
Was denken Cuxhavener? Sorge um bezahlbaren Wohnraum wächst bei Einheimischen
Was bewegt die Menschen in Cuxhaven? Wo fühlen sie sich wohl, womit identifizieren sie sich, wo sehen sie Risiken für den gesellschaftlichen Zusammenhalt? Eine Gruppe von Studierenden hat nachgefragt und einige Baustellen aufgespürt.
Im Auftrag der Freien Evangelischen Gemeinde (Mozartstraße) sind 16 junge Studierende der Theologischen Hochschule Ewersbach im September losgezogen, um diesen Fragen im Rahmen einer Sozialraumanalyse auf die Spur zu kommen. Dabei haben sie ein enges Zusammengehörigkeitsgefühl der Küstenbewohner festgestellt, aber auch große Sorge um eine gesellschaftliche Spaltung.
Nach wissenschaftlichen Grundsätzen gearbeitet
30 Befragungen seien keine allzu tragende Basis, aber doch tauglich genug, um daraus grundsätzliche Erkenntnisse und Denkanstöße zu ziehen, zumal die Studie nach wissenschaftlichen Grundsätzen durchgeführt worden sei, berichtete Master-Student Jakob Lange, der extra zur Präsentation nach Cuxhaven zurückgekehrt war und doch - im Vergleich zum September - erhebliche Unterschiede im Stadtbild feststellen konnte.
Warum es überhaupt zu diesem Auftrag gekommen war, erläuterte Pastor Ulrich Flottmann: Die Gemeinde wünschte sich Anstöße, wie sie sich nach außen wenden und so Verantwortung für die Geschicke der Stadt mit übernehmen könnte. "Erkenntnisreich!", so Ulrich Flottmann.

Cuxhavens Stadtteile wirken oft identitätsbildend
Als erstes stellten die Gäste aus Hessen fest, dass die Stadt Cuxhaven ein sehr verzweigtes Gebilde ist, in dem einzelne Stadtteile stark identitätsbildend wirken. In ihren Gesprächen mit "Experten" etwa aus Schule, Vereinen, Kultur, sozialen Einrichtungen, Tourismus oder Medien konzentrierten sie sich weitgehend auf den Kernbereich. Mit Ergebnissen, die manchmal stutzen ließen, räumte Jakob Lange ein: "Cuxhaven ist eine Fahrradstadt und hat ein toll ausgebautes Wegenetz - und gleichzeitig fehlt es an entsprechenden Wegen." So unterschiedlich könne sich die Realität in unterschiedlichen Lebenswelten widerspiegeln.
Cuxhaven: Verbindung zur Küste und zum Hafen
Die Studierenden wollten materielle, soziale, intellektuelle und existenzielle Potenziale, aber auch Bedürfnisse der Stadt-Bewohner ergründen. Als große Qualitäten wurden die Verbindung zur Küste und zum Hafen, der Tourismus als Arbeitgeber und Garant einer guten Infrastruktur, die breite Angebot durch Vereine und Kultur, ein komplettes Bildungsangebot sowie die starke Vernetzung sozialer Institutionen und vieler Kirchen wahrgenommen. Mit Blick auf die Freie Evangelische Gemeinde fiel vielen als erstes die Sommerferien-Aktion "Plietsch" ein und sie empfanden diese als gut vernetzt, aber vereinzelt auch zu sehr hinter ihren Mauern versteckt.
Am meisten, so Jakob Lange, schieden sich die Geister am Tourismus, vor allem in Bezug auf die elementare Frage des Wohnens. Häufig geäußert: Neuer Wohnraum, oft Zweit- oder Ferienwohnungen, entstehe nur für die Reichen (viele von ihnen zugezogen), während andere Stadtteile ihrem Schicksal überlassen würden. Es fehle an Wohnraum für die Cuxhavener und für jüngere Menschen und alternative Wohnformen wie WGs oder Mehrgenerationenwohnen gebe es kaum.
Leerstände im Einzelhandel, fehlende Arbeitskräfte in der Gastronomie, lückenhafte Anbindung durch öffentliche Verkehrsmittel und ein fehlendes Hochschulangebot seien öfter erwähnt worden.
Manch einer traut sich nicht über die Schwelle
Für die Nutzung sozialer Angebote bestehe oft eine hohe Schwelle, obwohl doch der Wunsch nach Gemeinschaft und Vernetzung groß sei. Andererseits bestünden aber kaum Begegnungsmöglichkeiten zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten und Vereine suchten händeringend nach Aktiven, die bereit seien, ein Amt auszuüben. Die Kirchen hätten an Bedeutung verloren, gleichzeitig existiere aber der Wunsch nach Halt im Glauben: "Kirche könnte ein Ort der Begegnung sein."
Spielmobil und Nachbarschaftcafé angeregt
Als Handlungsempfehlungen schlugen die Studierenden, die mit der Erstellung der Analyse gleichzeitig ein Pflichtelement in ihrem Masterstudium absolvierten, zwei Projekte vor: Ein Spielmobil, das dorthin fahre, wo die ansonsten schwer erreichbaren Kinder und Jugendlichen lebten, und zum anderen ein Nachbarschaftscafé in der Freien Evangelischen Gemeinde, gerade mit Blick auf das nahe Musikerviertel, das im Laufe der Jahre vieler Treffpunkte beraubt worden sei.
In der regen Diskussion mit Gästen der Abschlussveranstaltung wurde darauf hingewiesen, dass viele Angebote ja bereits existierten. Das passte zur Erkenntnis: "In Cuxhaven gibt es viele vernetzte Vereine, aber weniger gut vernetzte Bürger." Dennoch zeigten sich Gemeinde und Gäste der Präsentation aufgewühlt und inspiriert: "Ein Wink mit dem Zaunpfahl an die Kommune." Und wenn es nur um öffentliche Toiletten gehe, die Einheimischen monatelang nicht zur Verfügung stünden, sondern erst zur Saison wieder geöffnet würden ...