
"Unhaltbarer Zustand": Cuxhaven auf Lösungssuche für die Geburts- und Kinderklinik
Die medizinische Versorgung von werdenden Müttern sowie Kindern und Jugendlichen in Cuxhaven ist zunehmend gefährdet, weil sich die Helios-Klinik häufig wegen Personalmangels aus der Versorgung abmeldet. Die Klinik zeigt aber neue Perspektiven auf.
Zum wiederholten Mal gab es in diesem Jahr an mehreren aufeinanderfolgenden Tagen Einschränkungen beziehungsweise sogar Abmeldungen der Pädiatrie und Geburtshilfe seitens der Helios Klinik Cuxhaven. Zuletzt war die medizinische Versorgung vom 2. bis 7. April nicht möglich. Immer heißt es am Ende der Pressemitteilungen, dass "Maßnahmen zur Verbesserung der Situation derzeit weiter umgesetzt werden, um die gewohnte Versorgung in der Kinder- und Jugendmedizin langfristig sicherzustellen". Das Cuxhavener Krankenhaus verweist in solchen Fällen auf die Klinik Reinkenheide in Bremerhaven und das Elbe-Klinikum in Stade.
Die Helios-Klinik Cuxhaven teilt auf Nachfrage unseres Medienhauses mit, dass es in der Kinder- und Jugendmedizin aktuell vereinzelt zu kurzfristigen Einschränkungen komme. "Jedoch nur an wenigen Tagen im Monat", versichert Klinik-Sprecherin Katharina Recht, "an der überwiegenden Mehrheit der Tage ist unsere Pädiatrie regulär geöffnet." Und sie kündigt weiter an: "Wir setzen alles daran, die Versorgung in diesem sensiblen Bereich so umfassend und stabil wie möglich sicherzustellen." Als Gründe für die temporären Einschränkungen führt die Helios-Sprecherin den bundesweiten Fachkräftemangel in der Kinder- und Jugendmedizin an. Sie betont: "Wir setzen alle verfügbaren Mittel ein, um dem entgegenzuwirken. So führen wir aktuell bereits vertiefende Bewerbungsgespräche und sind sehr zuversichtlich, unser Team zeitnah verstärken zu können. Zusätzlich setzen wir Honorarärzte ein, um kurzfristige Engpässe zu überbrücken."
Wie bewertet die Stadt Cuxhaven diese Situation? Pressesprecher Marcel Kolbenstetter findet deutliche Worte: "Für die Stadt Cuxhaven ist das ein unhaltbarer Zustand. Mit Blick auf eine wachsende Stadt und ihre Bevölkerung, in der wir jungen Familien ein Zuhause bieten, ist eine Pädiatrie und Geburtshilfe ein wesentliches Element für den Standort. Deshalb müssen alle Anstrengungen unternommen werden, Personal zu gewinnen. Wir sind mit der Helios-Klinik im Austausch und versuchen Lösungen zu erarbeiten, die wir als Stadt Cuxhaven auch flankieren können." Jetzt sei es aber in erster Linie Angelegenheit von Helios, alle Anstrengungen zu unternehmen, um die Personallücke zu schließen.
"Konnten bisher das erhöhte Aufkommen bestmöglich auffangen"
Kirsten Semmler aus dem Bereich Unternehmenskommunikation am Klinikum Bremerhaven teilt mit, dass das Klinikum der Maximalversorgung mit dem Versorgungsauftrag für Pädiatrie, Neonatologie (Perinatalzentrum Level 2) und Geburtshilfe in Bremerhaven gemeinsam mit den weiteren Krankenhäusern in der Region bereitstehe, um die medizinische Versorgung in diesen Bereichen sicherzustellen. Das schließe eben auch Patientinnen und Patienten aus benachbarten Regionen mit ein, so die Sprecherin des Krankenhauses Reinkenheide. "In außergewöhnlichen Lagen oder bei temporären Engpässen anderer Häuser konnten wir bisher das erhöhte Aufkommen bestmöglich auffangen. Das verdanken wir dem großen Engagement unserer Teams in der Notfallaufnahme, dem Kreißsaal, der Pädiatrie und der Neonatologischen Intensivstation. Wie in vielen Bereichen des Gesundheitswesens ist auch bei uns die personelle Lage herausfordernd, insbesondere bei ungeplanten oder krankheitsbedingten Ausfällen", so die Bremerhavener Klinik-Sprecherin.
Neben Bremerhaven ist das Elbe-Klinikum Stade gefordert, wenn die Pädiatrie und Entbindungsstation in Cuxhaven sich abmeldet. Dr. med. Markus Krüger, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, erläutert: "Das Elbe-Klinikum Stade steht regelmäßig vor der Herausforderung, besonders in der Kinderklinik Patientinnen und Patienten aus umliegenden Regionen zu versorgen. Das trifft hauptsächlich in der kälteren Jahreszeit zu, wenn die Anzahl an grippalen Infekten entsprechend hoch ist. Die Situation ist insofern nicht neu - zumal wir bereits seit Januar vermehrt Kinder aus dem Landkreis und dem Raum Cuxhaven versorgen. Das Elbe-Klinikum Stade ist sowohl in der Kinderklinik als auch in der Geburtshilfe vollumfänglich einsatzfähig und hat genügend Kapazitäten, auch mit kurzfristig steigenden Patientenzahlen umzugehen und die Kinder, Patientinnen und Patienten jederzeit fachkompetent zu versorgen. Wir sind gut auf die Situation vorbereitet und die Versorgung ist rund um die Uhr sichergestellt."

Direkte Auswirkungen auf das Geburtshaus
Wenn die Helios-Klinik Cuxhaven ihren Kreißsaal abmeldet, hat das direkte Auswirkungen auf das von Hebammen betriebene Geburtshaus, das in der Nähe des Klinikgeländes an der Altenwalder Chaussee liegt. Hebamme Steffi Keller erläutert: "Wenn der Cuxhavener Kreißsaal abgemeldet ist, bittet die Klinik aus Bremerhaven uns, für die Frauen aus Cuxhaven, die über ihrem errechneten Geburtstermin liegen, die CTG-Kontrollen zu übernehmen." Diese Herztonkontrollen könne das Geburtshaus leisten, anders sehe es allerdings bei Ultraschall aus. Bei der zentralen Leitstelle liege zudem die Notfallnummer des Geburtshauses vor. Wegen der Abmeldung der Geburtshilfe und Pädiatrie seien zurzeit die meisten ihrer Klientinnen vorsorglich bei der Klinik in Bremerhaven angemeldet, falls es zu medizinischen Komplikationen kommt, so die Hebamme.
Zwar ist die Kassenärztliche Vereinigung (KV) für den ambulanten Bereich und nicht für Klinikbetriebe zuständig, aber dennoch weiß Dr. Stephan Brune, Vorsitzender der KV Stade, um die Umstände in der Kinder- und Geburtsklinik in Cuxhaven: "Wir niedergelassenen Ärzte bemühen uns, so viel wie möglich ambulant zu behandeln, damit Einweisungen in Kliniken nur in Ausnahmefällen möglich sind, umso mehr bedauern wir, dass ein großer Klinikkonzern wie Helios es nicht hinbekommt, Ärztestellen und Pflegestellen zu besetzen."
Andreas Knust, Geschäftsführer der Kurklinik Strandrobbe in Cuxhaven, betont: "Für die Arbeit in unserer Mutter-Vater-Kind-Kurklinik ist es selbstverständlich sehr wünschenswert, eine durchgängige und gesicherte pädiatrische Versorgung in der Stadt Cuxhaven zu haben. Wir beobachten die Entwicklungen der Pädiatrie am hiesigen Klinikum und stellen uns und Patientinnen und Patienten sowie deren Kinder bei notwendigen Behandlungen in einer Pädiatrie auf entsprechend deutlich längere Fahrtwege nach Bremerhaven ein." Erfreulicherweise, so Knust, sei aber die Notwendigkeit des Aufsuchens einer pädiatrischen Abteilung eines Krankenhauses der in seiner Einrichtung behandelten Familien und deren Kinder sehr gering.
"Sicherstellung der Versorgung in der Kinder- und Jugendmedizin hat oberste Priorität"
Laut Helios-Sprecherin Katharina Recht verfolge man parallel eine langfristige Personalstrategie. Dazu zähle eine aktive Rekrutierung über spezialisierte Agenturen, attraktive Arbeitsbedingungen, gezielte Weiterbildungsmöglichkeiten in der Pädiatrie sowie die Ausbildung eigener Nachwuchskräfte. Dazu kämen eigene Initiativen wie ein bereits viel beachtetes Recruiting-Video auf sozialen Medien, das bis Anfang dieser Woche schon über 367.000 Aufrufe erzielt habe. Recht betont: "Die dauerhafte Sicherstellung der Versorgung in der Kinder- und Jugendmedizin hat für uns oberste Priorität. Wir danken allen Familien in der Region für ihr Verständnis und ihre Geduld - und tun weiterhin alles dafür, eine umfassende und hochwertige Versorgung aufrechtzuerhalten."