Von wegen Wunden lecken: Der umjubelte Ministerpräsident Stephan Weil (5.v.l.) nach seinem Wahlkampfauftritt mit dem gescheiterten Kanzlerkandidaten Martin Schulz (4.v.l.) am 4. Oktober 2017 in der Kugelbake-Halle. Links Oberbürgermeister Uwe Santjer (damals Landtagsabgeordneter), rechts der designierte Ministerpräsident Olaf Lies (damals Wirtschaftsminister). Foto: Reese-Winne
Von wegen Wunden lecken: Der umjubelte Ministerpräsident Stephan Weil (5.v.l.) nach seinem Wahlkampfauftritt mit dem gescheiterten Kanzlerkandidaten Martin Schulz (4.v.l.) am 4. Oktober 2017 in der Kugelbake-Halle. Links Oberbürgermeister Uwe Santjer (damals Landtagsabgeordneter), rechts der designierte Ministerpräsident Olaf Lies (damals Wirtschaftsminister). Foto: Reese-Winne
Denkwürdige Auftritte (Fotogalerie)

Stephan Weil und die besondere Verbindung nach Cuxhaven: "Wir glauben an Euch"

von Kai Koppe | 02.04.2025

Der scheidende Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) ist ein Kenner und Unterstützer Cuxhavens. Unzählige Male war er hier. Unvergessen ist seine Rolle im Entschuldungsprozess einer Stadt, die seinen politischen Weg mitbestimmt hat.

Dieser Abend in der voll besetzten Kugelbake-Halle wurde zu einem der denkwürdigsten Auftritte Stephan Weils in Cuxhaven: Vor SPD-Mitgliedern, Unterstützern und Pressevertretern aus ganz Deutschland (die eigentlich auf jemand ganz anderen warteten) bestimmte er am 4. Oktober 2017 mit einer fast einstündigen Grundsatzrede das Schicksal der Landes-SPD. Zehn Tage später holte sich seine Partei bei den vorgezogenen Landtagswahlen mit deutlichem Vorsprung den Wahlsieg.

Stephan Weil bezeichnete diesen Tag später als "Auftakt zu einem fulminanten Wahlkampf mit einem fulminanten Ausgang". Dabei hatte das Interesse eigentlich einer anderen Person gegolten: dem SPD-Bundesvorsitzenden und Kanzlerkandidaten Martin Schulz, der knapp zwei Wochen zuvor krachend bei der Bundestagswahl gescheitert war und das bis dato schwächste Wahlergebnis der Nachkriegszeit für die SPD eingefahren hatte. Nun sollte er in Cuxhaven zum ersten Mal überhaupt danach wieder an die Öffentlichkeit treten.

Starke Bildersprache: Ministerpräsident Stephan Weil im Wahlkampf 2017 bei seiner Grundsatzrede in der Kugelbake-Halle. Foto: Reese-Winne

Enthusiasmus unter dem Hallendach

Die Medien gierten nach Sensationen; die Genossinnen und Genossen aus Nord-Niedersachsen empfingen Martin Schulz hingegen mit stehenden Ovationen. Nachtreten, Beleidigung, Resignation? Schulz und Weil dachten gar nicht daran. "Der Enthusiasmus war bis unter das Hallendach zu spüren" war tags darauf in unserer Zeitung zu lesen. Weil beschwor seine Genossen: "Wir haben bei der Bundestagswahl zusammen verloren, jetzt werden wir zusammen gewinnen." Er outete sich als Cuxhaven-Unterstützer und betonte die Hoffnungen und Chancen, die mit Cuxhaven als Windkraft-Standort verbunden waren: "Wir investieren in Euch, wir glauben an Euch", schallte es durch die Kugelbake-Halle.

Starke Bildersprache: Ministerpräsident Stephan Weil im Wahlkampf 2017 bei seiner Grundsatzrede in der Kugelbake-Halle. Foto: Reese-Winne

Santjer: "Stephan ist einfach gerne hier"

Dieser Abend muss Stephan Weil so eindrucksvoll im Kopf geblieben sein, dass er fünf Jahre später, am 26. August 2022, wieder mit einem prominenten Gast an seiner Seite in der Kugelbake-Halle die heiße Phase des Landtagswahlkampfs einläutete: Diesmal zusammen mit dem amtierenden Bundeskanzler Olaf Scholz. Reaktion des SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil: Niemals hätte er es für möglich gehalten, einen niedersächsischen Ministerpräsidenten und einen sozialdemokratischen Bundeskanzler gemeinsam in Cuxhaven begrüßen zu können.

Die Stadt an der Elbmündung liegt dem 66-Jährigen in besonderer Weise am Herzen. "Stephan ist einfach gerne hier", bringt es Cuxhavens Oberbürgermeister Uwe Santjer auf den Punkt - und erinnert an dessen ersten Besuch im Jahr 2012: Trübes Novemberwetter, der Wind pfiff um die Hausecken, als sich der Wahlkämpfer Weil von seinem Gastgeber (Santjer saß seinerzeit noch im Landtag) zu einer Besichtigungstour überreden ließ. "Ich habe damals über die Schwierigkeiten Cuxhavens berichtet." Neben der Schuldenlast und einer daraus resultierenden Katerstimmung sei es aber auch um Chancen gegangen, die der (Hafen)-Standort birgt - und die von Weil früh als solche erkannt wurden.

Auf dem Weg, Ministerpräsident zu werden: Auf einer Wahlkampfreise besuchte Stephan Weil (r., hier mit Uwe Santjer, damals Landtagsabgeordneter) im November 2012 die Stadt Cuxhaven. Foto: Koppe

Distanziert? Nicht Stephan Weil

Nicht anders zu erklären sind aus Santjers Sicht die zahlreichen Folgebesuche. Weil, inzwischen Ministerpräsident, brachte noch in seiner ersten Amtszeit einen Millionenscheck mit nach Cuxhaven, sammelte unabhängig davon aber auch auf der persönlichen Schiene bleibende Eindrücke, sei es beim Klönschnack mit Urlaubern am Strand oder bei einem Essen auf der Cuxhavener Fischmeile. Im Restaurant "O Cantinho" hatten sie für den Landesvater festlich eingedeckt. Als Santjer zum verabredeten Termin im Lokal erschien, war Stephan Weil schon da. Saß aber mitten unter den anderen Besuchern an einem Tisch mit Papiertuch. "Der Abend endete damit, dass wir beide für die übrigen Gäste Bier gezapft haben", erinnert sich der OB, der dem Ministerpräsidenten vor ein paar Tagen (Weil hatte auf der SPD-Klausurtagung in Springe seinen vorzeitigen Amtsrücktritt bekannt gegeben) eine Adressliste mit Cuxhavener Lieblingsplätzen zukommen ließ. Und seinem politischen Weggefährten das Versprechen abnahm, sich umgehend zu melden, sobald er demnächst als Privatmann in Cuxhaven aufschlage.

Stephan Weil im Strandkorb in Duhnen. Foto: Larschow

"Seiner Linie treu geblieben"

"Stephan Weil ist seiner Linie treu geblieben", findet Uwe Santjer auch in Bezug auf dessen bevorstehenden Rückzug: Aufrichtig habe der MP über Belastungen der vergangenen Monate gesprochen - und darüber, dass es für die bevorstehenden Herausforderungen einen Nachfolger mit längerem Atem brauche. Dass Weils Wahl auf Olaf Lies gefallen ist, wird nicht zum Schaden Cuxhavens sein, da ist sich Santjer ganz sicher. Nicht ohne Grund gelte Lies als "Hafenminister", mit ihm an der Spitze des Kabinetts würden die "guten Beziehungen nach Hannover definitiv weiter gepflegt".

Von Maren Reese-Winne und Kai Koppe

Cuxhaven liege ihm am Herzen, hat Stephan Weil (hier bei der Unterzeichnung des Entschuldungshilfevertrags mit Innenminister Boris Pistorius und OB Ulrich Getsch) immer wieder betont. Foto: Koppe
Landesvater, ganz leger: Ministerpräsident Stephan Weil beim Klönschnack mit einem Urlauber am Duhner Strand. Foto: Koppe
Stephan Weil gilt als bescheiden, besonnen - aber auch als nahbar, was er beim SPD-Sommerfest in der Grimmershörnbucht (2018) unter Beweis stellte. Foto: Koppe
Seine Qualitäten als Wahlkämpfer stellte der Ministerpräsident unter anderem in der Kugelbakehalle (hier an der Seite von Kanzler Olaf Scholz, 2022) unter Beweis. Foto: Koppe
Stephan Weil im Strandkorb. Foto: Larschow
Stephan Weil, ein Kenner Cuxhavens, mit der damaligen Staatssekretärin Daniela Behrens 2016 auf dem Dach des Haven-Hostels. Foto: Reese-Winne
Uneingeschränkter Zuspruch für den Ministerpräsidenten Stephan Weil beim SPD-Bezirksparteitag am 13. November 2021 in den Hapag-Hallen. Foto: Reese-Winne

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Kai Koppe

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Cuxhavener Nachrichten/Niederelbe-Zeitung

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