ flach, fällt schnell trocken und ist nicht vertonnt, bestätigte auch ein Mitarbeiter der Wasserschutzpolizei Wilhelmshaven auf Nachfrage. "Da muss man sich auskennen und muss genau wissen, wo man da fährt."
Ein sicherer Weg führt auch bei Niedrigwasser am Hohen Knechtsand vorbei: das Fahrwasser Robinsbalje im Südwesten. Es hat auch bei Niedrigwasser ausreichend Tiefgang für zum Beispiel Fischkutter.
Könnte die Leiche also von einem Boot aus gesichtet worden sein?

Bergung unter schwierigen Umständen
"Aus der Robinsbalje bei dem Seegang? Das halte ich für arg unwahrscheinlich. Da hätte man eine erhöhte Position gebraucht", sagt Svante Oehmsen, Vorsitzender der DLRG Ortsgruppe Dorum.
Sie hatte die Leiche am Montag bei Windstärken zwischen fünf und sechs und Wellengang von 1,5 Metern geborgen.
Selbst mit den vom Polizeihubschrauber durchgegebenen Koordinaten und Fernglas konnten sie aus dem Flachwasser heraus nur spekulieren. Die letzten 300 Meter zum Fundort legten eine DLRG-Einsatzkraft und ein Ermittler der Polizei Cuxhaven zu Fuß zurück.
Fantastisch und tückisch zugleich
Wattwanderer hält Dr. Gregor Scheiffarth ebenfalls für unwahrscheinlich. Sehr erfahrene Wattwanderer würden die Sandbank vielleicht zu Fuß erreichen. "Das ist aber nicht ungefährlich und mit einem hohen Risiko behaftet.
Das ist ja genau das Fantastische, aber auch das Tückische dieser Gegend. Sie ist durchzogen von tiefen Rinnen." Spekulieren möchte er nicht, weiß aber aus eigener Erfahrung, dass man angespülte Wasserleichen aus der Luft gut erkennen kann.
Fundgebiet war Übungsfläche für Royal Air Force
Der große Knechtsand ist nicht zum ersten Mal Schauplatz. Noch heute liegen in der Nähe Wracks, die der britischen Air Force in den Fünfzigerjahren als Bombenabwurf-Übungsziel dienten. Gleichzeitig war es aber auch lange das wichtigste Mausergebiet für die europäische Population der Brandgänse. 100.000 Tiere kamen im August an die Wurster Küste.
"In der Zeit hat sich an der Küste eine ganze starke Naturschutzinitiative gegründet, die dazu geführt hat, dass der Nutzungsvertrag 1957 nicht verlängert wurde. Es ist eine Keimzelle des Naturschutzes im Wattenmeer."
1962 ist der Tanker "Dunja" auf den Hohen Knechtsand aufgelaufen und liegt ebenfalls noch heute dort.
So sieht es heute auf dem Hohen Knechtsand aus
Die Brandgänse haben in der Zwischenzeit ihr Mausergebiet verlegt. Trotzdem ist der Hohe Knechtsand noch heute bei Hochwasser ein wichtiger Rückzugsort für viele Vogelarten, wie den Austernfischer oder den Großen Brachvogel. Seehunde nutzen vor allem die Sandbänke drum herum, in Einzelfällen sind sie aber auch dort.
Eines brennt Scheiffarth auf den Nägeln: Bei all den realistischen Gefahren, die im Watt lauern, sollte jeder eine geführte Wattwanderung machen. "Das ist eine tolle Möglichkeit, diese verborgene Welt kennenzulernen, ein Gefühl dafür zu bekommen - und ein bisschen Respekt."
Von Katja Gallas