Cuxhavener Rollstuhlfahrer kritisiert Barrierefreiheit und Inklusion in der Stadt
Der Weg zur Bank oder zum Einkaufen seien für "die meisten gesunden Menschen" alltägliche Dinge, die sie ohne viel Anstrengung erledigen können, weiß der 43-jährige Nico Albers. Für ihn sind diese Aktivitäten allerdings kaum alleine zu schaffen.
Nico Albers leidet unter einer seltenen Stoffwechselerkrankung. Diese zersetzt die Muskulatur und raubt ihm Lebensqualität. Durch seine Erkrankung kann Albers nur noch bedingt aufstehen und kleine Schritte gehen. Seit 2018 ist seine Krankheit soweit fortgeschritten, sodass er die meiste Zeit des Tages auf den Rollstuhl angewiesen ist.
"Die Menschen können es nur sehr schwer verstehen. Man kann es den Leuten ansehen, was sie denken, wenn ich aus dem Rollstuhl aufstehe", so Albers. Ganz so einfach sei das Aufstehen für ihn allerdings nicht - es kostet ihn viel Kraft und braucht Unterstützung. Dafür hat einer seiner Rollstühle eine Liftfunktion, die es ihm ermöglicht, sich aufzurichten. Zudem hat der von der Krankenkasse finanzierte Rollstuhl eine Restkraftunterstützung, die mit einem Akku läuft und den 43-Jährigen beim Fahren unterstützt.
"Ein Jahr lang fehlte die Lebensqualität"
"Dieser Antrieb ging irgendwann kaputt, dadurch hat mein Mann einige Unfälle - natürlich unabsichtlich - gebaut. Zum Beispiel hatte er einen Hund angefahren oder ist auf einmal rückwärts gefahren", erklärte Melanie Albers, die Ehefrau des Grodeners. Ein Jahr lang habe es gedauert, bis der Rollstuhl wieder repariert war. "Wir mussten lange diskutieren und kämpfen, damit wir ernstgenommen werden und der Rollstuhl repariert wurde", berichtet die Ehefrau wütend.
Dadurch sei ihrem Mann ein Jahr Lebenszeit genommen worden, in diesem Jahr kam er weder zur Arbeit, noch konnte er etwas mit seiner Familie unternehmen. Ein neuer Rollstuhl hätte das Ehepaar 20.000 bis 25.000 Euro gekostet. Die 40-Jährige erklärte: "Ich habe Glück, dass ich überwiegend von zu Hause aus arbeiten kann, dadurch ist es für mich einfacher, meinen Mann zu unterstützen und zu pflegen."
Zu viele Probleme im Alltag des 43-Jährigen
"Eine vollständige Inklusion ist für mich erst erreicht, wenn jeder körperlich und geistig behinderte Mensch mit jedem gesunden Menschen auf Augenhöhe ist - davon sind wir leider weit entfernt", ärgert sich Albers.
Oft sind schon drei Zentimeter hohe Bordsteinkanten ein Problem für Rollstuhlfahrer. "Es ist nicht möglich, überall hinzukommen, viele Wege sind kaum barrierefrei. Allein der Weg zum Arzt, zur Bank oder zum Einkaufen sind eine Herausforderung. Auch Mülltonnen, die auf Gehwegen stehen, sind ein Hindernis", berichtet Nico Albers.
Seine Arbeitsstelle bei der Cuxhavener Firma "Cuxport" musste Albers nach langem Kämpfen aufgeben und in Frührente gehen. Um sich zu seiner Rente etwas Geld dazuzuverdienen könne er sich einen Nebenjob suchen. "Allerdings ist bei sehr wenigen Firmen, die Nebenjobs anbieten, das Gebäude barrierefrei und die Toilette behindertengerecht", erklärt der Grodener.
Diese fehlende Barrierefreiheit wird auch an anderen Stellen zum Problem: Ein spontaner Besuch bei Freunden ist für den 43-Jährigen ebenfalls nicht leicht. "Eines der größten Probleme ist allerdings, weite Strecken alleine zurückzulegen. Viele Bushaltestellen - vor allem auch hier in Groden - sind nicht behindertengerecht." Auch hier seien die Bordsteine zu hoch und an einigen Stellen würden sich die Haltestellen sogar im Seitenstreifen befinden.
Ein neuer Rollstuhl sorgt für ein besseres Leben
Seit einiger Zeit stellen Hindernisse wie Bordsteinkanten, unebene Wege und steile Rampen kaum noch ein Problem dar. Denn Nico Albers hat sich einen neuen Rollstuhl gekauft. "Dieser Rollstuhl hat 25.000 Euro gekostet - die Krankenkasse hat davon nichts übernommen", berichtet der Grodener. "Er funktioniert ähnlich wie ein ,Segway' und fährt bis zu 15 Kilometer pro Stunde."
"Dieser Rollstuhl gibt meinem Mann viel mehr Lebensqualität. Neulich konnten wir endlich wieder eine Fahrradtour als Familie machen. Wir fuhren am Deich und durch den Wald. Mein Mann begleitete uns mit seinem Rollstuhl", freut sich Melanie Albers. "Im Winter konnte ich sogar mit meinem Sohn Schlittenfahren. Ich habe den Schlitten mit dem Rollstuhl gezogen", erzählt ihr Mann mit leuchtenden Augen.
Durch den neuen Rollstuhl ist es auch möglich, dass Nico Albers im Garten mit seinem Sohn Fußball spielen kann. "Ich nehme dann einen kleinen Besen, mit dem ich den Ball ,schießen' kann", erzählt der Grodener voller Freude. Die neu gewonnene Lebensqualität freut aber nicht nur das Ehepaar, sondern auch ihren siebenjährigen Sohn, der endlich wieder mit seinem Vater spielen kann. Ein kostspieliger Traum, den sich die Familie selbst erfüllen musste.