Gefährliche Körperverletzung: Bewährung als letzte Chance für Cuxhavener Jugendliche
Um nicht ins Gefängnis zu müssen, müssen die Brüder, die wegen gefährlicher Körperverletzung schuldig gesprochen wurden, ihr Leben grundlegend ändern. Das Cuxhavener Jugendschöffengericht entschied, dass die beiden eine letzte Chance erhalten sollen.
Als letzte Chance für die beiden Beschuldigten wollte die Richterin ein Urteil verstanden wissen, das am Dienstag vor dem Cuxhavener Jugendschöffengericht gesprochen wurde.
"Unter Zurückstellung großer Bedenken" kamen Heike Sievers und die mit ihr am Richtertisch sitzenden ehrenamtlichen Kollegen überein, dass zwei zehnmonatige Jugendstrafen noch einmal zur Bewährung ausgesetzt werden. Die an die Hafterlassung geknüpften Auflagen sind streng; um nicht Gefahr zu laufen, die Strafe hinter Gittern zu verbüßen, müssten - so betonte Sievers - die der gemeinschaftlich begangenen gefährlichen Körperverletzung schuldig gesprochenen Brüder ihr Leben sozusagen "um 180 Grad drehen".
Dass bei den als Flüchtlingskinder in Cuxhaven aufgenommenen Heranwachsenden bisher vieles in die falsche Richtung gelaufen ist, belegten nicht nur Registereinträge, sondern auch eine wenig hoffnungsvoll klingende Prognose der Jugendgerichtshilfe, deren Vertreterin im Saal die Befürchtung geäußert hatte, dass es bei den beiden Probanden "zu weiteren Straftaten kommen könnte". Anlass zu dieser Annahme mag unter anderem jene ostentative Gleichgültigkeit (auch gegenüber dem eigenen Schicksal) gegeben haben, welche die Angeklagten offenbar schon in vorangegangenen Verfahren an den Tag legten: Statt der Ladung nachzukommen, schwänzten sie Gerichtstermine - und nahmen dafür einen mehrwöchigen Freiheitsentzug in Kauf.
Zeugen benötigten eine Extra-Einladung
Zeugen, das muss man dieser Stelle betonen, verhielten sich im aktuellen Verfahren nicht minder kurzsichtig: Um den Ablauf einer gewalttätigen Auseinandersetzung vor der Süderwischschule zu rekonstruieren, ließ die Richterin am Dienstagvormittag schließlich zwei mögliche Tatzeugen von der Polizei vorführen. Die beiden 21-Jährigen hatten den Gerichtstermin angeblich vergessen - anders als eine junge Frau, die vorab angekündigt hatte, zu keiner Aussage imstande zu sein und nun ein Ordnungsgeld aufgebrummt bekommt.
Gruppe rottete sich vor der Schule zusammen
Dass Zeugen eingeschüchtert worden sein könnten, glaubt zumindest die Staatsanwältin. Sie plädierte im Fall eines der beiden Brüder dafür, die zu erwartende Strafe nicht zur Bewährung auszusetzen: Der zum Tatzeitpunkt 18 Jahre alte Beschuldigte soll sein Opfer mit der Faust ins Gesicht geschlagen haben. Dass der Geschädigte anschließend von einem gesondert verfolgten Tatbeteiligten mit einem Teleskopschlagstock traktiert wurde, tat aus Sicht der Verteidiger nichts zur Sache. Besagter Stockeinsatz könne den Angeklagten nicht zur Last gelegt werden, räumte auch die Richterin ein, erkannte andererseits aber sehr wohl ein gemeinschaftliches Vorgehen: Über eine Chatgruppe hatte sich etwa ein Dutzend Heranwachsende vor der Schule verabredet, um ein Exempel zu statuieren. Weshalb, das blieb unklar. Man darf annehmen, dass eine ganze Reihe von Beteiligten, die bereitwillig mitmischten, die Gründe der Auseinandersetzung nicht einmal vom Hörensagen her kennen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.