Demokratie in Gefahr? Senioren aus dem Kreis Cuxhaven über ihre politischen Wünsche
Senioren von heute sind diejenigen, die unsere demokratische Grundordnung in den zurückliegenden Jahren sichergestellt haben. Unser Medienhaus sprach mit drei betagten Menschen aus Cuxhaven, Otterndorf und Oberndorf über Wahlen, Wünsche und Sorgen.
Dass sie zur Wahl geht und dabei immer einer demokratischen Partei ihre Stimmen gibt, ist für Lore Wähnke aus Cuxhaven (92) Ehrensache, seitdem sie 21-jährig zum ersten Mal Konrad Adenauer wählte.
Bei ihren Wünschen an die neue Regierung braucht die Seniorin gar nicht lange zu überlegen: "Mehr für die Umwelt, den Klimaschutz und für den Frieden sorgen. Und auf keinen Fall sollen sich Soldaten aus Deutschland wieder einmischen müssen."
Die 92-Jährige erinnert sich schaudernd an die düsteren Zeiten der Diktatur. Eine Szene ist in lebhafter Erinnerung: "Meine Eltern hatten eine kleine Kneipe. Einen Tag kam ein junger Mann herein und sagte 'Guten Morgen'. An einem der Tische saßen Nazis. Die sagten zu ihm, es heißt 'Heil Hitler'. Aber er ließ sich nicht beirren und sagte noch einmal ‘guten Morgen'. Später wurde er abgeholt, musste in den Krieg und kam nie wieder. Er war erst 21 Jahre alt."
Solche Zeiten, in denen man Angst hatte und nicht sagen durfte, was man dachte, dürfe es niemals wieder geben, bekräftigt die Seniorin - gerade auch für die Zukunft ihrer fünf Enkel und sechs Urenkelkinder. Angst machen ihr heute solche Regierungschefs wie Putin und Trump, und besorgt zeigt sie sich über die Aussagen der AfD. Migration sei doch wichtig, sagt die Rentnerin. Schließlich brauche man Hilfe zum Beispiel im Krankenhaus, in der Pflege und auch im Handwerk: "Wir benötigen hier Menschen aus anderen Ländern und auch die Grenzen innerhalb Europas müssen offenbleiben."

Dr. Gisela Penteker (76) aus Otterndorf war schon als Schülerin politisch interessiert, vor allem am Thema soziale Gerechtigkeit. An ihre erste Wahl erinnert sie sich direkt nicht, aber daran, dass sie immer wählen ging. "Schon als junge Frau habe ich immer eher taktisch gewählt", sagt die Allgemeinmedizinerin. Sie empfand es immer als wichtig, dass es eine dritte Kraft gibt und nicht nur zwei Parteien das Sagen. Mittlerweile betrachtet sie dies aber eher sorgenvoll, wenn dies bedeutet, dass die AfD diese drittstärkste Kraft sei. Von der kommenden Regierung wünscht sich die Otterndorferin, dass sie die Menschen mehr in den Blick nimmt und dass es weniger um Konstrukte, Macht und Wirtschaftsfragen gehe.
Seit Jahrzehnten engagiert sich Dr. Penteker aktiv für Flüchtlinge, war im niedersächsischen Flüchtlingsrat und begründet das Netzwerk für traumatisierte Flüchtlinge. "Ich wünsche mir mehr Empathie in der Politik - und dass man den einzelnen Menschen wieder sieht und nicht nur Gruppen betrachtet", sagt sie. Politiker sollten zudem vorher etwas anderes gemacht haben und dicht am Leben sein. Die Demokratie sieht sie gegenwärtig in Gefahr. Es werde polarisiert, in Schubladen gesteckt und nicht mehr konstruktiv diskutiert - im Großen wie im Kleinen, so ihre Wahrnehmung. Dass Menschen mit verschiedenen Meinungen wieder miteinander Gespräche führen, hält sie gerade auch im lokalen Umfeld für wichtig. Mit sehr großer Sorge sieht sie den generellen Weg nach rechts und damit auch "ein Gesellschaftsfähigmachen der Parolen der AfD".

Dass er Wählen geht, stand für Albertus Lemke (82) aus Oberndorf nie außer Frage. "Ich habe nicht immer das Gleiche gewählt - aber immer demokratisch", sagt er und verrät: "Die AfD ist niemals dabei gewesen." Der frühere Händler wünscht sich am meisten von der kommenden Regierung Klartext, "sodass wir Bürger besser informiert werden und verstehen, was sie meinen". "Haarscharf dran" seien wir nämlich, die Werte der Demokratie zu verlieren, meint der Oberndorfer. "Aber wenn wir informiert werden und die Politiker verstehen können, dann ist unsere Demokratie in guten Händen." Er kommt aus der Generation, die als Kinder noch Erinnerung an den Krieg hatte und dicht dran war an diktatorischen, menschenverachtenden Zeiten. Das dürfe nie wieder in Deutschland geschehen.