
Integration statt Fachkräftemangel: Cuxhavener Kanzlei bildet Ukrainerinnen aus
In Cuxhaven wagen zwei geflüchtete Ukrainerinnen den mutigen Neuanfang. Trotz Sprachbarrieren bietet eine Steuerkanzlei ihnen diese Chance und den nötigen Rückhalt für eine erfolgreiche Integration - ein anschauliches Beispiel für andere Arbeitgeber.
Dieses Beispiel könnte vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels und der Suche nach geeignetem Personal Schule machen - auf alle Fälle ist es ein mutiges Experiment eines Arbeitgebers aus Cuxhaven, der sich proaktiv dafür einsetzt, dass zwei Frauen aus der Ukraine beruflich in ihrem Gastland Tritt fassen können.
Iryna Yerechshenko (43) und Olena Novikova (30) sind vor dem Krieg aus ihrer Heimat geflohen und bauen sich in Cuxhaven neue Existenzen auf. Beruflich erhalten sie dazu in der Kanzler Prill & Partner (Steuerberater und Wirtschaftsprüfer) eine außerordentliche Chance und beispielhaften Rückhalt. Beiden Frauen wird dort ermöglicht, eine Ausbildung zur Steuerfachangestellten zu beginnen.
Größte Herausforderungen sind die Überwindung der Sprachbarrieren plus das Erlernen der Fachtermini im Steuerwesen. Doch hierbei sorgt ihr neuer Arbeitgeber für Unterstützung und hat extra eine Deutschlehrerin engagiert, die ihnen Einzelunterricht gibt. Hinzu kommt noch ein Kursus vom Steuerberaterverband. Kennen- und schätzen gelernt haben die Chefs und die Ausbilder die Frauen durch vorgeschaltete Praktika, in denen sich die beiden bewährt haben. Und vor allem ihre beruflichen Hintergründe sind für ihre Arbeitgeber viel versprechend.
Zu Iryna Yerechshenko hat über die Arbeitsagentur zuerst Kontakt zur Kanzlei bestanden. Sie absolvierte in ihrer Heimat ihren Master in Buchführung und arbeitete als Buchhalterin. Im Dezember begann sie ihr Praktikum bei Prill & Partner, konnte zwischenzeitlich als Bürohilfe dort arbeiten und dabei ihre Deutschkenntnisse erweitern. Im August beginnt sie mit der Ausbildung.
Irina Yerechshenko, die mit ihren Eltern und den beiden Kindern seit Beginn des Angriffskrieges auf ihr Land in Cuxhaven lebt, beschreibt ihren Beweggrund folgendermaßen: "Meine große Hoffnung ist ein Leben in Deutschland. Um mich besser integrieren zu können, muss ich mich weiterentwickeln und Prill & Partner bieten mir dazu beruflich die Möglichkeit."
Olena Novikova startet voraussichtlich einen Monat später, im September, mit ihrer Ausbildung. Die Juristin mit Bachelor- sowie Master-Abschlüssen hat in der Ukraine als Anwältin gearbeitet; hier werden ihre Abschlüsse allerdings nicht anerkannt, sodass eine neue berufliche Orientierung erfolgen muss. Sie schwärmt von dem Arbeitsklima in der Kanzlei: "Ich bin verliebt in das Team und die Hilfsbereitschaft. Alle sind geduldig und ich habe mich sehr willkommen gefühlt."
Die erste Zeit lebte Olena Novikova in Ihlienworth in einer Gastfamilie in Ihlienworth. Sie habe immer auf das Ende des Krieges gewartet. Doch aus dieser Hoffnung wurde bis dato nichts, sodass sie in Cuxhaven mit einem Integrationskurs begann und in Ermangelung eines Autos dorthin zog. Nachdem ihre Deutschkenntnisse mit Prüfung B 1 bisher nicht für das Berufsleben ausgereicht hatten, schloss sich ein B2-Kurs an, den sie zurzeit noch besucht. Die junge Frau strahlt voller Zuversicht und Motivation: "Der beste Lehrer ist das Leben." Und dann sprudelt es aus ihr heraus: "Deutschland hat uns die Sicherheit gegeben, die wir am dringendsten brauchen. Ich möchte ein Teil dieser Gesellschaft sein und zeigen, dass Integration funktioniert, und wie es sich lohnt, für die eigene Zukunft zu kämpfen."
Geschäftsführer Richard Jünger, einer der Partner in der Kanzlei, lobt gegenüber unserem Medienhaus ausdrücklich die hohe Motivationsbereitschaft beider neuen Auszubildenden - und ist zuversichtlich, dass dieses Experiment gelingt. Mit dem bisherigen Verlauf und der Startphase jedenfalls ist er hochzufrieden. Steuerfachwirtin Ulrike Potzwa und Steuerfachangestellter Malte Stoye sind demnächst die Ansprechpartner für die beiden Ukrainerinnen, weil sie in der Kanzlei für die Auszubildenden zuständig sind. Dass sie dabei geduldig mit den neuen Kolleginnen umgehen, haben sie bereits bewiesen.